Die positive Entwicklung des Antwerpener Hafens setzt sich fort. Bereits zum
fünften Mal in Folge konnte der Umschlag gesteigert werden. Nun suchen
die Belgier nach Möglichkeiten, zu expandieren. Von Thomas Wägener
Im vergangenen Jahr wurden in Antwerpen insgesamt knapp 10,5Mio. TEU umgeschlagen, 4,3% mehr als im Vorjahr, in welchem es das[ds_preview] beste Umschlagergebnis der Geschichte gegeben hatte. Ein Garant dafür seien die neuen Containerterminals am Deurganckdok, am rechten Ufer der Schelde.
Antwerpens Hafenchef Jacques Vandermeiren, der seit Anfang 2017 an der Spitze des zweitgrößten europäischen Hafens steht, erwartet auch in diesem Jahr beim Containerumschlag einen Anstieg von etwa 5%. Da in den allgemeinen Prognosen in den kommenden Jahren weltweit ein wirtschaftlichen Aufschwung andeutet wird, dürfte das Ende des Wachstums damit längst noch nicht erreicht sein, sodass der Antwerpener Hafen trotz der Erweiterungen im Deurganckdok schon in wenigen Jahren an seine Kapazitätsgrenze stoßen könnte. Laut Vandermeiren wäre das bereits im Jahr 2021 der Fall, wenn nicht investiert werde. Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf oder sogar nur wenige Sekunden vor zwölf, weißt er auf die Dringlichkeit hin.
Containerumschlag im Fokus
Deswegen sucht der Hafen derzeit schnellstens nach Möglichkeiten für einen weiteren Ausbau. Die sowohl von Port of Antwerp als auch von den Reedereien favorisierte Variante ist ein zusätzliches Hafenbecken nördlich des Deurganckdoks schaffen. In dem sogenannten Saeftinghedok könnten Kapazitäten für weitere 6,6Mio. TEU geschaffen werden, sagt Vandermeiren. Wenn alles reibungslos verläuft, könnten die ersten Anlagen 2023 in Betrieb gehen, hofft der Hafenchef.
Das Gebiet liegt im kleinen Stadtteil Doel, der dafür allerdings weichen müsste. Zwar leben dort heute nur noch wenige Menschen, dennoch könnte sich das als Problem für die Pläne des Hafens erweisen. Die Einwohner hatten bereits gegen das Vorhaben geklagt.
Daher liegen nach Aussage Vandermeirens insgesamt nicht weniger als acht Alternativen in der Schublade, drei davon konzentrieren sich allerdings auf das Saeftinghedok. Eine weitere Möglichkeit wäre es, das Noordzee Terminal nach Norden hin zu erweitern.
Demnächst soll es konkrete Gespräche zwischen dem Hafen und der Regierung geben. »Der Ball liegt aktuell bei der flämischen Regierung«, informiert der Hafenchef, der auf einen baldigen Präferenzentscheid hofft. Er sei aber zuversichtlich, dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung über die Erweiterung erfolgen und dann auch der Standort für die Expansion feststehen werde.
»Wir halten an den Plänen für das Saeftinghedok fest«, bekräftigt er. Hier ließe sich schließlich die höchste Kapazität erzielen, zudem könnten die Aktivitäten gebündelt werden, denn der Standort liegt unweit des Deurganckdoks. Dies sei auch wichtig für die Verkehrsverlagerung, denn dadurch ließen sich Container effektiver auf Eisenbahn oder Binnenschiff bringen. Denkbar sei auch eine Mischvariante aus dem Saeftinghedok und einem anderen Standort.
Sollte Antwerpen kein grünes Licht für den Bau des Saeftinghedoks erhalten, würden die zusätzlichen Kapazitäten an den alternativ vorgeschlagenen Standorten in jedem Fall kleiner ausfallen, als die 6,6Mio. TEU, die das bevorzugte neue Hafenbecken bieten würde, deutet der Hafenchef an. Vandermeiren sagt aber auch, dass er die endgültige Entscheidung der flämischen Regierung akzeptieren wolle.
Flüssiggüter stark im Kommen
Der Nutzer der nach dem Umzug des MSC PSA European Terminals zum Deurganckdok freigewordenen Fläche im Delwaidedok steht derweil längst fest. Die Sea-Invest Group baut dort für rund 250Mio. € ein neues Tankterminal. Erste Tanks sind bereits zu erkennen.
Ohnehin will Antwerpen künftig weiter verstärkt auf den Umschlag flüssiger Güter setzen, denn auch dieser Sektor wächst stetig. Hierfür lieferte das vergangene Jahr einen zusätzlichen Beleg, denn die umgeschlagenen 73,1Mio.t Flüssiggüter entsprechen einem Anstieg von 5,7% im Vergleich zum Vorjahr. Analog zum Containergeschäft konnte auch bei dieser Warengruppe in den vergangenen fünf Jahren ein stetiger Umschlagzuwachs erzielt werden. Hauptverantwortlich dafür sind Derivate, deren Umschlag sogar seit 2010 kontinuierlich angestiegen ist.
