Neubeginn im Jet-Zeitalter: die »Bremen«

In der begründeten Erkenntnis, dass die Passagierschifffahrt auf dem Nordatlantik trotz der scharfen Konkurrenz des Flugverkehrs immer noch eine aussichtsreiche[ds_preview] Zukunft hat, begann der Norddeutsche Lloyd schon vor mehreren Jahren in Zusammenarbeit mit dem Bremer Vulkan mit eingehenden Planungen für die Wiederaufnahme seines früheren Fahrgastdienstes auf dieser Route – schrieb die HANSA 1959. Im Oktober 1958 hatte das Jet-Zeitalter im regelmäßigen Langstreckenflugverkehr begonnen. Trotz der anfangs hohen Flugticketpreise wurde es künftig zum finanziellen Wagnis für sämtliche Reedereien, weiterhin auf den Liniendienst, insbesondere auf der Traditionsroute über den Nordatlantik, zu setzen.

Dem NDL, der seit 1953 mühsam einen Neubeginn auf der Strecke nach New York mit schwedischer Kooperationshilfe (»Gripsholm«, die spätere »Berlin«) in Gang gebracht hatte, stellte sich – falls man weiterhin Schiffe einsetzen wollte – zusätzlich die Frage, was wirtschaftlich sinnvoller sein würde: ein Neubau oder der Ankauf eines Fahrgastschiffes mitsamt Umbau.

Die Direktoren Richard Bertram und Johannes Kulenkampff entschieden sich für den Kauf der 1939 bei Penhoët in St. Na­zaire für die Compagnie de Navigation Sud-Atlantique entstandenen »Pasteur«. Die Gründe lagen auf der Hand: Da die deutschen Werften im Zuge des Wirtschaftswunders noch immer gut beschäftigt waren und ein Neubau vor 1963/64 nicht hätte fertiggestellt werden können, schien ein Ankauf ratsamer. Finanzielle Erwägungen taten ein Übriges: Ein Neubau hätte rund 160 bis 180Mio. DM erfordert; der Umbau der »Pasteur« war mit 95Mio. DM deutlich günstiger. Von der Summe bediente der Lloyd 30Mio. DM mit einer Hypothek, ein umstrittener Kredit der Bundesregierung brachte 38Mio., die restlichen 27Mio. DM stammten aus NDL-Eigenmitteln.

Die Überführung und der Umbau des Schiffes waren mit Hindernissen gepflastert. Zunächst musste so mancher Franzose überzeugt werden, dass der während des Zweiten Weltkrieges mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnete Truppentransporter nun für den ehemaligen Gegner fahren sollte. Es war eine Frage der französischen »honneur«, die nur mit finanziellen Argumenten zu beantworten war. Die Abholung des Schiffes in Frankreich glich dann für die Abgesandten des NDL einem Spießrutenlauf.

Die schiffstechnischen Anforderungen an den Umbau waren immens. Da die »Pasteur« mittlerweile 20 Jahre alt und nur im Truppendienst eingesetzt worden war, waren die schiffstechnischen Anlagen und die Inneneinrichtung sehr abgenutzt. Der 1948 in Kraft getretene Schiffssicherheitsvertrag stellte Bedingungen, die 1939 beim Bau des Schiffes noch nicht abzusehen waren. Die vorhandenen Aufbauten reichten für die Ansprüche des NDL an ein modernes Fahrgastschiff im Passagedienst auf dem Atlantik nicht aus. Aus Stabilitätsgründen mussten zusätzliche Aufbauten in Leichtmetallbauweise inklusive eines neuen Schornsteins hinzugefügt werden.

Hier leisteten im Übrigen die im Flugzeugbau erfahrenen Firmen »Weserflug« und »Focke-Wulf« sowie die Firma »Ambau« als Zulieferer einen wichtigen Beitrag. Auch die Maschinenanlage sowie die Kessel wurden nahezu vollständig erneuert. Sämtliche Kammern und Aufenthaltsräume wurden neu gestaltet, wobei nun der ersten Klasse mit 216 Passagieren 110 Kabinen sowie der Touristenklasse mit 906 Passagieren 394 Kabinen zur Verfügung standen. Die »Pasteur« war ursprünglich für 750 Fahrgäste ausgerüstet worden; sie war für den Südamerikadienst des ehemaligen französischen Eigners geplant.

Am 3. Juli 1959 fand die Probefahrt der neuen »Bremen« statt, am 9. Juli trat sie ihre Jungfernfahrt nach New York an. Die »Bremen« war das fünfte Schiff dieses Namens in der Lloyd-Flotte und nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst das größte Schiff der deutschen Handelsmarine.

Anfänglich verlief die neue Karriere des Schiffes sehr erfolgreich. Seine Passagierauslastung übertraf die Erwartungen, sowohl was den Liniendienst als auch die zunehmend beliebteren Kreuzfahrten anbetraf. Schon 1966 jedoch kam der Abschwung; 1967 schrieb man rote Zahlen. Die Boeing 707 hatte dafür gesorgt, dass sich der Liniendienst mit Passagierschiffen über den Nordatlantik nicht mehr lohnte. Ein Ausweg war, mehr Kreuzfahrten anzubieten. Allerdings traten bei der »Bremen« verstärkt Probleme mit Maschinen und Kesseln auf, die manches Mal zu Totalausfällen führten. Reisen mussten abgesagt werden, für das Renommee des Lloyd war dies nicht gerade förderlich. Auch war der Unterhalt des Schiffes teuer, die Personalkosten stiegen. 1972 beendete die »Bremen« ihre Fahrtzeit unter deutscher Flagge. Nach kurzem Intermezzo als Kreuzfahrtschiff »Regina Magna« der griechischen Chandris-Gruppe wurde die nunmehr »Saudiphil 1« genannte ehemalige »Bremen« 1977 Wohnschiff für Gastarbeiter in Djiddah. Auf seiner letzten Reise – im Schlepp zum Abwracken nach Taiwan – versank das jetzt »Filipinas-Saudi 1« genannte Schiff am 10. Juni 1980 nach einem schweren Sturm im Indischen Ozean.


Internationales Maritimes Museum, Hamburg