Jan-Philipp Rohr, Global Head of Shipping bei der Hamburg Commercial Bank, über die Lage im Shipping und Märkte, die für die HCOB besonders interessant sind.
Hohe Energiepreise, drohende Rezession, unterbrochene Lieferketten, politische Unsicherheit – die Rahmenbedingungen sind aktuell schwierig. Was heißt das für die Shipping-Industrie?
Jan-Philipp Rohr: Bislang haben sich die Krisen nicht negativ auf die Schifffahrtsmärkte ausgewirkt. Wir sehen gute Raten bei Tankern, bei den Bulkern und Containerschiffen sind die Raten zurückgegangen, die kamen dort allerdings auch von einem sehr hohen Niveau – der Containerbereich hat zuletzt zwei hervorragende Jahre erlebt.
Weshalb sind die Schifffahrtsmärkte nahezu unbeeindruckt von den allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen?
Jan-Philipp Rohr: Zum gibt es auf dem Markt ein sehr gesundes Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot bei den Kapazitäten. Dabei spielt es auch eine Rolle, dass die Schiffe derzeit etwas langsamer fahren, um teuren Treibstoff zu sparen. Dadurch sind weniger Schiffe und Container verfügbar. Da viele Länder ein Handelsembargo gegen Russland verhängt haben, werden nun auch andere Routen genutzt, die teilweise länger sind, das bindet weitere Kapazitäten. Und bei aller Unruhe dürfen wir ja nicht vergessen: Der Welthandel geht weiter.
In der Vergangenheit wurden in Boomphasen oft viele Schiffe bestellt – und so die nächste Krise vorbereitet. Droht dieser Effekt erneut?
Jan-Philipp Rohr: Ich glaube nicht. Ein Grund dafür ist, dass die Neubaupreise für Schiffe wegen der hohen Material- und Energiekosten derzeit hoch sind, dazu kommen die gestiegenen Zinsen. Momentan sehen wir nur in der Containerschifffahrt ein relativ großes Orderbuch. In den anderen Segmenten ist das nicht so, dort wird – so unsere Einschätzung – die Orderaktivität auch nicht deutlich ansteigen. Ich glaube, dass auch die ungeklärte Frage nach der richtigen zukünftigen Antriebstechnik bei der derzeitigen Zurückhaltung eine wichtige Rolle spielt. Niemand kann sagen, wie Schiffe in 20 Jahren angetrieben werden – diese Unsicherheit hemmt die Investitionen. Wird das Ammoniak, Wasserstoff, Methanol oder LNG sein? Oder etwas ganz anderes? Das weiß niemand. Bei der Frage müssen wir immer berücksichtigen, dass die Treibstoffe weltweit verfügbar sein müssen, Insellösungen machen im Shipping keinen Sinn. Dazu kommt, dass durch strengere regulatorische Vorschriften perspektivisch Schiffe aus dem Markt verschwinden.
Welche Geschäfte sind für die Bank im aktuellen Umfeld attraktiv?
Jan-Philipp Rohr: Wir halten den Secondhand-Markt nach wie vor für sehr interessant. Wir möchten dazu beitragen, dass die fahrende Flotte effizienter wird. Wir müssen immer bedenken, dass der Bau eines neues Schiffs viel Energie verbraucht und dadurch viel CO2 freigesetzt wird. Es ist deshalb sinnvoll, ein acht, zehn oder zwölf Jahre altes Schiff so umzurüsten, dass es effizienter und umweltschonender fährt.
Welche Märkte und Länder sind für die Hamburg Commercial Bank interessant?
Jan-Philipp Rohr: Wir fühlen uns weiterhin in den drei Hauptmärkten Container, Bulker und Tanker wohl. Das bleiben unsere Hauptbereiche. Gleichzeitig sehen wir beispielsweise bei den Car Carriern Potenzial. Bei den Ländern ist Griechenland wichtig für uns, wobei Europa insgesamt ein Kernmarkt für uns ist – in Nordamerika und Asien können wir uns vorstellen, künftig etwas mehr zu machen.