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Eine Herausforderung auch im Interesse der gesamten maritimen Wirtschaft

1. Einführung

Qualifiziertes Personal ist Grundlage für den Erfolg eines jeden Unternehmens. Dieser Weisheit folgend gehört die Personalbeschaffung[ds_preview] zu den wichtigsten Aufgaben des Personalmanagements. Im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen dabei zumeist Personalwerbeaktivitäten von Privatunternehmen, im maritimen Bereich speziell der Reedereien. Aber auch die maritime öffentliche Verwaltung hat starken Personalbedarf, insbesondere an Nautikern und Technikern. 

2. Einsatzgebiete von Führungskräften aus der Seeschifffahrt in der maritimen öffentlichen Verwaltung 

Die maritime öffentliche Verwaltung in Deutschland bietet Nautikern und Technikern eine Vielzahl unterschiedlicher Einsatzgebiete. Nautiker und Techniker werden dabei sowohl an Bord von Behördenschiffen als auch in den Dienststellen an Land eingesetzt. 

2.1 Tätigkeiten an Bord von Behördenschiffen

Die Wasserschutzpolizeien der fünf Küsten-Bundesländer betreiben in den See- und Küstengewässern weit über 50 Küsten-, Streifen- und Streckenboote, die in den Führungspositionen mit Nautikern und Technikern besetzt werden. Allein bei der Wasserschutzpolizei Hamburg haben von insgesamt 550 Beamten rund 170 Beamte eine nautische oder technische Ausbildung in der Seeschifffahrt durchlaufen, wobei der Schwerpunkt bei den Technikern liegt. Der Bund betreibt im Koordinierungsverbund Küstenwache mit zehn Zollbooten, sechs Polizeischiffen der Bundespolizei, vier Mehrzweckschiffen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sowie drei Fischereischutzbooten eine beachtliche Flotte seegängiger Schiffe. Diese Schiffe werden mit insgesamt rund 500 Mann Besatzung gefahren, wobei der Anteil von Nautikern und Technikern nicht bekannt ist.

2.2 Tätigkeiten an Land

Der größte Arbeitgeber im Bereich der maritimen öffentlichen Verwaltung an Land ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Nautiker sind dort in verschiedenen Bereichen eingesetzt: in den sechs Verkehrszentralen an der Küste, bei den Wasser- und Schifffahrtsämtern sowie den übergeordneten Direktionen, bei den Seeämtern und im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Bei der See-Berufsgenossenschaft sind zurzeit 35 Nautiker und 12 Techniker in den verschiedenen Referaten der Schiffssicherheitsabteilung sowie als Technische Aufsichtsbeamte und Besichtiger bei Flaggenstaat- und Hafenstaatkontrollen in den Seehäfen tätig.

Im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg sind Nautiker und Techniker im Bereich der Schifffahrt (Seeleutebefähigung, Baumuster- und Planprüfung von Funk- und Navigationssystemen), der nautischen Hydrographie (Seekarten, nautische Publikationen) sowie der Meereskunde eingesetzt.

Nautiker und Techniker sind darüber hinaus in den Einsatzzentralen der Behördenschiffe (Bundespolizei See, Zoll, Wasserschutzpolizeien u. a.), in maritimen Ausbildungsstätten (Seefahrtschulen), in Hafenverwaltungen, z. B. der Hamburg Port Authority, sowie vereinzelt bei der Zentralen Heuerstelle Hamburg und Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt tätig.

Es liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Nautiker und Techniker insgesamt in der maritimen öffentlichen Verwaltung eingesetzt sind.

3. Anforderungen an Führungskräfte aus der Seeschifffahrt in der maritimen öffentlichen Verwaltung 

So facettenreich die Aufgabengebiete maritimer Behörden sind, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen an Führungskräfte aus der Seeschifffahrt. Die grundlegenden Einstellungsvoraussetzungen für den öffentlichen Dienst gelten dagegen unterschiedslos für alle Behörden.

