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Vor dem Hintergrund eines schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes präsentierten sich die Unternehmen der Antriebsbranche in Rotterdam mit gewohnt großzügigen Ständen. Nur wenige waren weggeblieben. Das fiel jedoch nicht weiter auf, da die Ausstellung unverändert überwiegend von den Niederlassungen aus den Niederlanden und Belgien beschickt wird, und so begegnete man zum Beispiel den Motoren einzelner Hersteller gleich auf mehreren Ständen. Ein mit dieser Form der Messebeteiligung einhergehender Nachteil sollte nicht verschwiegen werden: Die Stammhäuser selbst marktbeherrschender Unternehmen sind teilweise nicht über das Messegeschehen informiert und legen auch keinen Wert darauf, sich zum Messeauftritt zu äußern. Dennoch gibt es einige interessante Details zu berichten.

MTU Friedrichshafen

Der Achtzylindermotor der Langhubversion der Baureihe 4000, der sogenannten Iron Men Baureihe, stand zwar schon einige[ds_preview] Zeit im Programm der MTU Friedrichshafen, war aber noch nicht lieferbar. Auf der Europort wurde dieser Motor vorgestellt und damit die Lücke im Programm der Arbeitsschiffsmotoren geschlossen. Mit der Langhubversion der Baureihe 4000 stellt die MTU V-Motoren bereit, die speziell auf die Belange der Binnenschiffahrt abgestimmt sind. Nun verfügbar mit acht, 12 und 16 Zylindern, decken sie einen Leistungsbereich von 746 bis 2240 kW bei Drehzahlen zwischen 1.600 und 1.800 min-1 und sind alle nach ZKR Stufe 2 zertifiziert. Mit der Entwicklung dieser Baureihe war eine Anhebung der Zeit zwischen zwei Grundüberholungen je nach Lastprofil auf bis zu 34000 Stunden verbunden. Der spezifische Kraftstoffverbrauch im Bestpunkt konnte auf 195 g/kWh gesenkt werden.

Siemens – Bruinhof

In den Niederlanden ist Bruinhof Marine seit mehr als 50 Jahren ein Begriff für Antriebstechnik in der Schiffahrt. Das Unternehmen liefert Hauptantriebsanlagen, Stromerzeugungsaggregate sowie Pumpen- und Schneidkopfantriebe für Bagger und natürlich auch Komponenten für diese Anwendungsbereiche. Im Februar dieses Jahres ist Bruinhof von Siemens Nederland BV übernommen und damit in den Siemens-Konzern eingegliedert worden. Vorausgegangen waren 1998 Veränderungen im Produktprogramm von Lohmann & Stolterfoth, die unter anderem zum Verkauf der Bereiche Schiffsgetriebe und Gleitlager an die A. Friedr. Flender AG geführt hatten. Von diesen Vorgängen war Bruinhof Marine unmittelbar betroffen. Nachdem Siemens 2005 Flender übernommen hatte, wurde Bruinhof in die niederländische Tochtergesellschaft integriert, wie es offiziell heißt.

Aufgrund der Bindungen von Bruinhof an verschiedene deutschen Komponentenhersteller, die Produkte von Lohmann & Stolterfoth übernommen hatten, kommt es zu der zunächst überraschenden Situation, auf einem Siemens-Messestand in Rotterdam auch Produkte von Bosch Rexroth und Renk zu sehen. Zum Bereich Flender gehören neben Standard-Schiffsgetrieben und Getrieben für Wellengeneratoren auch Einzelanfertigungen von Getrieben nach Kundenspezifikation, sowie elastische Kupplungen und Kegelradantriebe mit hochwertiger Verzahnung für Übersetzungsverhältnisse bis zu 10, Teilkreisdurchmesser bis 1.250 mm und Module bis 18,5.

Aus der Bosch-Gruppe kommen von Rexroth ebenfalls Kupplungen, die das Unternehmen von L&S übernommen hat. Neben hochelastischen Kupplungen für Drehmomente bis zu knapp 1.000 kNm stehen hier auch Kombinationen von elastischen Kupplungen mit Schaltkupplungen bis zu 300 kNm sowie torsionssteife pneumatisch betätigte Schaltkupplungen zur Übertragung von bis zu 1.400 kNm im Programm von Siemens Bruinhof. Alle Kupplungen sind klassifiziert verfügbar.

Von Renk kommen aus dem Werk Hannover radiale und axiale Gleitlager für Schiffswellenanlagen mit Durchmessern zwischen 110 und 1.150 mm. Die Auslegung dieser Lager erfolgt mittels CAD, so daß Renk in der Lage ist flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren.

Bruinhof ist nicht nur Verkäufer dieser Produkte, sondern auch Service-Dienstleister mit einem umfangreichen Angebot, das über Wartung, Instandsetzung und Umbauten hinausgeht. Je nach Art der Service-Leistung kann sie vor Ort beim Endkunden – weltweit, rund um die Uhr – oder im eigenen Betrieb in Rotterdam ausgeführt werden.

