Die Bremer Harren & Partner Group will das Angebot in der Schwergutschifffahrt nach der Eingliederung von SAL noch erweitern. Neben Second-Hand-Zukäufen ist für 2019 ein Neubauprogramm in Planung, berichtet  Geschäftsführer Martin Harren im Interview mit der HANSA. Bei der Finanzierung v[ds_preview]on Projekten setzt der Sohn des Firmengründers auf gute Verbindungen zu institutionellen Investoren.

Im vergangenen Jahr haben Sie sich im Bieterrennen um SAL durchgesetzt und damit den Geschäftsbereich Schwergutschifffahrt stark ausgebaut. Für den Voreigentümer »K« Line war SAL ein Zuschussgeschäft. Warum wollten Sie das Unternehmen unbedingt haben?

Dr. Martin Harren Kopie
Martin Harren (Foto: Harren & Partner)

Martin Harren: SAL ist für sich allein genommen einfach eine attraktive Firma. Die Gründerfamilie Heinrich hatte sie zu einem der Marktführer in der Schwergutschifffahrt gemacht, der in einer Liga mit Unternehmen wie Biglift und Jumbo spielt. Die Projektladungen, auf die SAL angewiesen ist, gab es aber in den letzten drei bis vier Jahren kaum. »K« Line musste das Geschäft stützen, weil es defizitär war. Für uns war aber klar, dass man in Kombination mit unseren eigenen Aktivitäten daraus etwas noch Größeres machen kann. Bei Schiffen mit Krankapazitäten über 900 t sind wir jetzt weltweit der stärkste Player. Kein anderer hat so viele Schiffe, so viel Kapazität und eine solche Engineering-Power.

Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. Sicher wird »K« Line mit hohem Verlust ausgestiegen sein…

Harren: Zu den finanziellen Details möchten wir uns nicht äußern. Ich kann nur sagen, dass in dem Zusammenschluss mit unseren anderen Aktivitäten große Synergien lagen. Das betrifft u.a. das Shipmanagement, wo es sich deutlich bemerkbar macht, ob Sie 13 Schiffe bereedern wie einst SAL oder 70 wie nun bei uns. Durch die effizienten Strukturen eines technischen Spezialisten ergeben sich neue Möglichkeiten. Mit der vergrößerten Flotte kann SAL zusätzliche Fahrtgebiete bedienen, so dass es jetzt auch einen Chartering Desk für Afrika gibt. Wir haben außerdem ein Joint Venture mit Rolldock aufgesetzt. Das sind zwar alles zarte Pflänzchen, die aber den Service für unsere Kunden erweitern.
Gleichzeitig hat sich unsere Firma Combi Lift, die vorher eine Schwergutreederei war, in der Gruppe neu aufstellen und zu einem bedeutenden Projektlogistiker entwickeln können. Das Gazprom Amur GPP Projekt, das Combi Lift betreut, ist ein Referenzprojekt für die gesamte Branche. Wir haben also nicht bloß »K« Line auf dem Eigner-Stuhl abgelöst, sondern viel hinzugebracht.

Warum zogen sich die Übernahmegespräche so lange hin, mehr als acht Monate? Was machte es so komplex?

Harren: Die Transaktion war von der Struktur her gar nicht so kompliziert. Die Prozesse zogen sich aber hin, weil das Unternehmen aus Sicht des Verkäufers mit sehr hohen Abschlägen im Vergleich zum Einstiegspreis verkauft werden sollte. Da es sich bei ‚K‘ Line um einen japanischen gelisteten Konzern handelt, gingen die Prüfungen dazu über mehrere Ebenen und Gremien. Zudem war es ein Rennen unter mehreren Bietern.

Auf jeden Fall war das Geschäft nicht »asset-light«, Sie haben nicht bloß den kommerziellen Teil übernommen, sondern auch alle Schiffe?

Harren: Richtig, nicht nur den Carrier oder Operateur, wie man es in anderen Fällen, etwa in der Containerlinienfahrt, gesehen hat. Wir reden von SAL – mit allem, was dazugehört.

Kommt der Markt der Schwergutschifffahrt denn nach der jahrelangen Flaute wieder in Gang?

Harren: Der Ausblick für den Sektor im kommenden Jahr ist noch unsicher. Die positiven Signale nehmen aber zu. Allein aus der Öl- und Gasindustrie sowie dem Windenergieanlagenbau bekommen wir so viele Anfragen für 2020 und 2021, dass die SAL-Flotte dann mit projektbezogenen Aufträgen voll ausgelastet sein könnte.

Das heißt, Sie müssen bald neu investieren und die Kapazitäten erweitern?

