Print Friendly, PDF & Email

Frachtraummangel und nachlassende Zahlungsmoral der Kunden bereiten Dienstleistern Sorgen

Die Reedereien treiben die Frachtraten so konsequent nach oben, dass die Speditionen kaum hinterherkommen, den Preisanstieg an die Kunden durchzureichen. Röhlig-Chef Thomas Herwig, bis vor kurzem Vorsitzender des Vereins Bremer Spediteure (VBSp), spricht von »einem brutalen Margendruck«, und auch der Hamburger Speditionsverband (VHSp) ist alarmiert. »Wir haben dieses Jahr noch eine Durststrecke vor uns«, warnt Johan P. Schryver, neuer Vorsitzer des VHSp. Wenn die Firmen dieses Jahr den Banken ihre Bilanzen vorlegen, »könnte das für manche schon ein Problem werden.«

Bislang schienen vor allem Fixkosten-lastige Dienstleister mit eigenem Fuhrpark und Lagerkapazitäten von der Krise gebeutelt zu sein. Nach dem[ds_preview] Verkehrsrückgang in Folge der Rezession sollen bundesweit 80.000 LKW stillgelegt worden sein. Da aber weiterhin Kapitalkosten und zum Teil auch noch Betriebskosten anfallen, selbst wenn Fahrzeuge und Anlagen brachliegen, türmten sich bei vielen Firmen die Verluste auf. Der Großteil der bundesweiten Insolvenzen im Speditionsbereich entfällt auf die Sparte Landtransport. durch den steilen Anstieg der Seefracht- und auch der Luftfrachtraten werden nun ebenfalls den Überseespeditionen die Daumenschrauben angezogen. Mit der Spedition Herbst und dem Seehafen-Transportkontor Gildemeister in Bremen sind in den vergangenen Wochen zwei traditionsreiche Dienstleister in die Insolvenz geschlittert. Die Zahl der Pleiten könnte dieses Jahr drastisch zunehmen, warnt der VBSp. Der VHSp, der im Bereich der Überseespedition noch keine Insolvenz in Hamburg beobachtet hat, befürchtet, dass sich »im Oktober und November die Spreu vom Weizen trennt«, wie ein Sprecher sagte. Dann könnten die Rücklagen zahlreicher Anbieter aufgezerrt sein. In der Seefracht kämpfen die Dienstleister nicht nur damit, die zum Teil verdoppelten Frachtraten an die Kunden weiterzureichen. Zudem schmilzt ihre Liquidität durch den steigenden Vorfinanzierungsbedarf ab. »Mittelständische Speditionen werden zur Bank des Verladers«, kritisiert Thomas Herwig. So forderten die Urablader von den Diensteistern 90 Tage Zahlungsziel. Das könne man allerdings bei keinem Reeder abbilden, so Herwig. Wenn sich die Forderungen der Carrier auftürmen, die Versender oder Empfänger aber keine Eile mit der Begleichung ihrer Rechnungen haben, kann es der Spedition leicht das Genick brechen. Die Margenproblematik ist freilich nicht neu. Zu Beginn eines Aufschwungs und der damit einhergehenden Ratenhausse haben die Dienstleister stets zu kämpfen, genauso wie sie im fallenden Markt ihre Margen ausbauen können. Allerdings sind die Ausschläge dieses Mal viel krasser als in früheren Krisen, und an diese Schwankungsbreite werden sich die Speditionen nach den Worten des neuen VBSp-Vorsitzenden Simon Reimer wohl gewöhnen müssen. Eine »erhöhte Volatilität in immer dichteren Abständen« habe in Folge der industriellen Globalisierung Einzug gehalten. »Das scheint auch in Zukunft der Fall zu sein«, warnte Reimer. Auch bei langjährigen Kunden stößt die Zunft kaum auf Gnade. Denn die Frachteneinkäufer der Industrie, die ihrerseits das Controlling im Nacken haben, stehen unter Druck, den Markt voll auszureizen. »Im Rahmen von Ausschreibungen lässt man die Spediteure gegeneinander antreten«, kritisierte Oliver Östreich, Mitglied der Geschäftsführung beim Chemielogistiker Lex­zau Scharbau. Die Zahl der Tender sei in den vergangenen Monaten nur so in die Höhe geschossen, »selbst 500 TEU pro Jahr werden heute schon ausgeschrieben«, so Östreich.

Zudem sträuben sich die Linienreedereien zunehmend, den Dienstleistern die übliche Provision zu zahlen. Die Erträge werden zwar größtenteils durch die Differenz aus Rateneinkauf und -verkauf gespeist. Doch die in Deutschland verankerte Spediteurskommission von 2,5 % der Fracht war daneben immer eine sichere Bank für die Spedition – bis gerade ihr nationaler Carrier Hapag-Lloyd im vergangenen Jahr androhte, das System abzuschaffen. Hapag machte schließlich einen Rückzieher und hält die Kommission dem Vernehmen nach wieder ein. Doch durch die Ankündigung der Hamburger fühlten sich offenbar zahlreiche globale Reeder ermuntert, die Vergütungsberechnung ebenso in Frage zu stellen. Der Trend geht dahin, dass die Carrier von der prozentualen Berechnung auf ein Pauschalsystem umsatteln. »Dabei machen sich die Reedereien das momentan niedrige Ratenniveau zu Nutzen und zahlen einen Betrag, de gleich hoch bzw. sogar etwas über der prozentualen Kommission liegt«, erläuterte Gert Tews, Vorsitzer des VHSp-Fachausschusses Exportspedition. Vielen Spediteuren sei die Veränderung deshalb in der Praxis kaum aufgefallen, so dass sich die Proteste in Grenzen gehalten hätten. »Das böse Erwachen kommt aber dann, wenn die Seefrachraten wieder steigen, die Kommission aber nicht«, verdeutlichte Tews. Der VHSp habe bei mehreren Reedereien offiziell protestiert. Die Kommission sei kein Almosen, »sondern die Gegenleistung für die Erbringung einer qualitativ hochwertigen und finanziell attraktiven Vertriebstätigkeit«, so Tews. Willem van der Schalk, Geschäftsführer der Spedition A. Hartrodt wirft den Reedern in dieser Sache Unehrlichkeit vor. Inzwischen könnten die Reeder bei der Dokumentation und Ausstellung der Bills of Lading gar nicht mehr ohne die Hilfe der Spediteure auskommen. Die Hilfestellungen hätten durch die Verlagerung der Dokumentationszentren zahlreicher Reeder in asiatische Billiglohnländer noch weiter zugenommen.


mph