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Unter den Begriff »gefährliche Güter« fallen zum einen als Ladung beförderte gefährliche Stoffe, zum anderen aber auch Gegenstände und Geräte, die gefährliche Stoffe in ihrem inneren Aufbau oder in ihren Funktionselementen enthalten. Für die Beförderung derartiger Gegenstände und Geräte bestehen teilweise besondere Regelungen, die unter bestimmten Voraussetzungen auch die Freistellung der Geräte von den Vorschriften vorsehen können. Daneben gibt es Regelungen für gefährliche Güter in begrenzten Mengen sowie in freigestellten Mengen, bei denen der IMDG-Code bestimmte Erleichterungen bei der Beförderung gewährt.

Gegenstände mit Explosivstoff

Gegenstände mit Explosivstoff unterliegen den Vorschriften für die Gefahrklasse 1 in gleicher Weise wie der[ds_preview] im Gegenstand enthaltene Explosivstoff. Gegenstände mit Explosivstoff müssen durch die zuständige Behörde auf der Grundlage von Testergebnissen eingestuft werden. Der Test besteht aus mehreren Prüfreihen und ist erforderlich für

• eine neue Konstruktion eines Gegenstands mit Explosivstoff,

• einen Gegenstand, der einen neuen explosiven Stoff oder eine neue Mischung explosiver Stoffe enthält, oder

• eine neue Verpackungskonstruktion für einen Gegenstand mit Explosivstoff.

Grundsätzlich muss jeder neue Gegenstand mit Explosivstoff von der zuständigen Behörde getestet werden (Näher ausgeführt bei Kraft, U., Einstufung und Beförderung von Explosivstoffen, in: Hansa 6/2008, S. 87–93). Für die Beförderung eines neuen, noch nicht getesteten Gegenstands zur Prüfanlage werden die vorläufige Einstufung und die Beförderungsbedingungen von der zuständigen Behörde festgelegt. Aufgrund des Testergebnisses erfolgt dann die endgültige Zuordnung von UN-Nr., Unterklasse und Verträglichkeitsgruppe.

Abweichend von diesem Prüfverfahren können neue Feuerwerkskörper in einem Analogieverfahren aufgrund des Typs und der Spezifikation der zutreffenden Unterklasse zugeordnet werden (ebenda). Die Einstufung aufgrund dieses Analogieverfahrens muss von der zuständigen Behörde bestätigt werden.

Gegenstände mit radioaktiven Stoffen

Gegenstände, die Radionuklide enthalten oder mit Radionukliden kontaminiert sind, werden als Gefahrgut der Klasse 7 eingestuft, wenn für das jeweilige Radionuklid sowohl die zulässige Aktivitätskonzentration für freigestellte Stoffe (gemessen in Bq/g) als auch der Grenzwert für eine freigestellte Sendung (in Bq) überschritten sind. Die Grenzwerte sind in der Radionuklidtabelle in Abschnitt 2.7.2.2 des IMDG-Codes aufgeführt. Die Einstufung für die Beförderung (UN-Nr. und Kategorie) richtet sich nach der tatsächlichen Aktivität und der Dosisleistung, die in einem Meter Abstand vom Versandstück gemessen wird.

Andere gefährliche Güter in Gegenständen und Geräten

Im IMDG-Code gibt es eine Reihe namentlich genannter Geräte und Gegenstände, die gefährliche Güter enthalten. Bei einigen dieser Geräte ist die im Inneren zulässige Gefahrgutmenge beschränkt. Das Nähere ergibt sich aus den in Spalte 6 der Gefahrgutliste aufgeführten Sondervorschriften. Unter bestimmten Voraussetzungen ist bei einzelnen Geräten allerdings auch eine Freistellung möglich (siehe Tabelle 1).

Maschinen und Geräte, die nicht namentlich aufgeführt sind, müssen unter der Bezeichnung »UN 3363 Dangerous goods in machinery, class 9« befördert werden. Bei diesen Geräten gilt die Einschränkung, dass die in dem jeweiligen Gerät enthaltene Gefahrgutmenge den in Spalte 7a der Gefahrgutliste des IMDG-Codes aufgeführten Wert nicht überschreiten darf. Sofern ein unter UN 3363 zu beförderndes Gerät konstruktionsbedingt eine größere Menge eines gefährlichen Stoffes enthält als nach Spalte 7a der Gefahrgutliste zulässig ist, kann die Beförderung nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde erfolgen. Die Behörde (in Deutschland die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) erteilt die Genehmigung, wenn das Gefahrgut in dem Gerät in ähnlicher Weise sicher umschlossen ist, wie es in einer nach IMDG-Code zugelassenen Gefahrgutverpackung umschlossen wäre.