Harren: Wir bleiben vorsichtig und wollen uns nicht zu hohe Risiken aufladen. Es geht uns in erster Linie darum, unser Leistungsspektrum für die Kunden zu erweitern. Dazu haben wir gerade unseren ersten Fly-Jib – eine Art Kranverlängerung – bestellt, um bei SAL auch Offshore-Rammarbeiten durchführen zu können. Wir beschäftigen uns auch mit den Spezifikationen für künftige Neubauten mit erhöhten Krankapazitäten. Dabei haben wir natürlich auch immer unsere Stammkunden und deren Bedürfnisse, u.a. in der Öl- und Gasindustrie, im Blick.

Wann ist denn mit neuen Schiffbauaufträgen von Ihnen zu rechnen?

Harren: Unser Ziel ist es, 2019 zu einem Abschluss zu kommen und vier Neubauten für Schwergutschiffe zu bestellen. Wir haben zwei unterschiedliche Entwürfe, die wir diskutieren. Wir müssen allerdings die Marktentwicklung abwarten. Darüber hinaus schauen wir uns auch ein Container-Feederschiffsprojekt auf mittlere oder längere Sicht an, was allerdings nichts mit SAL zu tun hat. Unser Hauptaugenmerk bei Schwergutschiffen liegt aktuell aber auf dem Second-Hand-Markt. Da werden sicher ebenfalls Schiffe verfügbar, die eine sinnvolle Erweiterung für uns darstellen könnten. Unser mittelfristiges Ziel ist es, die SAL-Flotte von 20 in Richtung 25 Schiffe auszubauen. Dadurch bekommen wir auch Luft, mal ein oder zwei ältere Einheiten abzustoßen.

Setzen Sie sich mit Blick auf die neuen Treibstoffbestimmungen ab 2020 mit neuen technischen Lösungen auseinander? Scrubber oder LNG-Betrieb?

Harren: Für unsere geplanten Neubauprojekte schauen wir uns jetzt LNG-Lösungen an. Bei der Bestandsflotte denken wir in der Tat über die Nachrüstung von Scrubbern bei einigen Schiffen nach, die eher hohe Verbräuche haben.

Schwenken wir von der Schwergut- zur Containerschifffahrt. Sie haben gerade Ihre eigene Feeder-Linie in der Karibik verkauft. Warum hat das für Sie keinen Sinn mehr gemacht?

Harren: Tatsache ist, dass man uns hier einen sehr attraktiven Preis geboten hat, zu dem wir nicht Nein sagen konnten. Es war eine gute Gelegenheit. Caribbean Feeder Services (CFS) ist ein relativ kleines Unternehmen ohne eigene Schiffe. Für uns läuft die Containerschifffahrt trotzdem weiter, als Tramp Owner, der seine Schiffe verchartert. Wir arbeiten da weiterhin eng mit CFS zusammen, für die wir mehr als 50% ihrer Flotte bereitstellen.

Kurz vorher hatte schon die Schoeller Group ihren Feeder-Carrier Bengal Tiger Line verkauft. Anscheinend besteht allgemein gutes Kaufinteresse für solche Firmen?

Harren: Ja, es gab da offenbar ein Zeitfenster, in dem viel Geld für Feeder-Carrier bezahlt wurde. Das fing an mit der großen Transaktion für Unifeeder, die dieses Jahr an DP World verkauft wurden. Im Zuge dessen ist anscheinend viel Aufmerksamkeit für dieses Segment entstanden.

Sie sprachen von einem möglichen Neubauprojekt auch für Containerschiffe. Wollen Sie die Flotte in diesem Bereich wieder ausbauen?

Harren: Auch hier würde ich sagen, dass es erst einmal das Naheliegendste wäre, die Möglichkeiten im Second-Hand-Bereich abzuklopfen. Wir verfolgen da unterschiedliche Ansätze, führen Gespräche und hoffen, dass wir auf nahe Sicht etwas hinbekommen.

Und wie sieht es mit der Finanzierung aus? Welche Partner kommen in Frage?

Harren: In der Vergangenheit hatten wir ungefähr die Aufteilung: ein Drittel der Schiffe mit professionellen Investoren, ein Drittel eigene Schiffe und ein Drittel klassische KG-Fonds-Schiffe, an denen wir als Reederei aber auch noch relativ hoch beteiligt waren. Es gibt noch Fonds-Gesellschaften, die seit Anbeginn der Krise in ihrer Zusammensetzung stabil dastehen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es bei uns ein Revival von Beteiligungsmodellen für Kleinstanleger geben wird. KG-Fonds für einen kleinen Kreis von zehn bis 20 Beteiligten, wie es in der Schifffahrt vom Prinzip her schon seit Jahrhunderten praktiziert wurde, sind ein anderes Thema. Der Schwerpunkt lag für uns in den vergangenen zehn Jahren auf der Zusammenarbeit mit institutionellen Investoren. Auf dieser Basis konnten wir eine Menge Neues machen. Es gibt inzwischen eine richtige schifffahrtsfinanzierende Industrie, die von professionellen Investoren getragen wird. Die sind sehr kritisch, und es kann mühsam sein, gemeinsam Projekte zu entwickeln. Aber wenn es gelingt, hat das in der Regel Sinn und Verstand. Die Kooperationen in diesem Bereich haben uns geholfen, noch professioneller und besser zu werden.

