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Zu aktuellen Entwicklungen bei der Ermittlung von Schiffswerten nach KAGB und bei der Bestimmung der Kapitaldienstfähigkeit nehmen Christian Lütke-Uhlenbrock und Martin Geisler von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Stellung
Infolge des Überangebots an Schiffsraum und der steigenden Transportkosten befindet sich die internationale Schifffahrtsbranche unverändert in der Krise. Diese Situation[ds_preview] wird durch die fundamentalen Veränderungen bei den schiffsfinanzieren-den Banken, die sich aus der Schiffs- und Werftenfinanzierung zurückgezogen oder das Neugeschäft stark eingeschränkt haben, verschärft. Auf Basis der derzeit erzielbaren Charterraten ist eine Vielzahl an Schiffsgesellschaften nicht mehr in der Lage, ihren fälligen Zins- und Tilgungsverpflichtungen nachzukommen.

Die Ermittlung von Schiffswerten ist grundsätzlich auf Basis von marktpreis-, kapitalwert- und kostenorientierten Bewertungsverfahren möglich. Während in der Vergangenheit die Ableitung von Schiffswerten regelmäßig auf Basis von Marktpreisen, die aus vergleichbaren Transaktionen abgeleitet wurden, erfolgte (Vergleichswertverfahren), hat das kapitalwertorientierte Long-Term-Asset-Value-Verfahren (LTAV-Verfahren) in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.

Hintergrund dieser Entwicklung war, dass sich das Vergleichswertverfahren in­folge der anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise vielfach als untauglich erwiesen hat. Mangels einer ausreichenden Anzahl repräsentativer Schiffsankäufe und Verkäufe sahen sich immer mehr Sachverständige und Makler außerstande, die bis dahin übliche, auf Markttransaktionen basierende Bewertung durchzuführen. Die Argumentation der Befürworter des LTAV-Verfahrens stützte sich dabei insbesondere auf eine diagnostizierte temporäre Marktstörung. Die Heranziehung von »Notverkäufen« als Markttransaktionen im Rahmen der Anwendung des Vergleichswertverfahrens hätte demzufolge zu nicht sachgemäßen Einschätzungen der tatsächlichen Schiffswerte geführt.

Ermittlung des Nettoinventarwerts bei Schiffsfonds

Durch die rechtlichen Neuerungen im Bereich der Investmentfonds hat die Bedeutung der kapitalwertorientierten Verfahren auch bei der Bewertung von Sachwertinvestments wie Immobilien, Flugzeugen und Schiffen insgesamt deutlich zugenommen. Zusammen mit der Einführung des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) ist im Juli 2013 die Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und Bewertungsverordnung (KARBV) in Kraft getreten, die das Ertragswertver­fahren prinzipiell – ohne Vorliegen einer Marktstörung – als Standardverfahren zur Ermittlung des Nettoinventarwertes eines Schiffsfonds anerkennt.

Aufbauend auf den Verfahrensvorschriften der AIFM-Level-2-Verordnung sind in KAGB und KARBV zudem konkrete Bewertungsvorschriften und Vorgaben für die Bewertung von offenen und geschlossenen Spezial-AIF (Alternativen Investmentfonds) enthalten. Im Einzelnen werden hier u.a. Vorgaben zu Wertmaßstäben, zu Bewertungsverfahren, zu den zulässigen Bewertern und zur Frequenz der Bewertung getroffen. Die Modellbewertung von Schiffen kann demnach durch einen Dritten (Externe Modellbewertung) oder durch den Fondsmanager selbst (Interne Modellbewertung) vorgenommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass bei eigenständiger Wertermittlung eine funktionale Unabhängigkeit der bewertenden Einheit von den Markteinheiten (Portfoliomanagement) ge­geben sein muss.

Gemäß AIFM-Level-2-Verordnung haben AIFM (Alternative Investmentfonds- manager) für jeden von ihnen verwalteten Fonds Grundsätze und Verfahren zur Gewährleistung eines soliden, transparenten, umfassenden und angemessen dokumentierten Bewertungsprozesses zu definieren, umzusetzen und zu überprüfen. Dabei muss gegeben sein, dass die verwendeten Bewertungsmethoden fair, angemessen und transparent sind. Für jede Art von zur Investition zugelassenen Vermögenswerten sind entsprechende Bewertungsgrundsätze festzulegen und zu dokumentieren (Abb. 1).

