Ein geheimes U-Boot und ein blutiges Osterfest

100 Jahre nach dem Osteraufstand

der Iren im Jahr 1916 ist die Geschichte

im Nordwesten des Vereinigten

Königreichs[ds_preview] noch nicht vollends zur Ruhe

gekommen. Hier und da entlädt sich immer

wieder ein historisches Spannungsfeld

am Rande der Europäischen Union – nicht

mehr so gewalttätig wie zu Zeiten der IRAAttentate,

doch im Alltag und in der Politik

des britischen Königreiches durchaus

spürbar. Irland ist seit 1921 unabhängig,

die irische Insel jedoch nach wie vor geteilt.

In der Berichterstattung anlässlich des

traurigen »Jubiläums« der blutigen Revolte

werden zwei Punkte oft vernachlässigt

oder nur am Rande erwähnt: die Beteiligung

des Deutschen Reiches sowie eine der

Hauptfiguren – Sir Roger Casement.

Roger Casement, ehemaliger britischer

Botschafter in Afrika und ein bekannter

Politiker der damaligen Zeit, befand sich

zu Beginn des 1. Weltkriegs in Deutschland.

Er hegte Sympathien für die Deutschen

und war in Großbritannien wegen

mancher Enthüllung über die Praktiken

des englischen Kolonialreiches nicht sehr

wohlgelitten. Er ersuchte die deutsche Regierung,

ihm bei der Befreiung der Iren von

der englischen Fremdherrschaft zu helfen.

Mit einem deutschen U-Boot wollte er in

den Ostertagen 1916 in seine Heimat gebracht

werden. Ein deutsches Frachtschiff

sollte Gewehre und Munition auf die irische

Insel bringen, die an die Aufständischen

verteilt werden sollten. Beides wurde

zugesagt, da das Deutsche Reich – im

Krieg mit Großbritannien befindlich – Interesse

daran hatte, die Briten auf ihrem

Gebiet zu schwächen.

Casement wurde mit einem U-Boot

in geheimer Operation nach Irland gebracht.

Kommandant war Raimund

Weisbach, einer der erfolgreichsten UBootkommandanten

im 1. Weltkrieg

und der Mann, der das britische Passagierschiff

»Lusitania« als Torpedooffizier

versenkt hatte. Zum selben Zeitpunkt

und am selben Ort sollte das deutsche

Schiff »Libau« – als norwegischer Frachter

»Aud« getarnt – die Waffen absetzen.

Die »Libau« traf jedoch nicht rechtzeitig

ein und Casement wurde infolge eines

Verrats von den Briten gefasst. Der Osteraufstand

brach nach wenigen Tagen in

sich zusammen. Hunderte Aufständische

und Soldaten starben. Casement wurde in

London vor Gericht gestellt und gehenkt.

Weisbach ist eine überaus interessante

historische Figur. Nach seiner irischen

Operation geriet er in britische Gefangenschaft,

wurde aber dort ritterlich behandelt

und wegen seiner Verantwortung für den

Untergang der »Lusitania« nicht vor Gericht

gestellt. Mitte der dreißiger Jahre verschlug

es Weisbach an den Bosporus. Die

Türken machten ihn zum hochgestellten

Ausbilder ihrer Marine.

Das Internationale Maritime Museum

Hamburg verfügt über den Nachlass

Weisbachs. Dazu gehört ein unscheinbares

Stück Seife. Weisbach schmuggelte es

in der Gefangenschaft über die Schweiz zu

seiner Frau. Im Inneren ein Mini-Brief auf

einem kleinen Zettel: »Sollte dieser eigenartige

Brief einmal in Deine Hände gelangen,

bringt er Dir Hoffnung und Aufklärung

und Antwort über mich, die ich auf

dem vorgeschriebenen Weg nicht berühren

darf.«


Wulf Brocke, Internationales Maritimes Museum Hamburg