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Abstract

In den Jahren 2006 bis 2009 wurde vom Germanischen Lloyd (GL) gemeinsam mit der Schiffbau-Versuchsanstalt (SVA[ds_preview]) Potsdam ein von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) gefördertes Forschungsvorhaben [6] durchgeführt, in dem die Kavitationsgefährdung, die hydrodynamischen Belastungen und das strukturmechanische Verhalten von Rudern großer, schneller Schiffe eingehend untersucht wurden. Hierzu wurden bei der SVA Potsdam ausführliche Experimente am Modell durchgeführt. Der GL setzte im Vorhaben seine Erfahrung im Bereich der numerischen Simulation ein: Die hydrodynamisch wirkenden Lasten wurden zunächst mit einer CFD-Methode auf Grundlage eines RANSE-Verfahrens numerisch simuliert. Für ausgewählte Fälle wurden anschließend die Lasten an eine FE-Methode übergeben und das strukturmechanische Verhalten des vorhandenen Ruders untersucht. Danach wurde eine neue, möglichst kavitationsarme Ruderform entworfen.

Messungen der Ruderlasten und Kavitationsbeobachtungen an der Großausführung des Schiffes wurden zur Validierung der in den Modellversuchen und bei den Berechnungen erzielten Ergebnisse verwendet.

Einleitung

In den letzten Jahren sind sowohl die Geschwindigkeit einzelner Schiffstypen als auch das Verhältnis der Leistung des Propellers zu dessen Fläche gestiegen. Die Folge sind größere Anströmgeschwindigkeiten und Anströmwinkel am Ruderblatt, die neben höheren strukturmechanischen Belastungen zu mehr Ruderkavitation führen.

Die Konstruktion von Rudern wurde bisher überwiegend von der Festigkeit und der Manövrierfähigkeit bestimmt. So wurden bis heute bei den meisten schnellen und großen Schiffen Halbschweberuder mit einer relativ großen Ruderfläche (1,7 bis 2,5 % der Unterwasserlateralfläche) eingesetzt. In den meisten Fällen wurden die aus der Luftfahrt bekannten Profile der Serie NACA 00 gewählt, die in Bezug auf die Fertigung und Ruderwiderstand günstig sind. Der Ruderwiderstand spielt jedoch bei dem gesamten Schiffswiderstand eine untergeordnete Rolle. Kavitationsungünstige Profilformen, dicke ungeschliffene Schweißnähte und ungünstige Ruder-Propeller-Anordnungen können zum Entstehen von Kavitation führen.

1 Großausführungsmessungen und -beobachtungen

Für die Untersuchungen im Forschungsvorhaben wurde ein Containerschiff einer 8.500 TEU-Klasse ausgewählt, das im Frühjahr 2007 vom Stapel gelaufen ist und dessen Hauptdaten in Tab. 1 aufgeführt sind.

In der Bauendphase wurde am Ruder des Containerschiffes eine Messeinrichtung installiert, um die auftretenden Ruderlasten aufzuzeichnen. Zusätzlich wurden vier Sichtfenster eingebaut, um die Kavitationserscheinungen während der Fahrt beobachten zu können.

Während der Probefahrt wurden Messungen bei folgenden Manövern durchgeführt:

• Steuerbord- und Backbord-Drehkreisfahrt

• 10°/10°- und 20°/20°-Zickzack-Manöver

• 35°/35°-Ruderlegetest

• Geschwindigkeitstest

• Stopp-Manöver

Dabei wurden neben den Lastmessungen am Ruder folgende Daten aufgezeichnet:

• Ruderlage, Drücke in den Zylindern der Rudermaschine

• Schiffskurs, Drehrate und Schiffsgeschwindigkeit

• Propellerdrehzahl und -drehmoment

Bei der Jungfernfahrt wurden Videoaufnahmen mit einer Hochgeschwindigkeitskamera von den Kavitationserscheinungen am Ruder gemacht. Abb. 1 zeigt ein Standbild der Videoaufnahmen. Um die Lage des Beobachtungsausschnittes zu verdeutlichen, wurde in dem Standbild die Lage des Ruderhorns und der sogenannten Staukeile, die seitlich am Horn angebracht sind, durch eine grüne Umrandung hervorgehoben.

In Langzeitmessungen wurden über zwei Jahre neben den Lasten am Ruder noch die zugehörige Ruderlage und die Schiffsgeschwindigkeit aufgezeichnet.

2 Modellversuche

Aus der Vielzahl der Versuche soll im Folgenden nur auf die Messung des Geschwindigkeitsfeldes näher eingegangen werden. Die SVA Potsdam setzte hierzu die Particle Image Velocimetry (PIV)-Methode ein.

