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Die Tonnagegewinnermittlung kann nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Az.: 3 K 66/08) auch für ausgeflaggte Handelsschiffe in Anspruch[ds_preview] genommen werden, wenn die Bereederung tatsächlich fast ausschließlich im Inland vorgenommen wurde.

In der Entscheidung des Finanzgerichts ging es um eine Kommanditgesellschaft, deren alleiniger Komplementär ein Herr A war. Die Kommanditgesellschaft war Eigentümerin eines Motorfrachtschiffs, welches sowohl in einem inländischen Schiffsregister als auch im Schiffsregister von Zypern eingetragen war. Das Schiff wurde überwiegend zur Beförderung von Gütern im Verkehr zwischen ausländischen Häfen eingesetzt. Zum Zwecke der Ausflaggung – man wollte in den Genuss der zyprischen Sozial­versiche­rungsfreiheit der Schiffsbesatzung kommen – gründete Herr A gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Limited zyprischen Rechts. Die Geschäftsführung der Limited erfolgte vom Sitz der Kommanditgesellschaft, also vom Inland aus und wurde von Herrn A als Geschäftsführer wahrgenommen.

Im Dezember 1998 schloss die Kommanditgesellschaft mit der Limited einen so genannten Bareboat-Chartervertrag über das Motorfrachtschiff ab. Nach einem »Addendum« hierzu hatte der Vertrag nur den Zweck, das Schiff unter zyprischer Flagge fahren zu lassen. Danach sollten alle Geschäftsführungsaktivitäten und der Profit bei der Kommanditgesellschaft verbleiben. Die Genehmigung zur Ausflaggung erfolgte im Januar 1999. Für das Jahr 1999 wurde fristgerecht ein Antrag auf Tonnagegewinnermittlung gestellt. Die in der Folgezeit ursprünglich beim Finanzamt eingereichte Gewinn- und Verlustrechnung der Kommanditgesellschaft und der Limited für das Jahr 1999 wiesen korrespondierend »Bareboat-Chartererlöse« und Aufwendungen aus. Diese Angaben wurden bei gleichbleibender Bilanzsumme und Gewinn in einer korrigierten Fassung gestrichen, da es tatsächlich nicht zu entsprechenden Erträgen und Aufwendungen kam. Die Limited fand keine Erwähnung mehr. Der Tonnagegewinn für die Kommanditgesellschaft belief sich auf 6.570,00 DM.

Die Kapitäne, Herr D und Herr E, waren unmittelbar durch die Kommanditgesellschaft beschäftigt worden und an ihr zudem als Kommanditisten beteiligt. Vier weitere Besatzungsmitglieder, die erforderlich waren, um das relativ kleine Handelsschiff ausreichend mit Personal auszustatten, wurden durch die ausländischen Agenturen vermittelt, durch die auch Teilauszahlungen der Heuern an diese Besatzungsmitglieder erfolgten. Ein Teil der Heuern wurde als Vorschüsse von den Kapitänen im Auftrag der Kommanditgesellschaft aus der Schiffskasse in bar bezahlt. Die Auswahl der von den Agenturen lediglich vorgeschlagenen Seeleute wurde von Herrn A vorgenommen. Die Kommanditgesellschaft trug im Prozess vor dem Finanzgericht u. a. vor:

»Vorliegend seien – gemessen am Verhältnis der Löhne zu den Gesamtaufwendungen – höchstens 7,8 % in Form der Vermittlung von Besatzungsmitgliedern durch ausländische Gesellschaften erbracht worden.« Das Finanzamt trat dem entgegen und wollte unter Ablehnung des Antrags auf Tonnagegewinnermittlung einen Gewinn in Höhe von 634.022 DM festgestellt wissen. Es meinte, ausreichend Indizien dafür zu haben, dass eine Bereederung nicht im Inland erfolgt sei. Zum einen sei da der Bareboat-Chartervertrag (Bareboat-Char­ter­einnahmen!) und zum anderen bedeute Ausflaggung eine Ausrüstertätigkeit im Ausland.

Die Frage war also, was es bedeutet, wenn gesetzlich eine Bereederung im Inland gefordert wird, um zur Tonnagegewinnermittlung zu optieren.

In der Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, wie das Erfordernis der Bereederung im Inland zu konkretisieren ist. Teilweise wird ein »Auslandsanteil« von maximal 10 % für zulässig gehalten. Andere verlangen unter bestimmten Vorraussetzungen einen mehr als 50 %igen Inlandsanteil. Wiederum andere stellen hingegen nicht auf den Gesamtanteil der im Ausland durchgeführten Tätigkeiten ab, sondern halten es nur für zulässig, höchstens eine der vom BMF aufgezählten Tätigkeiten ins Ausland zu vergeben. Teilweise wird sogar gefordert, dass die gesamte Bereederung im Inland ausgeführt werden müsse.