3.1 Einstellungsvoraussetzungen im öffentlichen Dienst

Stellenausschreibungen maritimer öffentlicher Arbeitgeber sehen in den meisten Fällen ein nautisches oder technisches Patent einschließlich einer praktischen Seefahrtzeit als Grundbedingung für eine Anstellung vor. Teilweise wird der Abschluss eines zusätzlichen fachbezogenen Fachhochschulstudiums gefordert. Übliche Voraussetzungen sind ferner gute englische Sprach- sowie EDV-Kenntnisse. Für die Einstellung oder spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis muss der Bewerber darüber hinaus über die deutsche Staatsangehörigkeit oder die eines EU-Mitgliedsstaates verfügen. In der Regel erfüllen Nautiker und Techniker diese Einstellungsvoraussetzungen.

3.2 Problem und Lösungsansätze: 

Einstellung von Nautikern und Technikern nur in den gehobenen Dienst

Problematisch ist, dass Nautiker und Techniker als Einstieg in den öffentlichen Dienst in der Regel nur in den gehobenen und nicht sofort in den höheren Dienst eingestellt werden können. Neben dem Status­unterschied zwischen gehobenem und höherem Dienst sind es vor allem die im Vergleich zur maritimen Privatwirtschaft unzureichenden Gehaltsbedingungen, die einen Einstieg von Nautikern und Technikern in die öffentliche Verwaltung auf den ersten Blick unattraktiv erscheinen lassen. Das Gehaltsgefälle zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft relativiert sich zwar mit zunehmender Dauer der Beschäftigung, aber wer mag es einem jungen Nautiker oder Techniker verdenken, wenn er nicht im öffentlichen Dienst tätig werden will, weil er zuvor an Bord das Doppelte verdient hat? 

In den Personalverwaltungen der maritimen öffentlichen Arbeitgeber wird das starre Dienstrecht als Hauptgrund für die schwierige Nachwuchsgewinnung genannt. Für die Nachwuchsgewinnung sollte daher sowohl eine Änderung des Dienstrechts als auch die Entwicklung zusätzlicher Qualifikationsmöglichkeiten für Nautiker und Techniker angestrebt werden. Das öffentliche Dienstrecht sollte zukünftig den einfacheren Direkteinstieg von Nautikern und Technikern in den höheren Dienst ermöglichen. Auch die Zahlung von Zulagen sollte angedacht werden. Ein weiterer Lösungsansatz könnte die einfachere Zusatzqualifizierung von Nautikern und Technikern sein. Der Fachbereich Seefahrt in Elsfleth bietet seit diesem Wintersemester einen Studiengang »Maritime Management« an, der auf dem Bachelor-Abschluss aufbauend einen Master-Abschluss nach drei Semestern ermöglicht. Der Studiengang richtet sich mit seinem Profil »Maritime Planung und Verwaltung« speziell an Nautiker, die zukünftig als Führungskräfte in der maritimen öffentlichen Verwaltung tätig sein wollen. Der Master-Abschluss ermöglicht einen späteren Direkteinstieg in den höheren Dienst. Solche und ähnliche Angebote stellen – gerade wenn sie zukünftig auch als berufsbegleitende Fernstudiengänge angeboten werden – ein nachahmenswertes Qualifizierungsangebot dar. 

3.3 Zukünftige Anforderungen an Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung 

Die Anforderungen an Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung ändern sich mit den neuen Herausforderungen an den öffentlichen Dienst, die sich unter anderem durch die zunehmende Globalisierung, den fortschreitenden europäischen Integrationsprozess und eine immer älter werdende Gesellschaft ergeben. Eine stärkere Kunden- und Leistungsorientierung bedingt ein neues Selbstverständnis der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Die stärkere Koordinierung von Netzwerken wie beispielsweise Public Private Partnership-Projekte oder die zunehmende Auslagerung öffentlicher Dienste auf Private erfordert darüber hinaus verstärkt »Generalisten mit ausgeprägter Managementkompetenz«.

Auch im Bereich der maritimen öffentlichen Verwaltung werden solche Managementfähigkeiten zukünftig verstärkt erforderlich werden. Der fortschreitende Wettbewerb unter den Flaggenstaaten wird qualitativ neue Anforderungen an Führungskräfte mit sich bringen: Zum einem nach außen hin eine konsequente Ausrichtung als Dienstleister für Bürger und Unternehmen, zum anderen nach innen eine neue Führungskultur gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Forderungen nach Bürokratieabbau zugunsten der deutschen Schifffahrt sowie Vereinheitlichung der bisher zersplitterten deutschen Schifffahrtsverwaltung werden neue Herausforderungen für Führungskräfte in der maritimen öffentlichen Verwaltung mit sich bringen.

