Rätselhaftes Vergessen um Willy Stöwer

Seine Geburtsstadt Wolgast gedachte seiner nicht. Kein Wort in den Medien über ihn zur 150. Wiederkehr seines Geburtstages am 22[ds_preview]. Mai 1864. Der in der Kaiserzeit berühmte und begehrte Marinemaler Willy Stöwer ist heute nahezu vergessen. Sein mehrere Tausende Gemälde und Illustrationen umfassendes Werk ist fast untergetaucht – so wie die »Titanic« auf seinem wohl bekanntesten Bild. Hin und wieder werden seine Malereien noch auf Auktionen oder bei Ebay als Postkarten angeboten. Dieses Vergessen eines begabten Künstlers, dessen Bilder auf der Höhe seines Schaffens viele Millionen Mal in Zeitschriften abgedruckt wurden, ist rätselhaft.

Der später in Berlin wirkende Willy Stöwer genoss die Gunst von Kaiser Wilhelm II. Mehrfach durfte er den Monarchen auf dessen Seereisen begleiten. Der Kaiser kaufte Werke von ihm und ernannte den Autodidakten zum Professor.

Stöwer schuf viele Bilder von Schiffen der aufstrebenden Flotte des Kaiserreiches und war ein begehrter Illustrator für die damaligen Medien. Man kann, ohne den künstlerischen Wert seiner Bilder zu bestreiten, sagen: Er war auch ein Propagandist der aufstrebenden deutschen Schifffahrt und Marine, die begann, der britischen Vormacht auf den Meeren Paroli zu bieten.

Stöwer beherrschte das Abbilden von Schiffen bis in viele Einzelheiten hinein. Seine erste berufliche Existenz war die eines Konstrukteurs in Werftbüros. Und er meisterte eine der schwierigsten Aufgaben eines Malers: das Abbilden von Wasser.

Wohlhabend durch viele Auftragsarbeiten geworden, ließ er sich 1913 im damals noch ländlichen Berlin-Tegel eine kleine Villa bauen und richtete dort sein Atelier ein.

Als vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg begann, malte er viele Szenen aus dem Seekrieg. Für fast 60 Bücher lieferte er in seiner Schaffenszeit Illustrationen. Zu seinen schönsten Bildern gehört vielleicht das nach dem 1. Weltkrieg entstandene Gemälde »Ankunft der »Cap Polonio« im Hamburger Hafen«.

Der Glanz der Gunst des Kaisers verflog, als die Kaiserzeit endete – und wurde zur Last. Die neuen politischen Verhältnisse in Deutschland machten einen kaisertreuen Künstler wie Stöwer suspekt. Die großen Aufträge blieben aus. Stöwer geriet in finanzielle Schwierigkeiten, letztlich infolge der Weltwirtschaftskrise. Er starb 1931 in Berlin-Tegel.

Das Internationale Maritime Museum Hamburg verfügt über 50 Werke von Willy Stöwer. Ein Teil davon ist in der Ausstellung zu sehen. Dazu gehören »Ankunft der Cap Polonio im Hamburger Hafen«, «Torpedoboote ran an den Feind« (1913) und »Ankunft des Handels-U-Bootes »Deutschland« auf der Weser« (1916).


Wulf Brocke