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Seit die maritime Branche vor mehr als zehn Jahren im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise schwer getroffen wurde, stimmten[ds_preview] und stimmen – echte oder vermeintliche – Experten immer wieder Abgesänge auf den Schifffahrtsstandort Deutschland an.

Einerseits ist an den Analysen bisweilen durchaus etwas dran: Die sogenannte »deutsche Flotte« ist geschrumpft, die deutsche Schiffsfinanzierung ist geschrumpft, entsprechend ist in gewisser Weise auch der Bedarf an anderen maritimen Dienstleistungen hierzulande zurück gegangen.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite zeigt, dass Deutschland zuletzt nicht mehr an Boden verloren hat. Ein Beispiel gefällig? Der Standort Hamburg hält seinen Rang 7 der weltweit wichtigsten maritimen Hubs seit 2018 stabil. So sieht es zumindest die Baltic Exchange in Zusammenarbeit mit der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua im jüngsten »Shipping Centre Development Index«. Hinter Rotterdam liegt man auf Platz zwei in Europa, noch vor Athen – dabei wird der griechischen Hauptstadt angesichts großer chinesischer Investitionen seit langem eine weitaus bessere Zukunft vorausgesagt. Führend sind nach wie vor Singapur, London, Shanghai, Hongkong, Dubai und Rotterdam.

Laut der Bundesregierung sind jedoch immer noch rund 400.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt abhängig von der maritimen Wirtschaft, dazu zählt nicht zuletzt die Schiffbau- und Zulieferindustrie. Noch immer über 315 Reedereien sind von der Ems bis an die Oder aktiv. Dabei geht es nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder um eine Wertschöpfung von mehr als 30Mrd. €.

Ein Pfund ist für die hiesige Branche nach wie vor die Diversität. Während andere Standorte nicht selten auf Teil-Segmente fokussiert sind, wird in Deutschland nach wie vor eine relativ breite Palette an Märkten bedient.

Vor der Krise wurde etwa enormes Knowhow in den Bereichen Beratung und Juristerei angesammelt. Technische und nautische Expertise war ohnehin seit Jahrzehnten vorhanden. Zwar haben einige deutsche Akteure die Krise nicht überstanden, oder nur dank Übernahme durch einen ausländischen Partner »überlebt«. Während und nach der Krise haben es aber auch Viele geschafft, den Schalter umzulegen. Selbst wenn es aus der Not heraus geschah, ist die Wandlungsfähigkeit der deutschen maritimen Wirtschaft nicht wegzudiskutieren. In den Segmenten Schiffsmanagement, Projekt- und technische Entwicklung sind neue Akteure entstanden, alte haben sich neu erfunden.

Immer wieder finden sich zudem neue Partnerschaften, nicht nur international, sondern auch national. Dabei ist der Beitrag wissenschaftlicher Einrichtungen nicht zu unterschätzen. Ein sehr großer Anteil entfällt auf das Geschäft der Dienstleistungen – all die Akteure, die nicht mit, sondern an der Schifffahrt verdienen. Das ist nicht abschätzig, sondern wertschätzend gemeint.

Für den Schifffahrtsstandort Deutschland lässt sich daher sagen: Die Mischung machts … wohl auch noch länger … zumindest länger als von so manchem Kritiker gedacht. Auf den folgenden Seiten geben einige der hiesigen Akteure Einblick in ihre ­Geschäfte, Strategien und Erwartungen.

PT-Shipmanagement GmbH

Zirkusweg 1 – 20359 Hamburg

www.pts-management.com

In welchen Schiffssegmenten sind Sie tätig?

Container, Tanker, Bulk, Offshore

In welchen weiteren Segmenten wollen Sie aktiv werden, wo sehen Sie Potenzial (und warum)?

Bunker-Bargen. Da sich demnächst entscheidet, welche Brennstoffe zur Einhaltung der CO2-Grenzen genutzt werden ist in diesem Segment damit zu rechnen das es nicht genug Kapazitäten gibt.

Warum eignet sich aus Ihrer Sicht Deutschland besonders gut für das Geschäft des Shipmanagements?

Die Zulieferindustrie ist sehr gut aufgestellt und Deutschland ist für Fachkräfte attraktiv, auch in Zeiten von Corona haben wir in Deutschland weniger Beschränkungen als andere Länder die im Shipmanagement eine Rolle spielen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Shipmanagements, auch mit Blick auf nötige und mögliche Innovationen und auf die Kostenstruktur?