Bei den Messungen wurde das PIV-System zu einer Stereo-Kamera Anordnung erweitert, mit der es möglich ist, alle drei Komponenten der Geschwindigkeit in der Ebene zu bestimmen.

Es wurde die Geschwindigkeitsverteilung im Ruderbereich gemessen während das Schiffsmodell mit frei drehendem Propeller bei einem Driftwinkel von 0° und 10° geschleppt und der Ruderwinkel variiert wurde. Es wurden zwei Messreihen durchgeführt. Bei der ersten Messreihe wurden vier Ebenen in Querschiffsrichtung definiert: Eine Ebene liegt zwischen Propeller und Ruder, drei Ebenen liegen hinter dem Ruder. Bei der zweiten Messreihe wurden 28 Ebenen definiert. Die Lage der Ebenen ist in der Tab. 2 und in der Abb. 2 beschrieben.

3 Numerische Untersuchungen

3.1 CFD- Berechnungen

Der Germanische Lloyd verwendet zur numerischen Simulation von viskosen Strömungen CFD-Programme auf Grundlage des RANSE-Verfahrens, [11]. Neben der Validierung der CFD-Methode mit den Messdaten aus Großausführungs- und Modellversuchsmessungen, lag der Schwerpunkt der numerischen Berechnungen in dem Entwurf eines kavitationsarmen Halbschweberuders. Beides soll im Folgenden kurz vorgestellt werden.

3.1.1 Validierung

Es gibt bereits eine Anzahl von Veröffentlichungen, die belegen, dass sich RANSE-Methoden zur numerischen Berechnung von Rumpf-, Ruder- und / oder Propeller-Umströmungen gut eignen, [1 bis 10, 12, 13]. Um diese Aussage und die Anwendbarkeit der verwendeten CFD-Methode für das vorliegende Problem zu überprüfen, wurden eine Vielzahl von CFD-Berechnungen durchgeführt, deren Randbedingungen denen im Modellversuch bzw. den herrschenden Umgebungsbedingungen in der Großaus­führungs­messung möglichst genau entsprachen.

Es wurden elf stationäre CFD-Berechnungen des Propellerfreifahrtsversuchs für die Fortschrittsziffern J = 0,1 bis 1,1 in Schrittweiten von 0,1 durchgeführt. Abb. 4 zeigt einen Vergleich des berechneten und gemessenen Propellerfreifahrtdiagrammes.

Um die Rudereigenschaften des numerischen und des realen Modells miteinander vergleichen zu können, wurden CFD-Berechnungen des homogen angeströmten Ruders für die Ruderwinkelstellungen R = 0° bis 35° in 5° Schritten durchgeführt. Abb. 5 vergleicht berechnete und gemessene Widerstands- und Auftriebsbeiwerte. Für diese Validierung lagen auch Messungen der Hamburgischen Schiffbau Versuchsanstalt (HSVA) für dasselbe Modell vor; die Messwerte der beiden Versuchsanstalten unterscheiden sich trotz gleichen Modells. Die CFD-Berechnungsergebnisse liegen zum größten Teil zwischen den beiden Messungen der Versuchsanstalten. Die linke Abbildung in Abb. 5 zeigt sowohl die Ergebnisse von stationären als auch von transienten CFD-Berechnungen. In der rechten Abbildung von Abb. 5 sind die transienten CFD-Ergebnisse der wirkenden Auftriebskräfte sowohl am Ruderblatt allein, als auch die gemeinsam wirkenden Kräfte am Ruderblatt und Ruderhorn dargestellt. Bei den Versuchsanstalten konnten die Kräfte am Ruderhorn nicht gemessen werden und alle Darstellungen beziehen sich nur auf die wirkenden Kräfte am Ruderblatt. Bei der SVA Potsdam wurden ebenfalls numerische Berechnungen für das frei angeströmte Ruder durchgeführt; die Ergebnisse sind in den Abbildungen dargestellt.

Es wurden CFD-Berechnungen mit einem Gittermodell, das den Schiffsrumpf, das Ruder und den Propeller abbildet, unter den Umgebungsbedingungen der Jungfernfahrt durchgeführt, um die Kavitationsbildung am Ruder numerisch zu simulieren. Dabei wurde darauf geachtet, dass alle Ruderanbauten, wie z. B. Leitbleche und die sogenannten Staukeile, im Modell vorhanden sind. Abb. 1 vergleicht die berechnete mit der beobachteten Kavitation bei der Großausführung.

