Expansionskurs für Barge- und Fährprojekte

Die Indienststellung der Hybrid-LNG-Barge von Becker Marine Systems steht bevor. Vorangetrieben wird ebenso das Projekt »Elblinien«. Wegen der positiven Resonanz – aber auch umweltrechtlichen Problemen – werden weitere Häfen ins Auge gefasst, sagt Dirk Lehmann im Interview mit der HANSA


Herr Lehmann, wie ist der Stand der Dinge beim Bau der[ds_preview] LNG-Hybrid-Barge, die Sie gemeinsam mit Aida für den Hamburger Hafen realisieren?

Dirk Lehmann: Wir sind im Plan. Nach der Ankunft in Hamburg brauchen wir noch drei bis vier Wochen für die Erstinbetriebnahme. Anfang Oktober werden wir dann erstmals ein Kreuzfahrtschiff, die »Aida Sol«, mit sauberem Strom versorgen können.

Ist die Nutzung der Barge dann nur für Aida vorgesehen?

Lehmann: Nein, die Barge steht jedem zur Verfügung, der Interesse hat. Je besser sie ausgelastet ist, desto günstiger wird es für alle. Da wir die Barge betriebswirtschaftlich betreiben werden, ist es wichtig, so viele Kunden wie möglich zu erreichen.

Gibt es bereits Gespräche mit weiteren möglichen Kunden?

Lehmann: Es gibt zwar noch keine weitere Vereinbarung, aber schon sehr konkrete Gespräche.

Geht es dabei auch um Kunden aus der Handelsschifffahrt?

Lehmann: Eine Stromerzeuger-Barge ist nur für die Kreuzfahrt interessant. Der produzierte Strom kann nur dann wirtschaftlich vertrieben werden, wenn ein großer Nutzer an diesem großen Kraftwerk hängt. Man kann den Strom nicht aufteilen, das wäre zu teuer. Es gibt leider nicht die Möglichkeit, eine solche Barge beispielsweise für ein Containerschiff nutzbar zu machen. Das wird wirtschaftlich nicht funktionieren.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung und beim Bau der Barge?

Lehmann: Das schwierigste war nicht die Technik, auch wenn wir in einigen Punkten Neuland betreten haben. Eine Herausforderung war, die bestehende Technik zu »marinisieren«, so dass ein möglichst sicherer Betrieb gewährleistet werden kann. Vor allem auch durch spezielle rechtliche Anforderungen, die im Rahmen des Schiffbaus bestehen. Dazu zählte die Klassifikation ebenso wie Risiko- und Gefahrenanalysen.

Die Hauptherausforderung waren aber rechtliche und energiepolitische Rahmenbedingungen – wie die EEG-Umlage. Beim Blick auf die Reform muss man als Schiffbauer sagen: Im Gegensatz zur Hamburger Politik und den Reedereien hat die Bundespolitik Schwierigkeiten, die EEG-Reform auf den Bedarf der internationalen Schifffahrt anzupassen. Die beschlossene Reform ist für die Barge eine ganz erhebliche betriebswirtschaftliche Benachteiligung. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das mit den eigentlichen EU-Plänen zur Bereitstellung von sauberem Hafenstrom zu vereinbaren ist. Einerseits soll die grüne Schifffahrt gefördert werden. Aber wir werden durch die EEG-Reform abgestraft.

Können Sie das konkretisieren?

Lehmann: Der Nutzer der Barge wird im Winter vollumfänglich EEG-Umlage zu zahlen haben. Und das ist problematisch für die Wirtschaftlichkeit hier im Bundesgebiet. Im Sommer agiert die Barge autark und ist daher von der Umlage befreit.

Gibt es daraus resultierend Überlegungen zu einem Standortwechsel? Was könnten die Konsequenzen sein?