Ferner ist die Einhaltung der vorstehenden Organisations- und Sorgfaltspflichten für die Bewertung der Schiffe durch die interne Revision des Fondsmanagers regelmäßig zu überprüfen (vgl. § 26 ff. KARBV).

LTAV – Methodische Eckpunkte und wertbestimmende Parameter

Die Ermittlung des Schiffswertes nach dem LTAV-Verfahren erfolgt in einem ersten Schritt durch Ermittlung der zukünftig zu erwartenden finanziellen Überschüsse des Schiffes (Free Cashflow), die den Eigen- und Fremdkapitalgebern über die erwartete (Rest-)Nutzungsdauer des Schiffes zur Verfügung stehen. In einem zweiten Schritt werden diese Free Cashflows mit einem risiko­adäquatem Kapitalisierungszinssatz abdiskontiert, um den Schiffswert zu ermitteln. Die Bestimmung der Free Cashflows erfolgt auf Basis einer Planungsrechnung, in der Chartereinnahmen und Schiffsbetriebskos­ten sowie der Restwert des Schiffes zum Ende der Nutzungsdauer zu ermitteln sind. Da sich die finanziellen Überschüsse für die nähere Zukunft im Regelfall mit einem höheren Sicherheitsgrad prognostizieren lassen, erfolgt hierbei regelmäßig die Verwendung eines Zwei-Phasen-Modells, bei der für einen Detailplanungszeitraum, üblicherweise mindestens drei Jahre, eine detaillierte Planung der einzelnen Bestandteile (erste Phase) erfolgt, die dann bis zum Ende der (Rest-)Nutzungsdauer des Schiffes verein­fachend fortgeschrieben wird (zweite Phase).

Im Rahmen dieser Planungsrechnungen sind für die Prognose der Chartereinnahmen Annahmen über die Höhe der zukünftigen Charterraten (Brutto-Charterraten), über anfallende Bereederungsgebühren und Befrachtungskommissionen sowie Einsatztage pro Jahr zu treffen. Für den Detailplanungszeitraum kann die Prognose der Charterraten auf Basis der aktuell am Markt beobachtbaren Zeitcharterraten und Charterratenprognosen erfolgen. In den Fällen, in denen Charterratenvereinbarungen exis­tieren, sind dann die darin vertraglich festgelegten Charterraten zu verwenden. Im Anschluss an den Detailplanungszeitraum kann die Verwendung von langfristigen, historisch beobachteten durchschnittlichen Charterraten sachgerecht sein, da die aktuellen Charterraten durch kurz- bis mittelfristige Marktübertreibungen beeinflusst und damit für eine langfristige Betrachtung nicht geeignet sind. Bei Fondsbewertungen ist gem. § 33 Abs. 2 KARBV auf den Durchschnittswert der Charterrate der vergangenen zehn Jahre abzustellen.

Generell ist bei der Prognose zu berücksichtigen, dass bei Schiffen mit zunehmendem Alter im Regelfall nur noch geringere Charterraten erzielt werden können. Vor diesem Hintergrund ist in Abhängigkeit des Schiffsalters ein »Altersabschlag« auf die prognostizierte Charterrate vorzunehmen.

Ausgangsbasis für die Prognose der zukünftigen Betriebskosten, die im Wesentlichen die Kosten für Personal, Versicherungen, Schmier- und Hilfsstoffe, Ersatz-

teile, Wartung und Reparaturen umfassen, sind die aktuellen Betriebskosten. Diese sind unter Berücksichtigung zukünftiger inflationsbedingter Kostensteigerungen zu planen. Zusätzlich sind die in der Regel alle fünf Jahre anfallenden Kosten für die Klassenerneuerung zu berücksichtigen, wobei aus Vereinfachungsgründen auch eine Umlage dieser Kosten auf die übrigen Jahre vertretbar ist.

Als weitere Determinante des Free Cashflows ist der Restwert zu ermitteln. Hierbei bietet es sich an, sich am voraussichtlichen Schrottwert auf Basis des Leergewichts des Schiffes zum Ende der erwarteten Nutzungsdauer unter Berücksichtigung von anfallenden Entsorgungskosten zu orientieren.