Geräte mit nicht entzündbaren und nicht giftigen Gasen

Geräte, die Gase der Klasse 2.2 (nicht giftige und nicht entzündbare Gase) enthalten, unterliegen nicht den Vorschriften des IMDG-Codes, wenn das Gas während der Beförderung im gasförmigen Aggregatszustand bleibt und der Druck des Gases im Gerät einen Wert von 200 kPa bei 20 °C nicht übersteigt. Geräte, die beispielsweise Stickstoff unter niedrigem Druck enthalten, sind somit freigestellt. Befindet sich jedoch außen am Gerät eine Gasflasche, aus der Stickstoff nachgefüllt werden kann, unterliegt die Gasflasche den Gefahrgutvorschriften. Das Ventil der Gasflasche muss bei der Beförderung geschlossen sein. Ein kontinuierliches Nachströmen aus der Gasflasche über einen Druckminderer in das Gerät hinein wäre eine Abweichung von den Verpackungsvorschriften, die nur mit Zulassung der zuständigen Behörde möglich ist.

Airbagmodule

Airbagmodule sind Gegenstände, die in Fahrzeugen als Airbag-Gasgeneratoren oder Gurtstraffer verwendet werden. Sie enthalten Explosivstoffe in geringen Mengen und wären eigentlich als Gegenstand mit Explosivstoff der Gefahrklasse 1 zuzuordnen. Sie dürfen jedoch der Klasse 9 zugeordnet werden, wenn sie im versandfertigen Zustand nach der Prüfreihe 6c des Handbuchs »Prüfungen und Kriterien« geprüft wurden, und dabei weder eine Explosion der Einrichtung noch eine Zertrümmerung des Einrichtungsgehäuses festgestellt wurde und weder eine Splitterwirkung noch eine starke thermische Reaktion aufgetreten ist.

Airbagmodule, die in Fahrzeugen oder einbaufertigen Teilen von Fahrzeugen wie Lenksäulen, Türfüllungen, Sitze usw. montiert sind, unterliegen nicht den Vorschriften des IMDG-Codes.

Fahrzeuge

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder mit Brennstoffzellen (UN 3166) sowie batteriebetriebene Fahrzeuge (UN 3171) unterliegen gegenwärtig nicht den Vorschriften des IMDG-Codes, obwohl sie gefährliche Güter, wie z. B. Kraftstoff im Tank, oder Gegenstände mit gefährlichen Gütern, wie z. B. Starter- oder Antriebsbatterien, enthalten.

Mit dem 35. Amendment des IMDG-Codes, das ab dem 1.1.2012 verbindlich anzuwenden sein wird, werden diese Fahrzeuge jedoch nur noch dann von den Vorschriften des IMDG-Codes freigestellt sein, wenn sie entweder in speziellen gemäß SOLAS Vorschriften ausgerüsteten Fahrzeugdecks befördert werden, oder wenn die Tanks der Fahrzeuge vollständig entleert und die Batterien gegen Kurzschluss gesichert sind. Anderenfalls sind die Fahrzeuge ab dem 1.1.2012 als Gefahrgut der Klasse 9 zu befördern. Bei Fahrzeugen, die der Klasse 9 unterliegen, dürfen die Fahrzeugtanks maximal zu einem Viertel des Fassungsvermögens, höchstens jedoch mit 250 l Kraftstoff befüllt sein.

Erleichterungen für gefährliche Güter in begrenzten Mengen

Eine Beförderung in begrenzten Mengen liegt vor, wenn eine zusammengesetzte Verpackung verwendet wird und die Mengengrenze der Innenverpackung nach Spalte 7a der Gefahrgutliste eingehalten ist und wenn die Bruttomasse der Außenverpackung nicht mehr als 30 kg (Kiste) bzw. 20 kg (Tray) beträgt. Die Höchstwerte je Innenverpackung sind für die verschiedenen Güter unterschiedlich und liegen zwischen 100 ml und 5 l. Bei gefährlichen Gütern mit hohem Gefahrenpotential ist in der Spalte 7a der Wert »0« eingetragen, so dass in diesem Fall die Erleichterungen nicht genutzt werden können.

Wenn die Bedingungen für die »begrenzte Menge (limited quantity)« zutreffen, besteht eine wesentliche Erleichterung darin, dass keine baumustergeprüften Gefahrgutverpackungen erforderlich sind. Die Verpackungen müssen lediglich die Grundanforderungen erfüllen und so hergestellt und verschlossen sein, dass unter normalen Beförderungsbedingungen das Austreten des Inhalts aus der Verpackung, insbesondere infolge von Vibration, Temperaturwechsel und Feuchtigkeitsänderung, vermieden wird. Eine weitere Erleichterung besteht darin, dass die Trennvorschriften des IMDG-Codes beim Zusammenladen gefährlicher Güter in begrenzten Mengen mit anderen gefährlichen Gütern in einer Beförderungseinheit (Container oder Fahrzeug) bzw. in einem Laderaum keine Anwendung finden.

