Print Friendly, PDF & Email

Dr.-Ing. Jörg Mutschler, Geschäftsführer des VDMA – Arbeitsgemeinschaft Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie zum Jahreswechsel

Nach einer grundsätzlich noch guten Auslastung in der Produktion im Jahr 2009 blickt die Branche der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie[ds_preview] kritisch auf das Jahr 2010. Der sehr starke Auftragseingangseinbruch führte zum Teil in den Unternehmen zu negativen Auftragseingängen, da nicht nur die Neuaufträge ausblieben, sondern zusätzlich durch Stornierung auch noch bestehende Auftragsbestände gekürzt wurden. Im Laufe des Jahres ist deshalb mit einer gedrosselten Produktion und damit mit Überkapazitäten zu rechnen. Bereits in den Boomjahren 2007 und 2008 wurde der starke Rückgang im Schiffbaumarkt von vielen Fachleuten vorhergesagt. Aber noch im Jahr 2008 erwirtschaftete die deutsche Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie mit rund 72.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 12,9 Mrd. €. Im Herbst 2008 traf dann die Überhitzung des Marktes mit der »Lehmann-Pleite« zusammen und führte zu einer bisher nicht da gewesenen Krise in der Schifffahrt insgesamt. Die Situation im Offshore-Öl- und Gas-Bereich sowie im Bereich der erneuerbaren Energien wurde dabei »nur« von der Finanz- und Wirtschaftskrise beeinflusst.

Wege aus der Krise – kurzfristige Maßnahmen

In den Unternehmen der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie geht es zunächst darum die Krise zu überstehen, um dann in den nächsten Aufschwung gestärkt hineinzuwachsen. Dazu gilt es, vor allem die Finanzierung im Unternehmen sicherzustellen. Mit der Hausbank geht es um die Sicherung der Liquidität des Unternehmens, um die Verbesserung der Avallinien und Akkreditive, aber auch um die Finanzplanung und das Forderungsmanagement. Weiterhin gilt es den Umsatz zu sichern, die Kosten zu senken und die neu aufgelegten öffentlichen Förderprogramme und Bürgschaften von Bund und Land optimal zu nutzen.

Mittel- und langfristige Wege aus der Krise

Der massive Auftragseinbruch in der Branche der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie hat vielleicht gerade den Bodensatz erreicht. Es geht in den Unternehmen nun darum, strategische Ziele durch geeignete Trendbetrachtungen zu erkennen und umzusetzen. Der VDMA entwickelt mit seinen Mitgliedern derzeit ein Format, bei dem gemeinsam Szenarien für die Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie über die nächsten zehn Jahre diskutiert und abgeschätzt wird.

Der Exportanteil der Branche beträgt 75 %. 25 % der Produktion wird aber im deutschen Schiffbau projektiert und verbaut, ein wichtiger Absatzmarkt, der durch die gute und gewachsene Kooperation zwischen deutschen Werften und den deutschen Zulieferbetrieben, auch in den jetzigen schwierigen Zeiten, ermöglicht wird. Der Wettbewerbsvorteil im internationalen Geschäft entsteht durch die kontinuierliche Produktverbesserung und neue Serviceideen in den überwiegend mittelständischen Betrieben der Branche. Die sehr erfolgreichen Messen in Asien 2009, die Kormarine und die Marintec China, haben gezeigt: Deutschland ist die Zulieferindustrie Nummer 1 für Schiffstechnik in der Welt und versucht, den Vorsprung weiter auszubauen.

Die in der »guten Zeit« vernachlässigten F+E-Anstrengungen werden in den Betrieben der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie derzeit verstärkt nachgeholt. Die dazu notwendigen Mittel stehen insbesondere in den Betrieben zur Verfügung, die in den vergangenen Jahren ihren Eigenkapitalanteil verbessert haben und nun neue Produkte und Verfahren entwickeln können, um gestärkt in den Wettbewerb zu gehen.