Um den Schiffswert zu ermitteln, sind anschließend die auf Basis der genannten Parameter ermittelten Free Cashflows mit einem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kapitalisierungszinssatz hinsichtlich Fristigkeit, Risiko, Währung und Besteuerung äquivalent zum Free Cashflow sein muss.

Bestimmung der Kapitaldienst-fähigkeit

Die oben beschriebene Grundkonzep­tion des LTAV-Verfahrens stellt regelmäßig auch die Basis zur Beurteilung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit von Schiffs­finanzierungen bei Banken dar. Um die Kapitaldienstfähigkeit auf Basis der aktuellen Finanzierungssituation ermitteln zu können, wird auf den ermittelten Free Cashflow abgestellt, welcher um den zu leis­tenden Kapitaldienst reduziert wurde. Da in der Praxis aufgrund der Schifffahrtskrise derzeit zu beobachten ist, dass die vertragsgemäßen Tilgungs- und Zinszahlungen nicht oder oft nur eingeschränkt erbracht werden können, erfolgt hierbei die Aufteilung der Finanzierung eines Schiffes auf zwei Darlehenstranchen.

Nach Abzug des Kapitaldienstes aus der bestehenden Finanzierung (erste Darlehens­tranche) ergibt sich ein kumulierter Free Cashflow. Ist das Schiff nicht in der Lage, den erforderlichen Kapitaldienst einzufahren, wird der verbleibende negative Saldo im Modell in einem »Pay as you earn«-Anteil (zweite Darlehenstranche) betrachtet, der somit gestundete Zins- und Tilgungsleistungen darstellt.

In den nachfolgenden Jahren ist der jeweilige Free Cashflow aus der Betriebstätigkeit zunächst dafür zu verwenden, den erforderlichen Kapitaldienst des betrachteten Jahres zu bedienen. Erst wenn der Kapitaldienst auf das Regeldarlehen voll erbracht werden kann, reduziert der überschüssige Free Cashflow den bis dahin aufgelaufenen »Pay as you earn«-Anteil.

Sollte diese Berechnung ergeben, dass die Schiffsfinanzierung am Ende der angenommenen gewöhnlichen Nutzungsdauer des Schiffes nicht vollständig zurückgeführt werden kann, so ist bei den schiffsfinanzierenden Banken grundsätzlich davon auszugehen, dass deutliche Indizien für eine Wertminderung des Engagements vorliegen und eine Wertberichtigung der Engagements erforderlich sein wird.

Fazit

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Schifffahrtskrise halten wir die Anwendung eines kapitalwertorientierten Bewertungsmodells im Rahmen der Fondsbewertung für sinnvoll. Jedoch empfehlen wir bei der Bewertung von Schiffsfonds, wie auch bei der Bestimmung der Kapitaldienstfähigkeit, Sensitivitätsanalysen zur Plausibili­sierung des auf Grundlage des LTAV-Verfahrens ermittelten »Punktwertes«. Diese flankierenden Analysen sollten Variationen aller wesentlichen wertbestimmenden Parameter enthalten. Insbesondere sollten diese Szenarien unterschiedliche Annahmen im Hinblick auf die Charterrate abbilden. Zum einen können Expertenschätzungen eine sinnvolle Ergänzung zum historischen Durchschnitt darstellen. Zum anderen empfehlen wir historische Simulationsrechnungen, die den spezifischen his­torischen Volatilitäten der Charterraten der einzelnen Schiffstypen und Größenklassen Rechnung tragen. Sinnvolle Steuerungsimpulse für die finanzierenden Banken können sich darüber hinaus auch durch eine »Monte Carlo«-Simulation der Charterraten, gegebenenfalls innerhalb einer von Experten geschätzten Bandbreite, ergeben.

Autoren:

Dr. Christian Lütke-Uhlenbrock, WP, Partner Banken & Finanzdienstl., Bremen

christian.luetke-uhlenbrock@bdo.de

Martin Geisler, Senior Manager,

Hamburg, martin.geisler@bdo.de

BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft


Christian Lütke-Uhlenbrock, Martin Geisler