Shipmanagement muss transparenter werden – damit wird auch die Kostenstruktur vergleichbar. Das Asset muss im Vordergrund stehen. In meiner Organisation war die Umsetzung von Home Office nicht spürbar, damit wurde mir bestätigt, dass eine ortsunabhängige Management Organisation durchaus funktionieren kann. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Kostenstruktur, ich konnte damit die Kosten für Miete um über 66% reduzieren. Weiterhin denke ich, dass die Schaffung einer Datenbank für PMS und andere wichtige Daten geschaffen werden muss. Niemand kauft ein Auto, das nicht checkheftgepflegt ist. Kauft man ein Schiff, bekommt man außer der Zusicherung, dass alles o.k. ist höchstens die Gesamtlaufstunden einiger Maschinen. Hier wird der eigentliche Grund der Einführung von PMS ad absurdum geführt.

In welcher Rolle und (Markt-)Position sehen Sie sich im Shipmanagement in den kommenden Jahren?

Es ist durchaus möglich, dass PT-S in naher Zukunft mit einem anderen Manager kooperiert oder von diesem gekauft wird. Ich sehe mich aber weiterhin in der Rolle, Innovation und Digitalisierung voranzutreiben. Daher habe ich auch die PT-Consulting gegründet um dies außerhalb des Shipmanagement-Setups anbieten zu können. Denn Digitalisierung ist nicht so sehr nur Technologie, es geht hier um den richtigen Umgang und besonders die Schulung des Users.Die vorhanden Mentalität in traditionellen Reedereien passt nicht zu den benötigten Fähigkeiten. Das gilt für alle Management-Ebenen an Land und auf See.

Erwarten Sie eine Konsolidierung in der Shipmanagement-Branche?

Ich denke, dass weiterhin konsolidiert wird, solange PE’s in größere Manager investieren wird dies weitergehen, Wachstum ist hier der wichtigste Faktor. Der Industrie tut das meiner Meinung nach nicht besonders gut, die meisten Merger die ich miterleben durfte standen danach wesentlich schlechter da als vorher und die wichtigste Ressource wird nachhaltig verbrannt im Kampf um Arbeitsplatz und Karriere.

DNV GL – Maritime

Brooktorkai 18 – 20457 Hamburg

www.dnvgl.com/maritime

In welchen Schiffssegmenten und regionalen Märkten sehen Sie das größte Potenzial für Neugeschäft?

Strengere regulative Auflagen sowie die immer älter werdende Flotte werden in absehbarer Zeit zu einer Wiederbelebung der Neubauaktivitäten führen. Das wird nahezu alle Segmente betreffen. Die Werften in Deutschland haben in den letzten Jahren eine positive Entwicklung mit der Ausrichtung auf Kreuzfahrt- und Passagierschiffe genommen. So bleibt zu hoffen, dass die Folgen der Corona-Pandemie im Kreuzfahrtsektor bald überwunden werden können und sich die positive Entwicklung hier in Deutschland fortgesetzt.

Wie sehen Sie die Zukunft der Klassifikation, auch mit Blick auf nötige und mögliche Innovationen und auf die Kostenstruktur?

In den letzten Jahren lag der Fokus auf der Digitalisierung. Innovationen wie die Einführung elektronischer Zertifikate, Smart Survey Booking und unser DATE-Beratungs-Tool sind hier nur der Anfang in einer sich rasant wandelnden Servicelandschaft. Und weitere Innovationen werden folgen, nicht zuletzt durch eine engere Vernetzung der Schiffe und mehr verfügbare und bessere Daten. Viele technischen Dienstleistungen können sich in vielen Bereichen noch wesentlich ändern. Kostenersparnisse bei den Dienstleistungen selbst ergeben sich dann durch eine effizientere Ausnutzung aller Ressourcen. Für unsere Kunden hat nach wie vor oberste Priorität, dass ihre Schiffe verfügbar sind, so dass schnellstmögliche Antwortzeiten zu Kosteneinsparungen führen.

DNV GL investiert in Forschung und Entwicklung, um seine führende Position gerade bei den digitalen Dienstleistungen zu festigen. Mit der Eröffnung eines weiteren Operativen Zentrums in unserem Headquarter in Hamburg stellen wir sicher, dass unsere deutschen Kunden eine umfassende und individuelle Betreuung erhalten. Auch in Hinblick auf schnellstmögliche Entscheidungen und damit verbundene Kostensenkungen.

Was wird aus Ihrer Sicht der nächste große »Game Changer« für Ihr Geschäft?