Allerdings sind auch in diesem Bereich nicht alle Projekte so verlaufen, wie Sie sich das vorgestellt haben. Die einst von Ihnen und Goldman Sachs ins Leben gerufene Offshore Installation Group (OIG), die dann in Ceona umfirmierte, landete in der Insolvenz. Zu dem Zeitpunkt waren Sie aber schon ausgestiegen… Wie beurteilen Sie das Projekt im Nachhinein?

Harren: Für uns als Reederei war das dennoch ein Meilenstein, weil wir auch hier viel dazugelernt haben. Es hat uns weitergebracht. Die Entwicklung auf den Rohölmärkten konnte niemand vorausahnen. Wir hatten das Joint Venture unter der Maßgabe gestartet, dass der Ölpreis stabil bleibt. Das war unsere gemeinsame Prognose, die sich als falsch herausstellen sollte. Als der Ölpreis überraschend einbrach, wurde dem Projekt die Grundlage entzogen. Wie immer, wenn man nicht erfolgreich ist und so etwas mit angezettelt hat, gibt es dann größere Diskussionen, die man ertragen muss. Unterm Strich haben wir uns aber friedlich getrennt.

Sie konnten das einst von OIG/Ceona betriebene Offshore-Installationsschiff Blue Giant kürzlich wieder ersteigern. Welche weiteren Pläne verfolgen Sie in dem Segment?

Harren: Die Offshore-Industrie gehört auch zum Kundenspektrum unserer Schwergutschifffahrt, wenn es um Projektladung geht. Dadurch haben wir bereits einen Marktzugang. Mit der Blue Giant können wir zudem ein Schiff anbieten, das über ganz besondere Eigenschaften verfügt, DP-2-System, hohe und leistungsfähige Kräne, viel Deckfläche. Mit dieser einzigartigen Kombination kann man erfolgreich sein, selbst wenn der Offshore-Markt nach wie vor von Überkapazitäten gekennzeichnet ist. Konkret wird die Blue Giant in den nächsten Tagen Richtung Golf von Mexiko aufbrechen, um dort wieder langfristig eine Beschäftigung für Instandhaltung und Versorgung der Ölbohrinseln anzutreten. Wie Sie wissen, haben wir als Gruppe seit Jahren ein Büro in Mexiko, an dem wir auch in schweren Zeiten festgehalten haben und das wir jetzt ausbauen möchten. SAL engagiert sich ebenfalls in dem Bereich und übernimmt mit dem Schwergutschiff Lone Anfang kommenden Jahres einen Job in der Offshore-Industrie in Nigeria. Zudem können wir uns vorstellen, noch mehr für die Offshore-Windindustrie zu arbeiten.

Sie sind mit Ihren Aktivitäten von Containerschiffen bis Offshore schon breit aufgestellt. Wäre eine noch weitere Diversifikation wünschenswert, oder bleibt es bei dem jetzigen Portfolio?

Harren: Die Diversifikation hat uns geholfen, relativ gut durch die Krise zu kommen. Wenn es in einem Bereich schlecht läuft, kann man in einem anderen weiter Geld verdienen. Das ist aber allein noch kein Erfolgsrezept. Es gibt auch Schifffahrtsunternehmen, die diversifiziert waren und trotzdem pleitegingen. Sie brauchen vor allem die kompetenten Leute, die immer wieder die Kohlen aus dem Feuer holen. Grundsätzlich liegt es in unserer Natur, dass wir uns gern neue Dinge anschauen. Wenn Sie sich unsere Gruppe in drei oder vier Jahren anschauen, werden wir sicher noch andere Standbeine haben.

Zum Schluss ein Blick auf 2019. Was werden aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die Branche sein?

Harren: Es wird sehr interessant, was mit der Nord LB passiert und wie die Vorhaben dort abgearbeitet werden. Das wird sicher eine große Herausforderung für die kleineren Reedereikunden der Bank. Außerdem ist davon auszugehen, dass im Vorfeld der »Low Sulphur«-Bestimmungen eine Menge Schiffe den Markt verlassen und andererseits auch Verladungen vorgezogen werden. Insofern könnten wir deutlich mehr Rückenwind an den Märkten bekommen. Mein persönliches Ziel für 2019 ist wie bei jedem anderen Jahr auch: Wir wollen stärker aus dem Jahr herausgehen, als wir hereingegangen sind. Das reicht mir schon.

Interview: Michael Hollmann