Auf lange Sicht gibt es für die Schiffbau-Zulieferindustrie keinen Anlass, den Kopf in den Sand zu stecken. Immer noch werden über 90 % aller Handelsgüter auf dem Seeweg transportiert und die wachsende Weltbevölkerung wird dafür sorgen, dass das Volumen der Handelsschifffahrt wächst. So wird die Wirtschaft wieder nachhaltig in Gang kommen, wird die Nachfrage nach Seetransportleistung steigen, d. h. die Nachfrage nach deutschen Hightech-Produkten, insbesondere im Bereich der Sicherheits- und Umwelttechnik, wird zunehmen. Dies gilt sowohl für die Entwicklung des sauberen und energieeffizienten Schiffes wie auch für die umweltschonende Rohstoffgewinnung in großen Wassertiefen. Die koordinierte Zusammenarbeit von Zulieferbetrieben, die z. B. gemeinsam die neuen Umweltziele technisch umsetzen werden, haben einen Wettbewerbsvorteil gegenüber großen Konzernen, da sie flexibler und schneller auf die Marktanforderung reagieren können. Zunehmend wird das Thema Life Cycle Costs von den Schiffsbestellern im Vergleich zum Einstandspreis in den Vordergrund gestellt werden. Gerade die Reeder, die ihr Schiff langfristig nutzen, werden komplexere Kalkulationsgrundlagen und Lösungsansätze erwarten – wieder ein Vorteil für die deutsche Hightech-Zulieferindustrie.

Neue Märkte entdecken

Die in den vergangenen Jahren produktionsgetriebenen Unternehmen der Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie sind nun verstärkt auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Dazu wurden gerade im Jahr 2009 vom VDMA zwei informative und gewinnbringende Delegationsreisen nach Brasilien und Indien durchgeführt. In Brasilien besuchte die Delegation die Städte Macaé und Rio und es bot sich dort ein hervorragender Eindruck in den Wachstumsmarkt des Bereichs Schiffbau wie auch in die Offshore-Industrie. Brasilien steht in der aktuellen Krise sehr stabil im internationalen Vergleich da, was zu einem hohen Interesse der Zulieferindustrie an einer verstärkten Marktpräsenz führt.

Die deutsche Delegation in Indien besuchte vor allen Dingen Werften in Mumbai und Kolkata. Zahlreiche Geschäftskontakte wurden aufgebaut und den Teilneh-

mern bot sich ein guter Eindruck in die aktuelle Situation der teils noch sehr rückständigen, teils sich schnell entwickelnden Schiffbauindustrie Indiens.

Betätigkeitsfeld Retrofitting

Um die schwache Neubau-Nachfrage zu kompensieren, rückt der Umbaumarkt jetzt in den Vordergrund. Es bieten sich neue Potenziale, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Werftindustrie. Beispiele sind die Ballastwasserbehandlung und Emissionsreduzierung. Durch Nachrüstsätze für bestehende Serienschiffe können in Kooperation zwischen Zulieferer und Umbauwerften interessante Pakete für die Eigner angeboten werden.

ProOriginal kontra Plagiate

Für die deutsche Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie als Technologieführer besteht immer die Gefahr, dass eigene innovative Ideen und Entwicklungen von anderen kopiert werden. Da Kopien natürlich nicht gleichwertig sind, besteht durch das fehlende Background-Know-how des Kopisten mindestens die Gefahr der Unwirksamkeit zugesicherter Eigenschaften. An dieser Stelle setzt die VDMA-Kampagne »ProOriginal« an. Sie wurde ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für den Wert von Originaltechnologie auf internationalen Märkten zu stärken. Die Kampagne hat eine positive Ausrichtung und zeigt gerade auf internationalen Messen die Vorteile des Einsatzes von Originaltechnologie aus der deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie.

Ausblick 2010

Die F+E-Anstrengungen in den Betrieben, die Vertriebsbemühungen in den Auslandsmärkten und in neu entdeckten Nischen werden auch im schwierigen Jahr 2010 für einen internationalen Wettbewerbsvorsprung der Branche sorgen. Die kurzfristigen Bemühungen kreisen um die intelligente Überbrückung der momentanen Durststrecke. Dabei zeigt die Personalentwicklung, dass die Unternehmer ein zähes Vertrauen in die Zukunft haben und möglichst lange ihre hochqualifizierte Belegschaft beisammen halten. Sorge bereitet aber, dass die Banken mit Vorlage der Jahresbilanz 2009 den Kredithahn teilweise stärker zudrehen werden. Wir hoffen auf eine Auftragsbelebung, dann könnten sowohl die befristete Kreditklemme als auch ein größerer Personalabbau ausbleiben. Große Erwartungen dazu sind an die SMM 2010 geknüpft. Die Branche kündigt viele neue Produktideen an und somit ist auch zu begründen, dass der VDMA trotz der schwierigen Situation wieder für Nachwuchs werben wird, um auch in den nächsten Jahren die Nummer 1 der Schiffbau-Zulieferindustrie zu sein.