4. Herausforderungen bei der Personalbeschaffung für die öffentliche Verwaltung

4.1 Ist-Zustand: »Überalterung« der öffentlichen Verwaltung

Der öffentliche Dienst ist »überaltert«: Der Anteil der 55-Jährigen und Älteren am gesamten Personal ist im öffentlichen Dienst fast doppelt so hoch wie in der Privatwirtschaft. Das Durchschnittsalter im öffentlichen Dienst ist in den letzten zehn Jahren von 41,8 auf 44 Jahre gestiegen. Ein Drittel der Mitarbeiter ist älter als 50 Jahre und wird in naher Zukunft in den Ruhestand gehen.

Diese »Überalterung« spiegelt sich auch in der maritimen öffentlichen Verwaltung wider. Beispielsweise sind bei der See-Berufsgenossenschaft fast zwei Drittel der Nautiker älter als 45 Jahre. Bei der Wasserschutzpolizei Schleswig-Holstein befinden sich zwei Drittel der Beamten in der Altersgruppe der 40- bis 50-Jährigen.

Die Gründe für den hohen Altersdurchschnitt in der öffentlichen Verwaltung sind vielfältig: Neben dem starken Personalabbau in den letzten Jahren, den verstärkten Privatisierungen, der Reduktion von Frühverrentungsmöglichkeiten und die Einschränkungen der Voraussetzungen für Dienstunfähigkeit spielt auch die faktische Unkündbarkeit von Beamten eine Rolle. 

Im maritimen Bereich wird die Situation noch dadurch verschärft, dass die öffentliche Verwaltung auf die Ausbildung in den Reedereien angewiesen ist, die bis vor einigen Jahren von vielen Unternehmen vernachlässigt wurde. 

In jüngster Zeit allerdings verzeichnet die öffentliche Verwaltung einen vermehrten Zulauf von Fachkräften aus der Privatwirtschaft: Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise erkennen auch Nautiker und Techniker den Wert eines langfristig krisensicheren Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst.

4.2 Zukunft: Mehr Bedarf, weniger Angebot an Fachkräften  

Bedingt durch die dargestellte Altersstruktur in der öffentlichen Verwaltung werden in den nächsten Jahren viele Mitarbeiter ausscheiden, die durch jüngere Mitarbeiter ersetzt werden müssen. Der hierdurch ausgelösten verstärkten Nachfrage wird zukünftig wegen der demographischen Entwicklung in Deutschland ein deutlich geringeres Angebot an jüngeren Fachkräften entgegenstehen. In der maritimen Wirtschaft ist dieser Trend bereits seit längerem deutlich sichtbar: Der verstärkten Nachfrage nach Nautikern und Technikern stehen deutlich zu wenig junge Nachwuchskräfte gegenüber.

Aber auch qualitativ wird die Nachfrage nach Fachkräften steigen. Bereits jetzt haben 37 % der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung einen hochqualifizierten Abschluss – von allen Wirtschaftszweigen wird dieser hohe Anteil von Hochqualifizierten nur noch durch den Dienstleistungsbereich übertroffen. Der prozentuale Anteil an Mitarbeitern im höheren und gehobenen Dienst am Gesamtpersonal der öffentlichen Verwaltung ist in den letzten Jahren gestiegen – und wird weiter steigen. Der öffentliche Dienst rekrutiert 80 % seiner Mitarbeiter in den Bereichen Ingenieurs-, Wirtschafts-, Sozial-, Erziehungs- und Rechtswissenschaften. Genau in diesen Bereichen wird die Nachfrage durch die Privatwirtschaft ebenso überdurchschnittlich wachsen. Der Wettbewerb zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft um »die klügsten Köpfe« wird sich daher zukünftig noch verschärfen.

