An manchen Tagen kommt es zu navigatorischen Spitzenleistungen, an anderen zum Crash im Hafen, immer aber zu Neugier und Begeisterung[ds_preview]: Der Schiffsführungssimulator im Internationalen Maritimen Museum Hamburg (IMMH) ist beim Publikum sehr beliebt. Ehemalige Fahrensleute wollen es noch einmal wissen, junge Leute probieren am Steuerstand und dem großen Bildschirm aus, ob die Schiffsführung etwas für ihre berufliche Zukunft wäre.
Das liegt nach Ansicht der Verantwortlichen nicht nur an der raffinierten digitalen Technik, der spannenden Nachbildung der Wirklichkeit und der wechselnden Wetterverhältnisse in den Häfen Hamburg, Rotterdam und Singapur. Es sei auch zurückzuführen auf die lebendige und kenntnisreiche Begleitung der Steuerversuche durch 30 erfahrene ehemalige Kapitäne, Lotsen und Schiffsingenieure. Sie wissen, wie die Wellen laufen und die Strömung gegen die riesigen Containerschiffe drückt. Sie kennen die Tücken des Sturms und die Trägheit der stählernen Massen samt hoch aufgetürmter Container.
Vor zwei Jahren übernahm Kapitän Hans Trey zusammen mit Rüdiger Gutjahr, ein ehemaliger Elblotse und Computerexperte, die Leitung des Projekts im Museum. Geschult wurden sie von dem Bremer Unternehmen Rheinmetall und im Marine Trading Center (MTC). Der damalige Vorstandschef der Reederei Hapag-Lloyd, Michael Behrendt, übergab den Schiffsführungssimulator am 16. August 2013 als Geschenk an das IMMH.
Bereits im ersten Jahr konnte der 10.000ste Besucher begrüßt werden. Bald wird es wohl der 20.000ste sein. Viele Schifffahrtsunternehmen schicken ihre Auszubildenden an den Simulator. Sie lernen das Manövrieren mit den Schiffen kennen, erfahren Besonderheiten von Fahrtgebieten, Ladungen und Sicherheitsbedingungen. Schulklassen und Familien gehören ebenso zu den Gästen, die sich informieren und einiges lernen können.
So stand kürzlich beispielsweise der zehnjährige Fabio aus Hamburg mit seinem Onkel auf der Kommandobrücke eines Container-Riesen. Bei Windstärke 10 aus West sollte er aus dem Hafen von Rotterdam auslaufen. Zuerst lief alles nach Plan. Doch als die Mündung der Maas erreicht wurde, kam das Schiff nach Backbord vom vorgezeichneten Kurs ab. Die Kraft des Sturms war stärker als die Kraft der Maschine. Fabio war ein wenig enttäuscht. Als Hans Trey ihm erzählte, dass kürzlich ein pensionierter Frachter-Kapitän, jahrzehntelang auf den Weltmeeren unterwegs, ebenfalls mit der 300m langen »Tokyo Express« an der selben Aufgabe gescheitert war, hellte sich sein Gesicht wieder auf. Er war um eine Erfahrung reicher: Der Mensch denkt. Die Natur lenkt. Der Simulator soll auch das Wissen über Wasser- und Naturkräfte vermitteln.
Auch bei nicht mehr ganz so jungen Generationen findet der Simulator Anklang. So versuchte sich ein Gast an dem Angebot, der als Schüler sehr oft seinen Vater auf dessen kleinen Frachter begleitet hatte und manchmal auch am Ruder stehen musste. Er steuerte die »Tokyo Express« in den Altenwerder Containerhafen und bekam dafür die Urkunde des IMMH überreicht. »Mein Vater wäre stolz auf mich gewesen«, sagte er, während er sich Tränen aus den Augen wischte.
Wulf Brocke, Internationales
Maritimes Museum Hamburg
Wulf Brocke