Nicht erst die Insolvenz von FSG-Nobiskrug zeigt: Um die Werften in Deutschland ist es schlecht bestellt.
Wie lässt sich die Zukunft der Branche sichern? Eine konkrete Möglichkeit liegt laut Christian Finnern, Head of Germany und Leiter des Transportsektors bei der Kanzlei Watson Farley & Williams, im Ausbau der Offshore-Windkraft.[ds_preview]
FSG-Nobiskrug steht vor dem Aus, Fosen in Stralsund ist seit Sommer insolvent, die Meyer Werft in Papenburg auf staatliche Hilfen angewiesen – und das sind nur die Nachrichten aus diesem Jahr. Nicht ohne Grund dürfte sich bei vielen Kennern der Branche Pessimismus eingestellt haben. Droht womöglich ein großes Werftensterben, oder stecken wir schon mittendrin?
Neuausrichtung der Werften
Fest steht: Um die Zukunft der Werften in Deutschland zu sichern, ist eine Neuausrichtung erforderlich; in einen neuen Markt mit unerschlossenem Potenzial. Eine solche Chance bietet das wachsende Segment der Offshore-Windkraft. Um die ehrgeizigen Ziele des Ausbaus zu verwirklichen, werden sowohl Schiffe als auch Plattformen gebraucht – und beides kann in deutschen Werften produziert werden.
„Bis 2030 soll die installierte Leistung von Offshore-Windenergie in Deutschland auf 30 GW steigen, bis 2045 auf mindestens 70 GW“, so Finnern in einer exklusiven Einschätzung gegenüber der HANSA. „Schätzungen zufolge könnten laufende und geplante Projekte bis zu 100 Construction Service Operation Vessels (CSOV) und Service Operation Vessels (SOV) benötigen; hinzu kommen bis zu 30 Konverterplattformen.“
Eröffnet sich mit Offshore-Windkraft ein neuer Markt?
Was für ein enormes Marktpotenzial sich dahinter verberge, verdeutlichen die Kosten von rund 2,5 Mrd. €, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für den Bau einer Konverterplattform veranschlagt. „In diesem Milliardenmarkt“, sagt Finnern, „könnten deutsche Werften, die sich in den letzten Jahren auf hochkomplexe Schiffe spezialisiert haben, eine wesentliche Rolle spielen.“
Ein Beispiel dafür liefert die Meyer Werft, die im Juli mit dem Bau von vier Offshore-Konverterplattformen begonnen hat. Peter Barth, Co-Geschäftsführer des Auftraggebers Amprion Offshore, betonte bereits, dass für den Ausbau der Windkraft in Europa „mindestens 150“ benötigt werden. „Und wenn die letzte fertig ist, schreit die erste nach Erneuerung.“ Damit tue sich ein neuer Markt für deutsche Werften auf – in einer Größenordnung, „dass keiner Angst haben muss, dass er etwas verliert“, fügte Dieter Janecek, maritimer Koordinator der Bundesregierung, hinzu.
Der Staat muss die Branche fördern
Um diesen Markt und die damit verbundenen Chancen zu nutzen, sei allerdings staatliche Hilfe nötig. Finnern sieht Förderprogramme wie das Sonderbürgschaftsprogramm für Konverterplattformen und die EU-Förderung „CEF Energy“ als gute Ansätze, fordert aber weitere gezielte Anreize für die Branche.
Der Rechtsexperte verweist zum Vergleich auf die Konkurrenz aus Asien und Skandinavien: „In beiden Regionen erfahren maritime Unternehmen erhebliche politische Unterstützung“, so Finnern. In Deutschland lasse diese Hilfe noch zu wünschen übrig – was auch bedeutet, dass das Potenzial noch nicht erkannt worden ist. Um deutsche Werften in einem globalen Markt wettbewerbsfähig halten und ihre technologische Expertise einsetzen zu können, seien gezielte Förderprogramme „unerlässlich“. Werften bräuchten langfristige Planungssicherheit, Auftragsvergaben für Großprojekte und gezielte Investitionen in moderne Fertigungskapazitäten.“
Offshore-Windparks zu kritischer Infrastruktur erklären
Einen weiteren Faktor sieht Finnern auch in der rechtlichen Regulierung von Offshore-Infrastrukturen. „Die Kombination aus Energie-, Infrastruktur- und Transportaspekten im Kontext nachhaltiger Investitionen im Sinne der EU-Taxonomie macht die Finanzierung entsprechender Entwicklungsprojekte für unterschiedliche Investorengruppen attraktiv – von Energieunternehmen bis zu Infrastrukturfonds“, erläutert der Rechtsexperte. Bei der Offshore-Windkraft handelt es sich demnach um einen im Wachstum begriffenen Markt, der das Potenzial habe, eine Vielzahl von Unternehmen langfristig mit Aufträgen zu versorgen.
Weiterhin müsse man die BSI-Kritisverordnung und das BSI-Gesetz bedenken. „Offshore-Windparks und die zugehörigen Energieinfrastrukturen könnten als kritische Infrastruktur eingestuft werden, was perspektivisch die Auswahl beteiligter Unternehmen im Gesamtkontext beeinflussen könnte“, so Finnern.
„Zukünftige Gesetzgebungsprozesse, etwa die mögliche Anpassung des deutschen Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG), könnten den Rahmen für Offshore-Projekte weiter konkretisieren. Gleichzeitig sind Entwicklungen im europäischen Beihilferecht zu beobachten, da Subventionen für Werften regelmäßig unter dem Aspekt des Wettbewerbsrechts geprüft werden. Die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu staatlichen Beihilfen im Energiesektor bieten hier Orientierung.“
Für deutsche Unternehmen sei der „Boom“ in der Offshore-Branche eine willkommene Gelegenheit, eine „Schlüsselrolle in der Energiewende“ einzunehmen. Finnern hat dabei nicht nur den deutschen Markt im Blick: Die Expertise, staatliche Förderung und nachhaltig investiertes Kapital werde auch international die Wettbewerbsfähigkeit der Werften stärken.