Lehmann: Eine Möglichkeit ist, das Potenzial der Barge voll auszunutzen, also die Standortflexibilität auszuspielen. Das bezieht sich nicht auf die Kreuzfahrtnutzung, sondern die für die Barge sehr wichtige Winternutzung. Dann sind nämlich keine Kreuzliner im Hafen. Und das Barge-Konzept sieht eine Winternutzung als Blockheizkraftwerk zur Wärmelieferung an Industriekunden oder das Fernwärmenetz sowie Stromlieferung an die Industrie vor. Das ist der Bereich, in dem wir jetzt abgestraft wurden. Denn dort fällt die EEG-Umlage an. Wie bei einer möglichen Landstromnutzung – wie sie in Hamburg geplant ist – weil sie am öffentlichen Netz hängt.

Gab es Gespräche darüber mit der Politik?

Lehmann: Wir haben unglaublich viel Lobbyarbeit gemacht. Aida und die Hamburger Politik haben uns sehr geholfen. Aber wir sind an der Berliner Sturheit gescheitert. Dort hat man sich dafür nicht interessiert.

Gibt es Überlegungen, auch in anderen Häfen aktiv zu werden mit der Barge?

Lehmann: Ja, die gibt es. Das ganze Konzept beinhaltet 15 Bargen. Hamburg ist der »Pilot«-Hafen. Wir sind in sehr konkreten Gesprächen mit mehreren Häfen. Vor allem in Europa, aber auch in Übersee. Es gibt bereits Absichtserklärungen. Aber wir warten erst einmal den Start in Hamburg ab. Wir werden von den Erfahrungen profitieren, denn in Hamburg gibt es einige große Herausforderungen. Es ist ein City-Hafen mit engem Fahrwasser auf einer äußerst stark befahrenen Wasserstraße.

Geht es bei den rechtlichen Rahmenbedingungen auch um Gefahrenaspekte, weil mit Flüssiggas gearbeitet wird?

Lehmann: Es gab bei der Entwicklung viele wichtige Aspekte, auch was den nautischen Verkehr, Havarien und den Umgang mit Flüssiggas angeht. Das ist Standortpolitik. Aber dafür haben wir in Hamburg sehr kompetente Behörden, die uns umfangreich unterstützt haben. Wir haben über Lösungen gesprochen, das war sehr gut und ich hoffe, dass es so weitergeht. Auch für mögliche spätere Projekte.

Welche Bedingungen brauchen Sie im Hafen selbst für den Barge-Betrieb?

Lehmann: Im Hamburger Hafen wird momentan der Liegeplatz am Grasbrook vorbereitet. Dort werden Pfeiler für das Festmachen der Barge vorbereitet. Dazu werden Leitungen in einem Graben an der Kaimauer verlegt, damit eine sichere Verwahrung der teuren Kabel möglich ist.

In Antwerpen soll jetzt ein neues Terminal gebaut werden, in der Hoffnung, dass die Barge-Industrie nachzieht und das LNG-Geschäft vorantreibt. Ist das ein notwendiger Schritt?

Lehmann: Wir brauchen keine besondere LNG-Infrastruktur, weil wir auf kleinteilige LNG-Logistik in der Belieferung setzen. Wir sind nicht diejenigen, die große Terminals fordern sollten. Natürlich gibt es Vorteile, wenn ein Terminal in der Nähe ist, weil die Truck-Gebühr umso geringer ist. Aber so viel macht das letztendlich nicht aus. Unsere Barge hat den Vorteil, dass nicht nur LNG, sondern auch NG genutzt werden kann. Wir können also auch mit Gasnetzen arbeiten, was wir im Winter dann auch tun wollen.

Sie haben noch weitere LNG-Projekte. Wie ist der Stand beim »Elblinien«-Fährprojekt zwischen Wedel und Jork?

Lehmann: Wir sind relativ kurz vor der Investment-Entscheidung und in sehr konstruktiven Gesprächen mit den Beteiligten auf beiden Flussseiten, mit den Kommunen, Kreisen und der jeweiligen Landespolitik. Es stehen noch einige politische Prozesse an, bis auch die nötige Infrastruktur bereitgestellt werden kann. Aber wir sind guter Dinge, dass wir noch in diesem Jahr grünes Licht bekommen. Dann können wir auch die Schiffbau-Entscheidung fällen. Der Konstruktionsprozess läuft bereits.

