Der Schiffbaukonzern Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) übernimmt den Standort der insolventen MV Werften in Wismar. Die Erleichterung ist groß, allerdings sei noch ein langer Weg zu gehen, hieß es heute seitens der Beteiligten.[ds_preview]

Was sich schon im März angedeutet hatte, wurde heute den Mitarbeitern von Insolvenzverwalter Christoph Morgen bestätigt. »Damit hat einer der traditionsreichsten Schiffbaustandorte in Deutschland wieder eine langfristige Perspektive«, heißt es in einer Mitteilung. Auch Mecklenburg-Vorpommerns  Wirtschaftsminister Reinhard Meyer, TKMS-Chef Oliver Burkhard und IG-Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich waren vor Ort.

Wismar, MV Werften
© MV Werften

Nach der Pleite des vorherigen Eigners Genting aus Asien und dem Stopp des Kreuzfahrtgeschäfts könnte TKMS im Laufe des Jahres 2024 U-Boote in Wismar fertigen, so der Insolvenzverwalter. Maßgeblich hierfür sei eine Beauftragung weiterer U-Boote durch den Bund und daraus folgende Investitionen in die Ertüchtigung der Werft. Die Dimension des Engagements von TKMS richtet sich nach dem Maß der Beauftragung: »Je mehr Aufträge, desto mehr Arbeitsplätze.« Bei einem Hochlauf der Produktion im Laufe des Jahres 2024 könnten rund 800 Mitarbeitende eingestellt werden. Bei zusätzlichem Auftragseingang im Überwasserbereich könnte sich diese Zahl auf über 1.500 Mitarbeitende am Standort Wismar erhöhen.

Burkhard sagte: »Wir kommen nach Wismar, um Marine Systems, aber auch dem Standort und den Menschen hier eine echte Perspektive zu geben. Schiffbau ist, woher wir kommen und Schiffbau ist, wohin wir gehen wollen. Und das gemeinsam mit der Belegschaft – und zwar mit so vielen, wie uns möglich ist! Wir sind überzeugt davon, dass wir gemeinsam erfolgreich sein können und dass diese Partnerschaft gut für alle ist.«

Wirtschaftsminister Meyer zeigte sich erleichtert, der Schiffbau lebe in Wismar weiter. »Die Beschäftigten haben in der Vergangenheit erfolgreich bewiesen, dass sie Schiffe bauen und komplexe Herausforderungen meistern können. Es besteht mit TKMS die Chance, möglichst viele Arbeitsplätze in der maritimen Industrie zu erhalten.«

In der Wismarer Bucht könnte ein weiteres Kapitel in der wechselvollen Geschichte des Schiffbaustandortes geschrieben werden. Die ehemalige Mathias-Thesen-Werft  gehörte bis 2008 zu Aker und firmierte danach als Wadan Yards (bis 2009) und bis zu ihrem Kauf durch Genting als Nordic Yards (bis 2016). Sie verfügt über ein überdachtes Baudock, dessen Halle 72 m hoch, 155 m breit und über 395 m lang ist.

Der nun unterzeichnete Vertrag markiert das Ende eines mehrmonatigen, offenen Investorenprozesses für die Wismarer Werft. Morgen sieht darin »das beste Ergebnis für die Insolvenzgläubiger«. Er freue sich sehr, dass der neue Eigner den Schiffbau in Mecklenburg-Vorpommern »dauerhaft erhält und gegebenenfalls sogar ausbaut«. Gleichzeitig machte er deutlich, dass die Strecke bis zum Neustart für die Mitarbeiter der Werft lang ist. »Deshalb werde ich weiterhin alles daransetzen, den Übergang zu gestalten und für möglichst viele Mitarbeitende Beschäftigung zu sichern.«

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Neben den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur ist auch eine Weiterqualifizierung der Mitarbeitenden notwendig. Deren Einstellung wird bei entsprechender Auftragslage vorrangig aus einer Transfergesellschaft stattfinden, die für die ehemaligen Beschäftigten der MV Werften eingerichtet wurde und die erst gestern verlängert wurde. Darüber hinaus gibt es eine Übereinkunft unter anderem über die Übernahme von Auszubildenden und den Aufbau von Mitbestimmungsstrukturen. Das haben thyssenkrupp Marine Systems und die Gewerkschaft IG Metall Küste vereinbart. Mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit, der Landesregierung und der Transfergesellschaft wollen IG Metall und TKMS ein Programm zur Qualifizierung entwickeln. Auch die Ausbildung werde gesichert. Die verbleibenden etwa 30 Auszubildenden und Dual Studierenden Wismar erhalten den Angaben zufolge zeitnah ein Angebot zur Fortsetzung ihrer Ausbildung order ihres Studiums in Wismar oder an einem anderen Standort von TKMS.

Mit der heutigen Übernahme ist ein nächster Schritt nach der Insolvenz der Gruppe MV Werften getan. Die Lloyd Werft in Bremerhaven ist bereits an die Unternehmen Rönner und Zech verkauft, auch in Stralsund gibt es mit Fosen und Ostseestaal  neue Perspektiven. In Rostock steht dem Vernehmen nach die Deutsche Marine vor dem Einstieg, ein Teil des Standorts in Wismar hat sich die Eppendorf-Gruppe gesichert.

»Mit Wismar setzen wir ein Zeichen: TKMS wächst und will die Zukunft dieser Industrie gestalten«, betonte CEO Burkhard. Es ist allerdings in gewisser Weise auch eine nächste Kehrtwende bei TKMS, nachdem der Schiffbau beim Essener Konzern in den vergangenen Jahren immer wieder in Frage gestellt und Teile des Kieler Werftgeländes an GNYK verkauft worden waren. Doch zuletzt waren alle Ausstiegspläne wieder gekippt und mit Oliver Burkhard ein neuer CEO installiert worden, der in einer Doppelfunktion auch Teil des Konzernvorstands bleibt. Gespräche über eine mögliche Fusion mit der Lürssen-Marinesparte (NVL) waren wohl ebenso ergebnislos versandet wie die Verhandlungen mit dem italienischen Werftenkonzern Fincantieri.