Zu letzterer Ansicht wird jedoch in ihrer Kommentierung ausgeführt: »Die Forderung des BMF nach Einstellung der Schiffsoffiziere, insbes. des Kapitäns durch die Reederei selbst als wesentlichen Träger nautischen Managements, erscheint sachgerecht. Eine reine Förmelei wäre es, den Abschluss der Heuerverträge im Inland zu fordern. Die direkte Arbeitgeberschaft der Reederei reicht u. E. aus. Durch die Anstellung des Kapitäns wird auch kein Landarbeitsplatz geschaffen. Die Anstellung der anderen Seeleute hat nicht mit einem kommerziellen oder nautischen Management bzw. der Rückholung dieses Managements an Land zu tun. Deshalb ist u. E. vom Gesetzeszweck einzig die Notwendigkeit einer strategischen Entscheidung im Inland (ausländ. Crewing-Firma ja oder nein) gerechtfertigt.« Ein Mehr an Bereederung ist hiernach also im Ergebnis ein Weniger. Man kann diese Ausführungen auch so umschreiben, dass gesetzgeberisch bewusst in Kauf genommen wurde, dass es nicht erforderlich ist, dass eine auf dem Schiff tätige Person jemals deutschen Boden betritt. Die Reederei kann sich entscheiden, ob sie unter ausländischer oder deutscher Flagge fahren will. Selbst die Auszahlung der üblichen Vorschüsse erfolgt bei ausgeflaggten Schiffen – von Hafenaufenthalten im Inland abgesehen – nicht auf deutschem Territorium. Ob also demnach die Direktauszahlung von Heuern an die an Bord Beschäftigten in der Kette aller mit der Lohnzahlung involvierten Stellen über eine inländische Zahlstelle erfolgt oder über eine ausländische, ist völlig uninteressant. Es verlangt auch keiner, dass ein inländisches Bankkonto unterhalten werden soll. Ist etwa bei einer Überweisung vermittels einer inländischen Bank die Tätigkeit dieser Bank Bereederung, die von der Reederei delegiert wurde? Die Vermittlungsleistung von Besatzungsmitgliedern ist auch keine Bereederung. Demzufolge stellt sich auch nicht die Frage, ob diese Vermittlungsleistung an ausländische Agenturen delegiert wurde. Dies ganz einfach deshalb, weil die Reederei nicht vor der Alternative steht, ein eigenes Vermittlungsbüro aufzumachen oder die Tätigkeiten eines »Vermittlungsbüros zu delegieren«. Wenn die Bereederung in der Diktion des Finanzgerichts »die Geschäftsbesorgung« eines Schiffsbetriebs in kommerzieller, technischer und personeller Hinsicht« ist, so ist die Nutzbarmachung derartiger Agenturen als solches eben Bereederung. Es liegt somit eine 100 %ige Bereederung im Inland vor. Dies dürfte auch verfassungsrechtlich und seit dem Beitritt Zyperns europarechtlich geboten sein. Man stelle sich nur vor, dass eine Reederei sich ihre Beschäftigung »selbst besorgt« und eine andere sich eines Vermittlers bedient, letzterer sich auch noch im EG-Ausland befindet. Worin sollte die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung liegen? Dies soll hier jedoch nicht das Thema sein.

Im Ergebnis kommt das Finanzgericht zum gleichen Ergebnis, nur dass es sich im zu entscheidenden Fall nur um eine fast ausschließliche Bereederung im Inland handeln soll. Erforderlich sei eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall. Dabei seien qualitative und quantitative Gesichtspunkte zu berücksichtigen und zu gewichten. »Nach Auffassung des Gerichts stellt die Vermittlung in Form von Personalvorschlägen dieser vier sonstigen Besatzungsmitglieder und die teilweise Auszahlung der Heuern durch ausländische Agenturen eine Bereederungstätigkeit dar, die vorliegend in der Gesamtschau der Bereederungsaktivitäten sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht von untergeordneter Bedeutung ist und nichts daran ändert, dass die Bereederung fast ausschließlich im Inland durchgeführt wurde. Zwar kann das so genannte Crewing angesichts der Zielsetzung des Gesetzes, Arbeitsplätze im Bereich der Reedereien im Inland zu erhalten, im Einzelfall ein so erhebliches Gewicht haben, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht mehr von einer fast ausschließlichen Bereederung im Inland gesprochen werden kann, wenn das Crewing an Dienstleister ins Ausland verlagert wird. Dies kann etwa bei besonders personalintensiven Schiffen, wie etwa Linienschiffen im Personen- oder Fährverkehr, der Fall sein. Bei der MS »X« handelt es sich jedoch um ein kleineres, mit lediglich fünf Mann Besatzung ausgestattetes Handelsschiff, bei dem die Personalvorschläge und die Lohnauszahlung für lediglich vier weitere Besatzungsmitglieder schon vom zeitlichen Aufwand her im Vergleich zu den sonstigen im Inland vorgenommenen Reedereitätigkeiten nicht ins Gewicht fallen.«

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Entscheidung im Ergebnis zutreffend ist. Die hier gegebene Begründung im Verhältnis zur Begründung des Finanzgerichts kann allerdings zu ganz erheblichen Abweichungen führen. Dass die Ausflaggung unter den hier beschriebenen Vorraussetzungen steuerrechtlich zu keinen nennenswerten Schwierigkeiten führt, versteht sich von selbst. Maßgebend ist steuerrechtlich nicht die Frage nach der juristischen Ausgestaltung, sondern wie die Beteiligten den Sachverhalt tatsächlich gestaltet haben: eine Limited als Briefkasten auf Zypern, bei der die Geschäftleitung sich im Inland befindet. Wer will das anders entscheiden? Es bleibt die Frage, warum man bei der quantitativen Erfassung die gezahlten Löhne herangezogen hat. Eigentlich wäre es doch naheliegender gewesen, eventuell gezahlte »ausländische Bankgebühren« ins Verhältnis zu setzen. Es steht die Vermutung im Raum, dass man den ausländischen Anteil erheblich geringer ansetzen müsste.
Klaus Voß