4.3 Lösungsansätze: Professionelles Personalmanagement

Die sich verändernden Anforderungen an die öffentliche Verwaltung und die demographische Entwicklung machen ein strategisches, systematisches Personalmanagement notwendig. Exemplarisch seien folgende Maßnahmen für modernes Personalmanagement genannt:

1. Das strategische Personalmanagement muss in jeder Behörde auf der obersten Führungsebene positioniert sein. Die bisherige Aufgabenwahrnehmung durch Zentralabteilungen, die neben dem IT-Management, Justiziariat, Haushaltswesen »nebenbei« auch für Personalfragen zuständig sind, reicht nicht aus.

2. Das öffentliche Dienstrecht muss weiter umstrukturiert werden. Der Personalwechsel von der Privatwirtschaft in die öffentliche Verwaltung muss weiter vereinfacht werden, in dem die Vergütung nach Erfahrungsstufen durch eine noch deutlich stärker leistungsorientierte Vergütung ersetzt wird. Durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz und den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TvöD) sind zwar Möglichkeiten zur leistungsorientierteren Vergütung eingeführt worden, diese Ansätze sind aber noch nicht ausreichend und müssen weiter ausgebaut werden. Die bisher vorgenommene Berücksichtigung von Alter, Familienstand und Kinderzahl bei der Vergütung ist mit leistungsorientierter Bezahlung nicht vereinbar. 

3. Zielvereinbarungen und Leistungsbeurteilungen müssen Standards in der öffentlichen Verwaltung werden. Dies fördert nicht nur die Motivation der Mitarbeiter, sondern verlangt auch eine stärkere (wünschenswerte) Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Eine nur freiwillige Teilnahme von älteren Mitarbeitern an den Regelbeurteilungen, wie sie noch häufig im öffentlichen Dienst zu finden ist, setzt ein falsches Signal und impliziert fälschlicherweise, dass sich ältere Beschäftigte nicht mehr beruflich entwickeln oder verändern würden.

4. Die üblichen Beförderungsautomatismen schränken eine flexible Personalentwicklung ein. Stattdessen sind z. B. durch Führungskräfte-Nachwuchsprogramme größere Anreize für lebenslanges Lernen zu schaffen. Die Aus- und Weiterbildung muss sich verstärkt sozialen Kompetenzen, Führungsqualitäten und Arbeitsmethoden widmen.

Die Umsetzung dieser Ideen wird die Attraktivität des Arbeitgebers Öffentliche Verwaltung nach innen und außen steigern. Viele Verwaltungen setzen bereits jetzt innovative Maßnahmen zur Personalbeschaffung ein. Gerade beim Personalmanagement älterer Mitarbeiter kann der öffentliche Dienst sogar eine Vorreiterrolle einnehmen, da die Privatwirtschaft erst allmählich Erfahrungen mit älteren Belegschaften sammelt.

5. Ausblick

Die öffentliche Verwaltung hat gegen­über der Privatwirtschaft im Bereich der Personalbeschaffung Nachhol- und Modernisierungsbedarf. Gerade deswegen sollten die Vorteile des öffentlichen Dienstes zukünftig stärker herausgestellt werden: Bei den Kriterien »Sicherheit des Arbeitsplatzes« und »Work-Life-Balance« können öffentliche Arbeitgeber bei jungen Führungskräften punkten. Bei der Personalrekrutierung sowie der eigenen Aus- und Fortbildung sollten maritime Behörden zukünftig vernetzter zusammenarbeiten. 

Die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist kein Selbstzweck: Gerade die Privatwirtschaft profitiert von einer kunden- und serviceorientierten Verwaltung. Ein guter öffentlicher Dienst ist ein positiver Faktor für den Schifffahrtsstandort Deutschland. Reedereien sollten daher den Wechsel von Nautikern und Technikern, die in den Unternehmen ausgebildet wurden, in die öffentliche maritime Verwaltung nicht nur als Verlust bewerten. Schließlich ist es auch ein Ziel des »Maritimen Bündnisses für Ausbildung und Beschäftigung« und den damit verbundenen öffentlichen Ausbildungszuschüssen, für den gesamten maritimen Markt in Deutschland auszubilden und qualifizierten Seefahrtnachwuchs zu sichern. n


Ass. iur. Christian Bubenzer