Im Gegensatz dazu geht der Umschlag trockener Massengüter weiter zurück. Im vergangenen Jahr gingen nur noch 12,2Mio. t über die Kaikanten, 3,7% weniger als 2016. Ausschlaggebend ist die zurückgehende Bedeutung der Kohle. Deshalb will man sich an der Schelde auf andere Sektoren wie Container und Flüssiggüter konzentrieren. Im Fokus ist aber auch weiterhin Breakbulk. Hier stieg der Umschlag gegenüber 2016 um 6,6% auf 15,3Mio.t. Während der konventionelle Breakbulkumschlag um 4,8% kletterte, verbesserte sich die RoRo-Bilanz gar um 10,5%.
Frei von Problemen ist das Laden und Löschen von Breakbulk nach Auskunft der Belgier trotz der Steigerung aber nicht. Es gebe Schwierigkeiten mit den Schichten. Schiffe seien verpflichtet, immer eine komplette Schicht zu buchen, die aus sieben Personen besteht. Dies sei auch dann der Fall, wenn nicht alle Personen benötigt würden. Dadurch entstünden jedoch erhöhte Kosten für die Reeder. Mit dem Problem beschäftigen sich aktuell die Regierung von Flandern sowie die EU. Der Antwerpener Hafen rechnet aber damit, dass er selbst demnächst von beiden Organen beauftragt wird, für eine Besserung zu sorgen.
Derweil ist Port of Antwerp weiter auf der Suche nach einem Investor für eine 88ha große Fläche im Churchilldok. Interessierte Unternehmen können bis August dieses Jahres ihre Projektvorschläge einreichen. Es handelt sich um das Gelände, das ehemals von General Motors genutzt wurde. Mit dem Abriss der vorhandenen Gebäude soll im Herbst begonnen werden, die Arbeiten sollen etwa ein Jahr andauern. Im Churchilldok ist darüber hinaus noch eine weitere 27ha große Fläche zu haben. Auch hierfür werden Projektvorschläge angenommen. Dem Hafen wäre es am liebsten, wenn sich dort Produzierendes Gewerbe niederlassen würde, bzw. ein großer Verlader.
Eisenbahntransporte ausweiten
Aktuell liegt der Anteil der Binnenschifffahrt am Modal Split in Antwerpen bei 37%, im Containerverkehr sind es 38%. Am Bedeutendsten in Belgiens größtem Hafen ist nach wie vor der Lkw mit 52% bzw. 56%. Die Bahn hat indes einen vergleichsweise geringen Anteil von 8% bzw. 6%.
Vandermeiren ist bestrebt, das zu ändern und die Bahntransporte deutlich auszuweiten. Als Vorbild nennt er den Hamburger Hafen. Er strebt ein ähnliches Model auch im zweitgrößten europäischen Hafen an. Erste Gespräche mit Infrabel, dem Manager und Betreiber des belgischen Eisenbahnnetzes, will er im ersten Quartal dieses Jahres führen. Wenn es gelänge, Besitzer des Schienennetzes im Hafen zu werden, ließe sich die Effektivität steigern, so Vandermeiren, denn dann könnten eine Vielzahl von Bewegungen in kurzer Zeit stattfinden. Darüber hinaus ist für den Hafen auch eine zuverlässige Eisenbahnverbindung zum Rhein ein wichtiger Faktor.
Beratungen über Verbesserungen bei den Binnenschiffsabläufen will der CEO derweil in diesem Monat aufnehmen, denn noch immer kommt es zu Verzögerungen bei der Abfertigung. Ziel sei es, die Kapazitäten an zentralen Plätzen im und außerhalb des Hafens zu bündeln, um so eine höhere Effektivität bei den Transporten zu erzielen. Die Verantwortung für die zeitlichen Verzögerungen bei der Abfertigung der Binnenschiffe sieht er indes in erster Linie bei den Terminals selbst. Die Initiative müsse daher von den Betreibern der Hafenanlagen ausgehen, man selbst könne aber bei der Umsetzung unterstützen.
Antwerpen blickt ins Ausland
Neben dem eigenen Hafen nimmt Antwerpen auch zunehmend das Ausland in den Blick für Investitionen. Nach einem Investment in Duqm, Oman, wurden 10Mio. € in Porto do Açu, Brasilien, gesteckt. Die Idee sei es, den Hafen gemeinsam mit privaten Investoren diversifizierter aufzustellen, so Vandermeiren.
Ferner hat Antwerpen im vergangenen Jahr das Management des westafrikanischen Hafens Cotonou übernommen. In den kommenden Jahren könnte auch Indien in den Fokus der Belgier rücken. Auch hier könnte sich Antwerpens Hafenchef vorstellen, in den kommenden Jahren zu investieren.