Voith Turbo

Die Voith Turbo GmbH & Co. hat Anfang dieses Jahres in Rostock einen neuen Geschäftsbereich etabliert, mit dem sie ihre maritimen Interessen am Markt erheblich verstärken will. Der neue Bereich »Voith Turbo Marine Engineering« soll fortschrittliche Schiffskonzepte entwickeln und so die bei Voith Turbo Marine vorhandene Kompetenz »systematisch und komplett integrieren«. Damit sollen auch bei schwierigsten Aufgabenstellungen über die Berechnung und Optimierung von Schiffskörper und Antriebssystem Konzepte entstehen, »die einen sicheren und wirtschaftlichen Betrieb gewährleisten«. Als erstes Projekt wurde ein Voith-Wassertrecker mit einer Verdrängung von 1.100 t und einem Pfahlzug von 70 t vorgestellt. Gegenwärtig wird an einem Schiffskonzept für einen Mehrzweckschlepper mit einem Pfahlzug von mindestens 150 t gearbeitet.

Über eine »strategische Partnerschaft« bietet Voith Turbo jetzt auch Schiffswinden an. Mit dem niederländischen Spezialisten für Seilwinden, Ridderinkhof BV in Hasselt, wurde vereinbart, künftig Antriebssystem und Seilwinden in einer optimierten Kombination anzubieten. Zunächst geht es um eine elektrisch betriebene Seilwinde, die automatisch die Zugkraft in einem bestimmten Bereich konstant hält. Ridderinkhof hat allerdings auch eine hydraulisch betriebene Winde entwickelt, die sich noch in der Testphase befindet. Sie soll mit dem Know-how von Voith Turbo optimiert werden. Voith Turbo Marine wird künftig Ridderinkhof-Winden in den Ländern verkaufen, in denen das Unternehmen keine eigene Vertretung hat.

Volkswagen Marine

Volkswagen Marine tut sich schwer mit seinen Schiffsmotoren, wenn es um den Einsatz in der Binnenschiffahrt geht. Obwohl die Motoren gerade für diese Anwendung viele Vorteile bieten, konzentriert sich das Stammhaus – in diesem Fall in Salzgitter – voll auf den Freizeitbereich. Anders sieht das der niederländische Vertriebspartner, die ADT Dieseltechniek in Dordrecht, zumal die Erfolge dieses Unternehmens in der Referenzliste auf der Homepage von Volkswagen Marine zu sehen sind. Auf der Europort präsentierte sich ADT nicht nur mit einem großzügigen Stand, sondern stellte auch das neueste Produkt aus, mit dem zusätzliche Kunden im Bereich der Binnenschiffahrt überzeugt und gewonnen werden sollen.

Bei dem neuen Produkt geht es um den Achtzylindermotor, den Volkswagen Marine Ende 2008 für die Freizeitschifffahrt vorgestellt hatte. Der V-Motor mit einem Hubraum von 4,1 l und Abgasturboaufladung kann eine Leistung von 257 kW bei einer Drehzahl von 4200 min–1 abgeben. Trotz dieser hohen Nenndrehzahl soll der Motor so gute Laufeigenschaften für Manöver und Revierfahrt bieten, daß kein Getriebe mit Langsamfahrventil erforderlich ist. Ein ausführlicher Bericht ist in Vorbereitung.

Volvo Penta und STT Emtec

Unter dem Motto »Nicht nur grün von außen« präsentierten sich die Benelux-Vertriebspartner von Volvo Penta in Rotterdam, immerhin neun an der Zahl. Am Motorenprogramm des Unternehmens hat sich in den letzten Monaten nichts geändert (vgl. Binnenschifffahrt Nr. 8, Seite 28 ff, Marktübersicht Schiffshaupt- und Hilfsantriebe). Es umfaßt fünf Motorenbaureihen, alle mit Zulassung nach ZKR Stufe 2, im Leistungsbereich von 89 bis 551 kW.

Als Neuheit bietet Volvo jetzt einen SCR-Katalysator an, der in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Unternehmen STT Emtec AB in Sundswall entwickelt wurde. Der Katalysator ist für schnelllaufende Dieselmotoren mit Wellenleistungen bis zu 650 kW geeignet und soll nach Herstellerangaben eine Stickoxidreduzierung von mehr als 90 % bieten.

Wie es in Rotterdam weiter hieß, ist er bereits für die Volvo-Motoren zugelassen und auch für den nachträglichen Einbau vorgesehen. Dafür steht weltweit das Service-Personal von Volvo Penta und von STT zur Verfügung.

Grundlage für die Entwicklung eines speziellen Katalysators für den Einsatz auf Schiffen waren die umfangreichen Erfahrungen von STT Emtec aus dem Bereich der Automobiltechnik. Das Unternehmen zählt nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Zulieferern der Automobilindustrie.

ZF Marine

ZF Friedrichshafen hat im Laufe dieses Jahres sein Geschäft im Bereich maritimer Antriebstechnik ausgeweitet und den niederländischen Hersteller von Ruderpropellern, HRP Nederland BV, mit Sitz in Krimpen, vollständig übernommen. Das weltweite Geschäft von HRP wird jetzt unter der Firma ZF Marine HRP unverändert weitergeführt. Zum Programm von HRP gehören neben konventionellen Ruderpropelleranlagen, im Leistungsbereich von 180 bis 2.700 kW, auch Antriebe mit gegenläufigen Propellern, ausfahrbare Strahlantriebe von 180 bis 1.650 kW, auf Deck montierte Ruderpropelleranlagen von 180 bis 1.200 kW, Flachwasserantriebe von 100 bis 1.150 kW sowie Querstrahlruder mit Leistungen von 100 bis 2.000 kW.


Hans-Jürgen Reuß