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Die Schwergutbranche verzeichnet derzeit eine leichte Belebung, unter anderem dank einer Reindustrialisierung in den USA. Die Frachten bleiben aber weiter auf niedrigem Niveau.
Nach fünf Jahren Krise und einer nur kurzen Zwischenerholung wächst bei den im Schwergutmarkt aktiven Reedereien und Dienstleistern jetzt die[ds_preview] Hoffnung auf eine Trendumkehr. Auf der Breakbulk-Messe in Antwerpen Mitte Mai berichteten zahlreiche Vertreter aus Schifffahrt und Spedition von wieder anziehenden Ladungsmengen, verbesserter Auslastung der Schiffskapazitäten und steigenden Anfragen von Bau- und Engineering-Büros für gesamtlogistische Lösungen. Bei den Frachtpreisen ist die Erholung aber bislang nicht angekommen, hieß es übereinstimmend – abgesehen von einer leichten Befestigung der Raten im Segment der sehr schweren Ladungskolli über 500t.

»Die Schiffe voll zu bekommen, ist kein Problem. Wir müssen aber jetzt ein Signal an die Verladerschaft setzen, dass das Geschäft zu den heutigen Preisen nicht weitergehen kann und dass die Raten hoch müssen«, hieß es bei der Hamburger Rickmers-Linie. Ähnlich beurteilt man die Situation bei der Austral Asia Line (AAL), die mit großen 31.000-Tonnern u.a. auf der Route zwischen Ostasien und Kanada unterwegs ist. »Die Ladung ist da, und es kommen noch größere Projekte auf uns zu«, erklärte der China-Manager von AAL, Wolfgang Harms. Bemerkenswert sei zum Beispiel ein geplantes Megaprojekt zur Ölsandaufbereitung in der kanadischen Provinz Alberta mit einem Transportaufkommen von 800.000 Frachttonnen.

US-Schwergutladung nimmt zu

Dabei handelt es sich offenbar nicht um einen Einzelfall. »Wir verzeichnen seit Ende vergangenen Jahres bis jetzt eine solide Zunahme in bestimmten Projektmarktsegmenten, das betrifft vor allem Vorhaben in den USA und in Kanada«, unterstrich Chris Kent, Leiter der Projektlogistikabteilung Panprojekts von Panalpina. Die anhaltend hohen Ölpreise und die durch »Fracking« gesunkenen Förderkosten für Öl und Gas haben in Nordamerika einen Investitionsboom ausgelöst, von dem freilich die Anlagenhersteller in Europa und Asien mitprofitieren – und damit logischerweise auch die im Überseegeschäft aktiven Speditionen und Reedereien, denn die Projektgüter müssen über weite Entfernungen zu den Baustellen befördert werden. Die Versorgung mit günstigem Gas und Öl zieht in den USA eine Welle der Reindustrialisierung nach sich – vom Bau neuer Raffinerien über Hütten- und Autowerke bis Düngemittelfabriken, für die Unmengen Bauteile und Maschinen erst einmal ins Land gebracht werden müssen. Hoffnungszeichen für die Projektlogistik sieht Kent aber auch im Arabischen Golf mit einer Reihe neuer Aufträge für petrochemische Werke in Saudi-Arabien. »Wir haben bis jetzt ein sehr gutes Jahr gehabt und gehen davon aus, dass wir unseren Nettoumsatz um 20 bis 30% steigern können«, meinte Kent.

Erholungstendenzen und gute Zukunftschancen sieht auch die Südtiroler Spedition Gruber Logistics im Projektsegment. Das Familienunternehmen nahm in Antwerpen mit seiner neu gegründeten Business Unit »Project Cargo« teil. Zentral gesteuert wird das Übersee-Projektgeschäft aus Bremen heraus, wo Gruber kürzlich die Spedition Intertransport Hohnholz übernommen hat. Geleitet wird die Sparte jetzt von Rainer Bechler, dem früheren Deutschlandchef für Industrial Projects bei DHL. Zentrale Auslandsstandorte für Grubers Projektabteilung sind Schanghai und St. Petersburg, darüber hinaus bestehe ein ausgedehntes Agentur- und Partnernetzwerk rund um die Welt – angesichts der zunehmenden internationalen Komplexität in dem Geschäft unverzichtbar. »Da bestellt ein Deutscher in China, um einen Kunden in Südafrika zu beliefern. Solche Cross Trades verstärken sich immer weiter«, sagt Bechler, der über die vergangenen Monate ebenfalls eine leichte Belebung verzeichnet. »Bestimmte Geschäfte passen bei den Großen nicht ins Raster, zum Beispiel weil verschiedene Abteilungen miteinander konkurrieren. In diesen Nischen wollen wir uns bewegen.«