Versandstücke mit gefährlichen Gütern in begrenzten Mengen müssen mit der UN-Nummer (bzw. den UN-Nummern) in einer Raute entsprechend den enthaltenen gefährlichen Gütern gekennzeichnet werden (siehe Abb. 1). Gefahrzettel und weitere Beschriftungen sind nicht erforderlich. Beförderungseinheiten mit gefährlichen Gütern in begrenzten Mengen müssen nicht mit den sonst erforderlichen Gefahrplacards gekennzeichnet werden. Eine Beschriftung mit den Buchstaben »LIMITED QUANTITY« bzw. »LTD QTY« in einer Schriftgröße von 65 mm an allen vier Seiten bei Containern und Trailern bzw. hinten und an den beiden Längsseiten bei Lkw reicht aus.

Hinsichtlich der Ladungsdokumentation gibt es für gefährliche Güter in begrenzten Mengen keine Erleichterungen. Der Versender hat ein Beförderungsdokument mit allen Angaben über die gefährlichen Güter, einschließlich des Hinweises »limited quantity«, und mit der Versendererklärung (»shipper’s declaration«) zu erstellen und an den Beförderer weiterzuleiten. Für Beförderungseinheiten, in denen sich gefährliche Güter in begrenzten Mengen befinden, hat der für das Beladen der Beförderungseinheit Verantwortliche ein Packzertifikat zu erstellen und dem Beförderer zu übergeben.

Gefährliche Güter in freigestellten Mengen

Die Regelungen für »freigestellte Mengen (exempted quantities)« sind ursprünglich für den Luftverkehr entwickelt worden. Aus Gründen der Vorschriftenharmonisierung finden sich diese Regelungen nun auch im IMDG-Code, allerdings besteht hier kaum eine praktische Relevanz, da die zulässige Menge je Versandstück recht gering ist und die Anforderungen an die Verpackung deutlich höher sind als bei den »begrenzten Mengen«.

Für die Beförderung gefährlicher Güter in »freigestellten Mengen« sind zusammengesetzte Verpackungen zu verwenden, bestehend aus Innenverpackung, Zwischenverpackung und Außenverpackung. Die Verpackung muss in der Lage sein, eine Fallprüfung aus 1,8 m Höhe und eine Stapeldruckprüfung entsprechend einer Stapelhöhe von 3 m zu bestehen. Die höchstzulässige Größe der Innenverpackung und der Außenverpackung ergibt sich aus der Eintragung in Spalte 7b der Gefahrgutliste in Verbindung mit der Erläuterung in Kapitel 3.5 des IMDG-Codes. Die Werte sind gering, bei sehr giftigen Flüssigkeiten betragen sie z.B. 1 ml je Innenverpackung und 300 ml je Außenverpackung.

Versandstücke mit gefährlichen Gütern in freigestellten Mengen sind mit einem speziellen Kennzeichen entsprechend Abb. 2 zu versehen. Weitere Kennzeichen sind nicht erforderlich. In eine Beförderungseinheit dürfen höchstens 1000 Versandstücke mit »freigestellten Mengen« geladen werden. Eine Kennzeichnung der Beförderungseinheit ist nicht erforderlich. Beim Zusammenpacken gefährlicher Güter in freigestellten Mengen in einem Versandstück und beim Zusammenladen dieser Güter mit anderen gefährlichen Gütern in eine Beförderungseinheit oder einen Laderaum finden die Trennvorschriften des IMDG-Codes keine Anwendung.

Hinsichtlich der Ladungsdokumentation gibt es für gefährliche Güter in freigestellten Mengen keine Erleichterungen. Der Versender hat ein Beförderungsdokument mit allen Angaben über die gefährlichen Güter, einschließlich des Hinweises »exempted quantity«, und mit der Versendererklärung (»shipper’s declaration«) zu erstellen und an den Beförderer weiterzuleiten. Für Beförderungseinheiten, in denen sich gefährliche Güter in freigestellten Mengen befinden, hat der für das Beladen der Beförderungseinheit Verantwortliche ein Packzertifikat zu erstellen und dem Beförderer zu übergeben.

Verfasser:

Uwe Kraft

Stellvertretender Hafenkapitän

Hansestadt Bremisches Hafenamt


Uwe Kraft