Nach langen Planungen und langer Bauzeit soll es Ende 2021 seinen ersten Einsatz antreten: Das größte zivile Hospitalschiff der Welt, die »Global Mercy«. Die Organisation Mercy Ships gewährt jetzt weitere Einblicke. Die HANSA gehört zu den offiziellen Unterstützern des Projekts.

Seit Jahren laufen Planungen, Vorbereitungen und Bau für das weltweit größte zivile Hospitalschiff. Es ist das erste Mal, dass ein[ds_preview] ziviles Krankenhausschiff als solches neu gebaut wird. Frühere schwimmende Hospitäler waren in der Regel umgebaute Fähren.

Klassifiziert wird die »Global Mercy« von Lloyds Register aus Großbritannien als Passagierschiff für lange internationale Fahrten.

Das wichtigste vorweg: Ende 2021 soll der Neubau zu seinem ersten Hilfseinsatz nach Afrika aufbrechen.

Das 174m lange 37.000-t-Schiff wird über sechs Operationssäle verfügen und kann 600 Ehrenamtliche aus aller Welt beherbergen. Derzeit ist es bei der chinesischen Werft CSIC Tianjin Xingang im Bau. Basis ist ein Design, das in Zusammenarbeit mit der schwedischen Reederei Stena und dem finnischen Konstruktionsbüro Deltamarin entwickelt wurde.

Kosten bleiben im Rahmen

Wie die Organisation der HANSA bestätigte, hat das Projekt ein Gesamtbudget von der Planung und dem Bau, über die Ausstattung des voll funktionsfähigen Krankenhauses an Bord, die Überführung des Schiffes nach Afrika bis zur Begrüßung des ersten Patienten an Bord von rund 200Mio. €. 

Trotz der langen Entwicklungs- und Bauphase mit einigen Verzögerungen soll der Kostenrahmen gehalten werden, heißt es. Vor allem »ein Großspender aus den USA« tat sich bei der Finanzierung hervor, weitere Investoren folgten dem Beispiel. Um wen es sich bei dem Großspender handelt, sagt Mercy Ships nicht. Dem Vernehmen nach handelt es sich um Harry Fath aus Cincinnati, der unter anderem in der Immobilienbranche aktiv ist und über eine Stiftung verstärkt als Investor auftritt. Mithilfe der verschiedenen Spenden sei man guter Hoffnung, das Schiff ohne Schulden in Dienst stellen zu können, so die Organisation weiter. Die »maritime Betreuung«, nicht zuletzt die Bereederung, übernimmt man selbst, ohne Zwischenschaltung eines externen Shipmanagers.

Stena RoRo war für den Entwurf, die Auftragsvergabe – in Zusammenarbeit mit dem Schiffsmakler Barry Rogliano Salles (BRS) – und die Bauaufsicht verantwortlich. Statt eines Autodecks wurden Operationssäle und Krankenstationen gebaut. Der Krankenhausbetrieb stellt spezifische Anforderungen, die sich sowohl auf das Design des Rumpfes als auch auf die Gestaltung des Innenraums ausgewirkt haben. Darüber hinaus wurde das Belüftungssystem speziell angepasst und der Schwerpunkt auf die Minimierung von Vibrationen und Lärm gelegt.

Wärtsilä und ABB an Bord

Angetrieben wird der Neubau von vier Wärtsilä 32-Motoren. Der Vertrag mit dem finnischen Konzern umfasst zudem den Service für eine Dauer von zunächst fünf Jahren. Dabei geht es um Ersatzteile, Anlagenüberwachung und volle technische Unterstützung, um das Krankenhausschiff jederzeit einsatzbereit zu halten. Zu den messbaren Indikatoren gehören beispielsweise Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Treibstoffverbrauch. Die vereinbarten Ziele sollen durch automatisierte Key-Performance-Messungen, optimierte Wartung und Fernberatung erreicht werden. Die Motoren sind laut Herstellerangaben doppelt elastisch gelagert und entsprechen der DNV-VIBR-Vibrationsklassifizierung – bedeutend für die Anforderungen chirurgischer Eingriffe an Bord. Hierfür setzt Mercy Ships zusätzlich auf Azipods beziehungsweise elektrische Antriebs- und Energiesysteme von ABB.

Durch Filtern und Aufbereiten von Kondenswasser aus der Klimaanlage für technische Zwecke wird der Trinkwasserverbrauch um etwa 50% gesenkt. Hocheffiziente Klimaanlagen sollen den Gesamtenergieverbrauch um 15% reduzieren.

Die »Global Mercy« ist zudem mit wKranen ausgestattet, um Container mit Proviant, Fahrzeugen und anderen Ausrüstungsgegenständen aufnehmen zu können, da das Schiff für längere Zeit im Hafen eingesetzt werden soll.

Schule, Schwimmbad & Co.

Die Fachkräfte an Bord kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Chirurgie, Seefahrt, Küche, Pädagogik, Elektrotechnik oder Hotelfach. Es gibt ein Auditorium mit 682 Sitzplätzen, eine Schule, Fitnessräume, ein Schwimmbad, ein Café, einen Laden und eine Bibliothek – allesamt so konzipiert, dass bis zu 950 Mitarbeiter an Bord Platz finden, wenn die »Global Mercy« im Hafen liegt. Für die Familien stehen ein Kindergarten, Beschulungsmöglichkeiten und alleine auf Deck 9 und 10 über 20 Mehrbett-Kabinen zur Verfügung.