Bei den Reedereien hält sich die Begeisterung noch in Grenzen, weil die Schiffe angesichts der niedrigen Frachten weiterhin viel zu geringe Erträge auffahren. Makler schätzen, dass Carrier mit den im Schwergutmarkt gängigen 12.000-Tonnern (Hebekapazität über 240t) nach Abzug von Reisekosten nur Tageserträge von 6.000 bis 8.000$ erzielen – viel zu wenig, um die Betriebs- und Kapitalkosten der Schiffe zu decken. Laust Lunding Smith, Befrachtungsdirektor der dänischen Reederei Nordana, sieht zumindest erste Zeichen einer Besserung. »Wir haben im ersten Quartal wieder Geld verdient. Die Geschäfte liefen deutlich besser als im Vorjahr.« Das Unternehmen mit seiner über 125-jährigen Tradition in der Schifffahrt gehört zu den Marktteilnehmern, die vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind und nun die Ini­tiative ergreifen. Zehn Mehrzweck- und Schwergutschiffe hat Nordana mit Partnern gemeinsam bestellt. »In den nächsten Jahren gehen wir von 15 bis 20 auf bis zu 35 Schiffe in der Tramp-Projektschifffahrt hoch. Wir verdoppeln praktisch die Flotte«, so Lunding Smith. Gerade erst seien vier weitere 12.000-Tonner langfristig eingechartert worden. »Unser Anspruch ist es, ein globaler Projekt-Trampcarrier mit ordentlichen Krankapazitäten und einem Schwerpunkt im Ost-West-Verkehr zu sein.« Die Befrachtungs- und Verkaufsmannschaft wird dieses Jahr schon deutlich verstärkt mit Neueinstellungen in China, Italien und den Niederlanden. Die Teams an den großen Standorten Rungsted (Dänemark) und Bangkok sollen ebenfalls aufgestockt werden.

In die Offensive gegangen ist auch der US-Projektcarrier Intermarine mit Unterstützung des Investors New Mountain Capital. Die Firma hat langfristige Charterverträge für 15 aus Deutschland he­raus bestellte Schwergutfrachter gezeichnet, zehn davon durch die Bremer Reederei Zeaborn und fünf durch den Harener Befrachtungsmakler Arkon mit ACM Netherlands, Nordic Hamburg und STV als Kapitalgebern. »Wir machen uns die Umstände zunutze und sichern uns Schiffe zu den derzeit günstigen Kosten für die Zukunft«, erklärt Mark Johnson, Marketingleiter bei Intermarine. Maklerangaben zufolge sind die bestellten 12.000-Tonner ein Drittel günstiger als zu Spitzenzeiten vor einigen Jahren.

Diversifizierung der Angebote

Andere Reeder zögern noch mit Neubauten und versuchen, sich durch speziellere Angebote vom Wettbewerb abzuheben. So kündigte die Maersk-Tochter Safmarine MPV die Entflechtung ihrer Europa-Westafrika-Dienste an. Mit der Aufteilung in einen »Energy Service« für Öl- und Gaskunden sowie einen »Industry Service« für allgemeines Projekt- und Stückgut sollen Hafenanläufe und Transitzeiten auf bestimmte Kundengruppen zugeschnitten werden. Der dänisch-deutsche Carrier Combi Lift hat derweil mehrere Schiffe an deutsche KG-Eigner zurückgeliefert, um sich voll auf besonders anspruchsvolle Projektverschiffungen mit hohem Engineering-Aufwand zu konzentrieren.

Dieselbe Richtung schlägt auch die Hamburger Reederei Hansa Heavy Lift ein. CEO Roger Iliffe will weg vom Massengeschäft des Stückguts (Stahl, kleinere Maschinen, »Kisten und Kästen«), das die meisten Schwergutschiffe zur Optimierung der Erträge als Beiladung befördern. »Man kann nicht beides gleich gut zusammen machen: Bündelung von kleineren Partien (›Parcelling‹) und Projektladung mit komplizierten Ausschreibungen«, sagt er. Ziel sei es, die Schiffe künftig mit einzelnen Projektladungen für ganze Reisen auszulasten. Das finde bei Hansa Heavy Lift heute bereits eingeschränkt statt. Wenn der Markt für superschwere Güter wieder auf Hochtouren kommt, soll die Strategie fruchten. »Langfristig gibt es gute Chancen in diesem Bereich«, bekräftigt Iliffe.

Allerdings lässt sich dieses Ziel bei der aktuellen Flottenzusammensetzung nur bedingt realisieren. Denn zahlreiche Mehrzweckfrachter der Reederei können nur mit vergleichsweise geringen Hebekapazitäten aufwarten (F-Typ) und eignen sich daher nicht für Super-Heavy-Lift-Aufträge. Schon seit zwei Jahren tüftelt die Firma an einem Neubauprogramm für Schiffe mit Hebekapazitäten von 1.400 oder 1.600 t. Dass es bislang zu keiner Auftragsvergabe gekommen ist, sei kein Anzeichen von Schwäche oder mangelnder Rückendeckung durch den Gesellschafter Oaktree. Schuld sei vor allem das Marktumfeld. »Wenn wir soweit sind, dass wir in diesem Markt wieder profitabel arbeiten können,« sagt Iliffe, »dann bestellen wir.«
Michael Hollmann