Für eine weitere Validierung der CFD-Methode wurden numerische Berechnungen im Modellmaßstab durchgeführt und mit den PIV-Messungen ver­glichen. Die Abb. 3 zeigt beispielhaft den Vergleich zwischen CFD-Berechnungen und PIV-Modellmessungen in der Mess­ebene E1 der ersten Messreihe für Ruderwinkel von -20, 0 und +20°. In den Darstellungen wurden die Geschwindigkeiten in Schiffslängsrichtung (u) mit der jeweiligen Anströmgeschwindigkeit (ua) des Schiffes normiert.

Die Vergleiche ergaben gute Übereinstimmungen zwischen Modellversuch und CFD-Berechnungen.

3.1.2 Entwurf eines kavitationsarmen Ruders

Es wurden ausgiebige CFD-Untersuchungen zur Optimierung der Ruderform hinsichtlich der Vermeidung von Kavitationsbildung durchgeführt. Hierzu wurden 2D- und 3D-Simulationen eingesetzt.

Das Originalruder wurde in drei horizontalen Ebenen geschnitten, Abb. 6. Die vorhandene Vollprofilform im Schnitt A-A wurde mit einer Panelmethode (Programm xfoil, das am MIT entwickelt wurde, [14]) untersucht und optimiert. Hierzu wurde die Originalprofilform mit unterschiedlichen NACA-Profilen und Mischprofilen aus einer vorherigen Untersuchung der SVA Potsdam [5] verglichen. Daraufhin wurde eine eigene Profilform entworfen, wobei darauf geachtet wurde, dass die maximale Unterdruckspitze möglichst gering ausfällt und der Verlauf des Druckbeiwertes über die Länge des Profils möglichst glatt verläuft, um Druckgradienten zu vermeiden, die zu einer Kavitationsbildung führen können, Abb. 7. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass sich die Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte nicht verschlechtern.

Durch die Teilung des Profils aufgrund des feststehenden Horns und des Ruderblattes in den Schnitten B-B und C-C treten Strömungseffekte auf, die das Programm xfoil nicht erfassen kann. Daher musste für die Untersuchung in diesem Bereich das deutlich aufwendigere RANSE-Verfahren eingesetzt werden. Es wurden 28 Spaltvarianten untersucht. Dabei wurden Ruderwinkel von R = -8° bis +8° und jeweils Anströmwinkel von 6° bis 28° in 2° Schritten betrachtet. Insgesamt wurden hierfür über 3.000 RANSE-Berechnungen durchgeführt.

Um die Spaltvariationen besser vergleichen zu können, wurden unter anderem Stromlinienverläufe betrachtet. Hierzu wurden in der Nähe der Wandoberfläche im vorderen Profilbereich Partikel im Fluid ausgewählt und deren theoretischer Verlauf visualisiert. Dadurch kann abgeschätzt werden, ob die Partikel den Spalt durchströmen oder ob sie durch die Formgebung an den Spalt vorbeiströmen werden. Je mehr durch den Spalt fließt, desto eher besteht die Gefahr der Spaltkavitation. Abb. 8 zeigt Stromlinienverläufe am Originalprofil und für eine untersuchte Spaltvariante.

Auf Basis der optimierten Profilformen aus den 2D-Untersuchungen wurde ein 3D-Modell erstellt und mit RANSE-Methoden untersucht. Dabei wurden bei den Berechnungen der Rumpf und der Propeller mitmodelliert.

Nur mit solchen aufwendigen Modellen können auch 3D-Strömungseffekte simuliert werden, deren Erfassung notwendig ist, um die wirkenden Kräfte und Momente am Ruder zu ermitteln. Insbesondere die Ausführung der Rudersohle zeigte dabei einen deutlichen Einfluss auf die Kräfte am Ruder. Der erste Entwurf (Variante A) hatte eine starke Abrundung im vorderen Ruderbereich vorgesehen (Geometrieform, siehe Abb. 9), die zu einer deutlich geringeren Blattkavitationsbildung führte. Der geringe Druckgradient durch den weichen Übergang von der Druck- zur Saugseite führt jedoch auch zu einer Verringerung der wirkenden Auftriebskräfte am Ruderprofil. Da die Manövrierbarkeit des Schiffes nicht zu stark verändert werden sollte, war die Variante A somit nicht akzeptabel.

Für die Ausführung der Rudersohle wurden zwei weitere Varianten miteinander verglichen: Variante B hat eine Abrundung mit einem deutlich geringeren Radius, Variante C erhielt statt einer Abrundung eine gerade Form und eine Abschlussplatte am unteren Ende, siehe Abb. 9.

