Merle Stilkenbäumer, Deutschland-Chefin beim liberianischen Schiffsregister LISCR sieht in der deutschen Flotte »Raum und Notwendigkeit« sowohl für eine nationale Flagge als auch für ein offenes Register wie von Liberia. Das Wort »Billigflagge« passe heute definitiv nicht mehr.
In der neuen Folge des HANSA PODCASTs spricht Stilkenbäumer exklusiv über die Arbeit, Pläne und Herausforderungen der Liberia-Flagge, die in der deutschen Flotte – in Bezug auf die Anzahl der Schiffe – aktuell Rang 2 belegt. »Wir sind immer darum bemüht, unseren Anteil zu vergrößern«, sagt Stilkenbäumer. Man sei auf dem Weg, das größte Schiffsregister zu werden – sowohl hierzulande als auch weltweit. Eine entscheidende Rolle spielen dabei unter anderem Neubau-Aufträge. Das oberste Ziel soll durch »nachhaltiges Wachstum« erreicht werden.
Die Liberia-Flagge hat zuletzt einige Expansionsschritte gemacht, etwa durch zusätzliche Schiffe oder einen Ausbau der Niederlassung in Leer. Die Stärkung regionaler Büros soll fortgesetzt werden. Mit der deutschen Flaggenstaatverwaltung gebe es einen guten Austausch. Die Managerin meint, es gibt »Raum und Notwendigkeit für eine nationale Flagge und für ein starkes offenes Register« – wobei letzteres besser zum internationalen Charakter der Schifffahrt passe.
Das Wachstum schafft aber auch neue Herausforderungen, unter anderem: »Wir müssen auf jeden Fall unser Ranking in den internationalen Hafenstaatskontrollen halten, wir müssen weiß gelistet bleiben.« Ein weiteres Beispiel sei der Algorithmus, mit prognostiziert wird, welche Schiffe Aufmerksamkeit benötigen. Er müsse ständig verbessert werden. In der Digitalisierung müsse »noch viel passieren«, sagt Stilkenbäumer und erläutert weitere Details.
Von der internationalen Politik und Regulierung auf IMO-Ebene fordert sie umsetzbare, konkrete Vorgaben. Das Beispiel des Kohlenstoff-Index CII zeige, dass es zahlreiche kleine Probleme gebe. Global einheitliche Standards seien nötig, »aber davon sind wir leider in einigen Bereichen sehr weit entfernt«. LISCR versucht, die Branche bei der Dekarbonisierung zu unterstützen. »Green Incentives oder Preisreduktionen auf unsere Gebühren sind ein Baustein. Ich glaube aber, wichtiger ist das große Bild«, sagt die Geschäftsführerin und geht näher darauf ein.
Auch die Corona-Pandemie beschäftigt die Flagge weiter im Tagesgeschäft, vor allem beim Schiffsbetrieb in Asien. Aktuell stehen nicht zuletzt die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine weit oben auf der Agenda, viele Reeder haben Bedarf an Beratung und Unterstützung, »das Bewusstsein für Compliance und Sanktionen hat deutlich zugenommen«.
Wichtig ist der Chefin von LISCR in Deutschland, dem in der breiten Öffentlichkeit immer mal wieder geäußerte Vorwurf »Billigflagge« (»das Wort passt nicht«) mit Argumenten entgegenzutreten. Im Podcast erläutert sie, wie sie das schaffen möchte.
Hören Sie hier die komplette Episode mit weiteren Einschätzungen und Informationen von Merle Stilkenbäumer. Die Geschäftsführerin von LISCR Deutschland spricht darin unter anderem über:
- Ziele und Pläne der Liberia-Flagge auf deutschem und internationalem Parkett
- ihre Einschätzung zur deutschen Flagge (»würde mir wünschen, dass sie stärker ist«)
- Herausforderungen und Hausaufgaben für LISCR
- den Wettbewerb zwischen Flaggen und Vorteile von offenen Schiffsregistern
- die deutsche Flotte und die Zusammenarbeit mit deutschen Reedern
- Digitalisierung in der Flaggenverwaltung
- Unterstützung für Reeder in Krisensituationen
- Diplomatische Erfolge Liberias und vermeintliche Vorteile von Flaggen aus hochentwickelten westlichen Ländern (»in praktischen Situationen bisher nicht erlebt«)
- die Kritik an vermeintlichen »Billigflaggen«
- nationale und internationale maritime Politik und einheitliche Standards
- Mängel an der IMO-Umweltregulierung und dem Kohlenstoff-Index CII
- Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeit eines Schiffsregisters
- Geopolitik, Sanktionen und Compliance-Bewusstsein in Reedereien
- Joint Industry Projects und vermeintliche Favoriten für den »Kraftstoff der Zukunft«