Die »Global Mercy« wird sich nach ihrer Ablieferung zu dem aktuellen Flaggschiff von Mercy Ships, der »Africa Mercy«, gesellen. Dadurch sollen sich die Kapazitäten für ehrenamtliche Helfer und Hilfsmaßnahmen mehr als verdoppeln. In den 50 Jahren erwarteter Lebensdauer des Schiffes werden schätzungsweise mehr als 150.000 Menschenleben »allein durch die Operationen an Bord verändert werden«, so die Hoffnung.

Covid-19 zeigt Bedeutung

»Die Global Mercy ist ein wahres Wunder der Technik – ein speziell angefertigtes Hospitalschiff mit maßgefertigten Instrumenten, neuester Technik und den Möglichkeiten eines modernen Krankenhauses«, sagt Rosa Whitaker, Präsidentin von Mercy Ships.

Über 93% der Bevölkerung in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara hätten keinen Zugang zu rechtzeitigen und sicheren Operationen, heißt es weiter. Aktuell bedroht Covid-19 die Tragfähigkeit von Gesundheitssystemen auf der ganzen Welt: besonders dort, wo die Lage ohnehin schon kritisch ist.

Alle prä- und postoperativen Arbeiten können an Bord durchgeführt werden, wodurch der Fußabdruck bei Einsätzen in stark frequentierten Häfen minimiert wird.

Mögliche Behandlungen sind unter anderem Kiefer- und Gesichtschirurgie, rekonstruktive Chirurgie, Tumorentfernung, Reparatur von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, orthopädische Chirurgie.

Landteams & virtuelles Lernen

Zusätzlich zu den Operationen, die an Bord durchgeführt werden, dienen schiffsbasierte Teams in den Dörfern vor Ort und bieten Behandlungen von Zahnkliniken, medizinische Kliniken, der Gesundheitserziehung in der Gemeinde und Bauwesen und landwirtschaftliche Ausbildung an.

Über die chirurgische Kapazität hinaus wird das Schiff eine hochmoderne Lernumgebung bieten: darunter ein chirurgisches Simulationslabor mit Virtual und Augmented-Reality, Dummies für praktische Übungen und anderes Material. Außerdem gibt es einen Simulationsraum für die postoperative Versorgung.

Für eine effektive Diagnostik und Behandlung setzt man auf die Dienste vom Kommunikationsdienstleister SES. Leistungsfähige Konnektivitätsdienste sollen es ermöglichen, ein kompaktes digitales Oszilloskop und einen CT-Scanner, mit denen spezialisierte Pathologen eine Reihe komplexer, lebensbedrohlicher Krankheiten an Bord aus der Ferne diagnostizieren zu können, vollständig zu implementieren.

Nicht zuletzt soll die Konnektivität genutzt werden, die Dienstleistungen zu erweitern und den lokalen Gemeinschaften nachhaltige Fähigkeiten zu hinterlassen, damit sie sich selbst versorgen können. Das medizinische Personal soll entsprechend die Möglichkeit haben, Live-Schulungen in HD-Video vom Operationssaal an Bord durchzuführen, um die medizinische Ausbildung und Unterstützung zu verbessern.

Über Mercy Ships

Mercy Ships bezeichnet sich selbst als überkonfessionelle Hilfsorganisation, die Menschen in Not eine kostenlose chirurgische Versorgung bietet. Laut des Lancet Global Surgery 2030 Report sterben jährlich schätzungsweise 16,9 Millionen Menschen an den Folgen fehlender chirurgischer Versorgung. Mercy Ships will mit Hospitalschiffen die medizinische Versorgung in den am wenigsten entwickelten Ländern verbessern.

Seit Gründung 1978 war die Organisation in mehr als 55 Ländern im Einsatz und hat dabei nach eigenen Angaben Hilfeleistungen im Wert von 1,6Mrd. € erbracht. 2,8 Millionen Menschen haben direkt und indirekt von der Arbeit der Organisation profitiert. Allein seit 1990 gab es mehr als 30 Einsätze in 14 afrikanischen Ländern: Benin, Kamerun, Elfenbeinküste, Kongo, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Madagaskar, Sierra Leone, Senegal, Südafrika und Togo.

Jährlich sind im Durchschnitt über 2.000 ehrenamtliche Mitarbeiter aus über 50 Nationen im Einsatz: Spezialisten wie Chirurgen, Zahnärzte, Krankenschwestern, Gesundheitspädagogen, Lehrer, Köche, Seeleute, Ingenieure und Agrarwissenschaftler.

Zum Hilfsprogramm zählen kostenlose Operationen, Weiterbildungs- und Schulungsprogramme sowie Agrar- und Infrastrukturprojekte.

Aktuell betreibt Mercy Ships das Hospitalschiff »Africa Mercy«, eine 1980 gebaute Eisenbahnfähre (ex »Dronning Ingrid«), die nach einem langen Umbau 2007 mit 474 Betten in Dienst gestellt worden war. Davor waren die vordem als »Victoria« fahrende »Anastasis« (1978-2007, 40 Betten), die ehemalige Fähre »Polarlys« als »Caribbean Mercy« (1994-2006) und die gespendete, ehemalige neufundländische Küstenfähre »Petite Forte« als »Island Mercy« von 1983 bis 2001, vor allem in Mittel- und Südamerika, später im Südpazifik, im Einsatz der Organisation.

HANSA ist Partner

Nach Ansicht des HANSA-Teams ist Mercy Ships das, was man als »gute Sache« bezeichnet – erst Recht in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen viele Gesundheitssysteme unter noch stärkerem Druck stehen. Daher unterstützen wir das Projekt außerordentlich gerne und sind seit kurzem offizieller Partner von der wohltätigen Organisation. Die HANSA will dabei helfen, Aufmerksamkeit in der maritimen Öffentlichkeit schaffen. Auf Wunsch helfen wir auch gern, einen Kontakt zu Mercy Ships aufzubauen.


Michael Meyer