Kavitation an der Rudersohle entsteht durch den Unterdruck, den die hohen Geschwindigkeiten der Strömung induzieren, die wiederum dadurch entstehen, dass das Fluid bestrebt ist, einen Druckausgleich zwischen Druck- und Saugseite des Ruderprofils herzustellen. Durch den breiten Plattenstreifen der Variante C wird ein größerer Teil der Strömung um die Rudernase geführt, deren Form extra sehr weich ausgeführt ist, so dass die Gefahr der Kavitationsbildung dabei herabgesetzt wird. Zudem wird durch den breiten Plattenstreifen das Druckgebiet auf der Saug- und Druckseite bereits zu den Seiten hin etwas abgeschwächt, bevor es schließlich die Plattenkante erreicht und zum Druckausgleich umströmt. Dadurch entstehen geringere Druckgradienten an den Kanten und die Gefahr der Kavitationsbildung kann somit herabgesenkt werden.

Abb. 10 zeigt einen Vergleich der berechneten Kavitationsausbreitung bei einer Ruderlage von 5° zwischen Originalruder (links) und dem neuen Ruderentwurf (rechts). Deutlich ist die geringere Kavitationsbildung am Blatt und im Bereich der vertikalen Spalten zu erkennen. Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten ist eine Kavitationsbildung beim Ruderlegen nicht zu vermeiden, so dass auch beim Neuentwurf ab einen Winkel von ca. 8° Kavitation entsteht. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass es möglich ist, einen vorhandenen Entwurf zu optimieren, so dass die Kavitation erst bei größeren Ruderwinkeln einsetzt.

Beim Neuentwurf wurde darauf geachtet, dass sich die Manövriereigenschaften des Ruders nicht verschlechtern bzw. dass die erzeugten Querkräfte mindestens denjenigen des Originalruders entsprechen. Dies wurde sehr gut eingehalten, siehe Abb. 11. Die Manövriereigenschaften haben sich sogar verbessert: Bei der Betrachtung der Querkräfte von Ruderhorn und Ruderblatt, erzeugte das Originalruder in 0°-Stellung noch eine Querkraft von 278 kN, so dass ständig ein Ruderwinkel zum Ausgleich gelegt werden muss. Die Querkräfte am Ruderblatt und -horn des Neuentwurfes gleichen sich hingegen nahezu aus, es entstehen noch 12 kN. Weitere Vorteile gegenüber dem Originalruder zeigt der Neuentwurf bei der Betrachtung der Ruderschaftmomentenbeiwerte in Abb. 11. Die zum Halten des Ruders notwendigen Momente liegen im Bereich von 0 bis 20° zwar höher als die des Originalruders, das maximal auftretende Moment ist beim Neuentwurf jedoch noch nicht einmal halb so groß wie das des Originalruders. Dies ist ein großer Vorteil, da das maximal auftretende Moment die Größe der notwendigen Rudermaschine bestimmt.

3.2 FE-Berechnungen

Zur Berechnung des strukturmechanischen Verhaltens wurde das FE-Programm der Firma Ansys verwendet. Je Rudervariante wurden jeweils ein FE-Modell für die Festigkeits- und ein FE-Modell für die Schwingungsanalyse erstellt. Die auftretenden Lasten wurden aus den CFD-Berechnungen übertragen. Hierbei wurden CFD-Gitter verwendet, die neben dem Ruder auch den Rumpf und den Propeller beinhalteten. FE-Analysen wurden für die Ruderwinkellagen von R = -10, -5, 0, 5, 10, 20, 30 und 35° durchgeführt.

Abb. 12 vergleicht berechnete und in der Großausführung gemessene Spannungen am Ruderblatt. Abb. 13 zeigt das FE-Modell des Originalruders und eine Darstellung der Spannungen an einem der am höchsten belasteten Bereiche der Struktur.

Zusammenfassung

Im Zuge des vorgestellten Forschungsvorhabens wurde eine numerische Prozedur zur Berechnung des hydrodynamischen und strukturmechanischen Verhaltens eines Halbschweberuders etabliert. Durch die Modellierung des Schiffsrumpfes und -propellers wurde die Strömung sehr detailgetreu wiedergegeben. Auf Grundlage von ausführlichen Modell- und Großausführungsmessungen konnte eine Vielzahl von Vergleichen durchgeführt werden. Diese Validierungsarbeiten waren sehr zufriedenstellend. Auf Grundlage des untersuchten Ruders wurde ein Halbschweberuder entworfen, bei dem die numerischen Berechnungen eine deutliche Senkung der Kavitationsgefahr zeigte. Der Germanische Lloyd bietet seinen Kunden die in diesem Projekt gesammelten Erfahrungen in Form einer Dienstleistung zur Minimierung von Ruderkavitation an. Nähere Informationen: www.futureShip.de / www.gl-group.com.


Andreas Brehm