Wer wird der Betreiber der Fähre?

Lehmann: Wir gründen dafür eine Tochtergesellschaft. Wir brauchen lediglich Unterstützung bei der Infrastruktur. Aber wir hoffen auch auf eine Förderung durch die öffentliche Hand für dieses wichtige Projekt als Verbindung zweier Wirtschaftsräume.

Wo wird die Fähre gebaut?

Lehmann: Auf jeden Fall in Europa. Wir wollen ortsnah bauen.

Möglicherweise in Deutschland?

Lehmann: Wir führen auch Gespräche mit deutschen Werften. Aber es muss nicht notwendigerweise dazu kommen, dass ein deutsches Unternehmen den gesamten Bau übernimmt. Es gibt etwa das Modell, bei dem der Kasko zugeliefert wird. Wir brauchen im Prinzip nur einen herkömmlichen Bauplatz für eine Flussfähre. Die spezielle Technologie bringen wir selbst ein. Es ist eine Hybrid-Fähre mit einem Mix aus Batterie- und Kondensatortechnik gepaart mit LNG.

Gibt es auch hier Überlegungen für weitere Standorte?

Lehmann: Wir haben zwei weitere sehr interessante Destinationen auf dem Plan, die ich aber noch nicht veröffentlichen kann. Es wird aber noch mehr kommen.

Wird das in Europa sein?

Lehmann: Ja, sogar in Nordeuropa.

Wie ist der Stand der Dinge bei der Wattenfähre?

Lehmann: Auch hier ist die Technik überhaupt kein Problem. Das Schiff ist vollentwickelt und kann jederzeit gebaut werden. Wir haben nach wie vor rechtliche, kommunale Schwierigkeiten. Denn dort steht die nötige Infrastruktur nicht diskriminierungsfrei zur Verfügung. Der Betreiber ist dazu zwar bereit, jedoch nur gegen ein »angemessenes« Entgelt und nur zu bestimmten Zeiten. Wir gehen dagegen derzeit wettbewerbsrechtlich vor. Aber das wird noch dauern.

Wird ihrer Meinung nach jetzt der »große Schritt« von der Reederseite zur Nutzung von LNG-Antrieben in Emissionsschutzgebieten kommen?

Lehmann: Dieser Schritt erfolgt nur bei einer wirklichen wirtschaftlichen Notwendigkeit. Wenn die Emissionsgrenzen noch weiter abgesenkt werden, kommt man mit der bestehenden Schiffstechnik irgendwann nicht mehr weiter. Dann muss investiert werden. Und wenn dann der bisherige Treibstoff und auch schwefelarmer Treibstoff noch teurer wird, wovon ich ausgehe, führt das zu großem wirtschaftlichen Druck. LNG ist dabei eine Möglichkeit, zu reagieren. Aber es gibt noch einige Probleme, beispielsweise die fehlende Bunker-Infrastruktur. Möglich und nötig wäre die Nutzung von LNG-Bargen. Aber auch das wird noch dauern. Daher glaube ich nach wie vor fest an die kleinteilige LNG-Logistik.

Unabhängig von Ihren LNG-Projekten: Sind Sie mit dem Tagesgeschäft zufrieden?

Lehmann: Ja auf jeden Fall. Wir haben eine Umsatzsteigerung in diesem Jahr von 20%. Der Auftragseingang ist schon 30% höher als im Vorjahr. Dabei war er 2013 bereits sehr hoch. Wir haben sehr viele Mewis Duct verkauft, die Nachfrage steigt weiter, auch in Kombination mit Rudern. Es gibt einen Trend, dass man nicht nur vorm Propeller Energie spart mit Mewis Duct oder Twisted Fin, sondern auch hinter dem Propeller. Da bieten wir eine entsprechende Gesamtlösung an. Auch das After-Sales-Geschäft läuft sehr gut.

Michael Meyer