Das ist definitiv die Dekarbonisierung der Schifffahrt und der damit verbundene zwingende Handlungsbedarf, denn Regulierungen und Anreize werden sich bereits ab 2023 auswirken. Ein massiver Ausbau in neue Technologien und Brennstoffe ist erforderlich. Auch wenn neue Motortechnologien, Brennstoffzellen, Brennstoffsysteme und alternative Brennstoffe schon existieren, sind diese aber noch nicht reif für eine flächendeckende Umsetzung. Deren Technik, Sicherheitsanforderungen, Kosten für erforderliche Maschinen und Treibstofflagersysteme auf Schiffen, Treibstoffpreise, Treibstoffverfügbarkeiten sowie die globale Bunkerinfrastruktur sind noch nicht ausgereift.

Wie wollen/werden Sie darauf reagieren?

Welche Botschaft haben Sie an deutsche Reeder und die deutsche maritime Industrie?

Es ist jetzt Zeit zu handeln. Die Schifffahrt muss sich in diesem Jahrzehnt auf einen Weg in Richtung Dekarbonisierung begeben. Die Vorbereitungen sollten jetzt beginnen, denn vieles in der vor uns liegenden Transformation ist noch unbekannt, da die EU und die Gesellschaft auf eine Erhöhung der Klimaziele drängt. Die ursprüngliche GHG-Strategy der IMO wird 2023 überarbeitet, was zu strengeren Zielen führen könnte. Alle Stakeholder in der Deutschen maritimen Industrie wie in der Politik sollten hier an einem Strang ziehen und schnellstmöglich bei Forschung und Entwicklung alternativer Brennstoffe mitwirken. Für die anstehenden Projekte sollten umfassende Fördermöglichkeiten geschaffen und auch ausgenutzt werden.

Ehlermann Rindfleisch Gadow

Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Ballindamm 26 – 20095 Hamburg

www.erg-legal.com

In welchen maritimen Themenbereichen sehen Sie für sich als Kanzlei das größte kommerzielle Potenzial?

Für Ehlermann Rindfleisch Gadow liegt das größte kommerzielle Potenzial wie gehabt im Bereich der Schiffsfinanzierungen und ihren Restrukturierungen. Komplexe Neubauprojekte sowie maritime M&A-Mandate gewinnen daneben an kommerzieller Bedeutung für unsere Kanzlei. Auch befassen wir uns für Mandanten vermehrt mit Auseinandersetzungen im maritimen Bereich vor Schiedsgerichten und ordentlichen Gerichten im In- und Ausland.

Die Digitalisierung in der Schifffahrt schreitet unaufhörlich – nicht zuletzt aufgrund der Coronakrise – voran. Wie bewerten Sie die Entwicklung bzw. welchen Einfluss hat das auf Sie?

Schon heute nutzen wir Programme, um kurze, einfache Standardverträge digital entwerfen zu lassen. Von daher findet die Digitalisierung nicht nur in der Schifffahrt, sondern auch in der Anwaltschaft statt. Die Digitalisierung in der Rechtsberatung weiter voranzutreiben, ist eine der großen Herausforderungen für die Rechtsberatung.

Was wird aus juristischer Perspektive der nächste große »Game Changer« für Schifffahrt, Schiffbau, Häfen oder maritime Finanzierung?

Der Druck auf die Schifffahrt, Güter noch umweltverträglicher über See zu transportieren, wird unaufhörlich zunehmen. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen spielt hierbei die zentrale Rolle. Eher früher als später wird es einen gesetzlichen Rahmen geben, dessen Umsetzung Auswirkungen auf die Schifffahrt insgesamt, den Schiffbau, die Häfen und auch die maritime Finanzierung haben wird.

Welche Bedeutung hat aus juristischer Perspektive der Standort eines maritimen Unternehmens bzw. die Existenz eines maritimen Clusters?

Je ausgefallener und einzigartiger das Geschäftsmodell eines Schifffahrtsunternehmens ist, desto weniger ist das Unternehmen auf Standort und Cluster angewiesen. Schifffahrtsunternehmen mit Geschäftsmodellen, die denjenigen ihrer Wettbewerber stark ähneln, können von dem richtigen Standort und einem Cluster, in das sie eingebunden sind, durch Austausch mit Wettbewerbern und Partnern stark profitieren. Die Eigendynamik, die ein maritimes Cluster entwickelt, kann kaum überschätzt werden.

Welche Botschaft haben Sie an die deutsche ­maritime Wirtschaft?

Der Schifffahrtsstandort Deutschland bietet gegenüber vielen anderen Standorten weltweit unschätzbare Vorteile: Rechtssicherheit, politische Stabilität, ein wettbewerbsfähiges Steuersystem, das großes Spektrum an maritimen Dienstleistungen und nicht zuletzt die jahrhundertelange Tradition sowie die hieraus erwachsene Erfahrung. All dies gilt es zu bewahren und weiter zu entwickeln.

Clyde & Co

ABC Business Center