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Die SMM 2010 werde für maritime Unternehmen, die vor der Herausforderung einer strukturellen Neuausrichtung stehen, wertvolle Anregungen geben. Diese Überzeugung[ds_preview] äußerte Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Maritimer Koordinator der Bundesregierung, in einem Exklusivinterview für den SMM-Veranstalter Hamburg Messe. Die Weltleitmesse der internationalen Schiffbauindustrie, 24. shipbuilding, machinery & marine technology, international trade fair hamburg, bietet rund 2.000 Ausstellern aus allen Kontinenten, vom 7. bis 10. September 2010 in Hamburg eine Plattform zur Präsentation der jüngsten Technologie- und Produktentwicklungen für den maritimen Sektor. Die SMM 2010 ist damit zugleich Trendschau und Trendsetter sowie Bühne für den weltweiten Wissenstransfer.

Europäische Werften und Schiffbauzulieferer haben daran ebenso großen Anteil wie die Schiffbau- und Schiffbauzulieferunternehmen aus den führenden Ländern Korea, China und Japan. »Der Schiffbau ist mit seinen Werften, Schiffbauzulieferern und -ausrüstern, Fachinstituten an Universitäten und Hochschulen, Konstruktionsbüros und Klassifikationsgesellschaften ein wichtiger Teil der europäischen Industrielandschaft. Die Werften stellen komplexe Produkte her, die eine Vielzahl von Fähigkeiten und ein hohes Maß an wissenschaftlichen Erkenntnissen und intelligente Produktionstechniken in sich vereinigen, also »know how« und Hightech. Damit ist der Schiffbau von strategischer Bedeutung für Europa,« sagt Otto zum Stellenwert der maritimen Industrie und gibt damit auch die Auffassung der Bundesregierung wieder, die deshalb die Umsetzung der europäischen Schiffbaustrategie »LeaderSHIP 2015« »mit Nachdruck« unterstütze.

Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und der deutschen Schiffbauindustrie global zu verbessern, seien in erster Linie zielgerichete Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationskonzepte erfolgversprechend. »Denn mit mehr Investitionen in Produkt- und Prozessinnovationen kann die Innovationsgeschwindigkeit gesteigert werden.

Damit können Wettbewerbsvorsprünge länger gehalten und die hochtechnologischen Marktsegmente besser gegen die Konkurrenz verteidigt werden«, begründet Otto seinen Standpunkt. Forschung, Entwicklung und Innovation hält der Maritime Koordinator auch beim Bau von Kreuzfahrtschiffen für den richtigen Ansatz, um in dieser bisherigen Domäne der Europäer die Technologieführerschaft vor den asiatischen Werften zu behalten, die sich anschicken, in dieses anspruchsvolle Schiffbausegment einzusteigen.

Die EU und die europäischen Regierungen unterstützen diese Marschrichtung. Die entscheidenden Weichenstellungen seien von der Politik schon Ende 2003 auf EU-Ebene und Anfang 2005 auf nationaler Ebene beschlossen worden. Damit habe in der europäischen und deutschen Schiffbaupolitik ein wichtiger Paradigmenwechsel stattgefunden, betont Otto. Die Auftragssubventionen, von denen überwiegend die Auftraggeber der Werften profitiert hätten, wurden beendet zugunsten einer Förderung der Werften für ausgewählte Investitionen in schiffbauliche Forschung und Entwicklung sowie innovative Schiffsbauten und verbesserte schiffbauliche Verfahren, mit denen die europäischen Werften ihre Wettbewerbsfähigkeit unmittelbar steigern.

Erstmalig findet anlässlich der SMM am 7. und 8. September 2010 der global maritime environmental congress (gmec) statt. Auf diesem hochrangigen Kongress treffen sich über 700 namhafte Vertreter aus Industrie, Politik, Wissenschaft, Marine und Umweltschutz, um konkrete Lösungen für eine ökologische und nachhaltige Schifffahrt zu erarbeiten und vorzustellen. Info: www.gmec-hamburg.com Angelika Schennen

Nachfolgend lesen Sie das Interview mit Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Maritimer Koordinator der Bundesregierung, das von Dr. Uwe Cardaun im Auftrag der Hamburg Messe geführt wurde.

Herr Staatssekretär Otto, Sie sind seit kurzem der Maritime Koordinator der Bundesregierung. Welche neuen Akzente werden Sie setzen?

Der Ansatz der Bundesregierung, durch die Koordinierung der maritimen Politik und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen die Entwicklung in den maritimen Bereichen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen, hat sich bewährt und ist – das kann man nach fast 10 Jahren behaupten – erfolgreich.

Meine Aufgabe sehe ich zuvorderst darin, Aktivitäten und Maßnahmen zu koordinieren und zu bündeln, die dazu beitragen, die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft in den Bereichen Schiffbau, Meerestechnik, Seeschifffahrt und Hafenwirtschaft zu verbessern. Das schließt insbesondere auch ein, durch eine mehr moderierende Rolle Abstimmungsprozesse über in der Zuständigkeit verschiedener Ressorts liegende Politikansätze zu unterstützen und zu beschleunigen. Die maritime Wirtschaft ist bekanntermaßen von der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Folgen besonders hart getroffen.

Deshalb stehen gegenwärtig Maßnahmen zur aktuellen Krisenbewältigung bzw. Krisenüberbrückung ebenso wie die Umsetzung von Vorschlägen zur Strukturverbesserung und Marktanpassung der maritimen Branchen bei mir ganz oben auf der Agenda. Wichtig ist, bei der Gestaltung der operativen Rahmenbedingungen für die maritime Wirtschaft eine in sich konsistente Politik zu machen. Deshalb halte ich die Fortsetzung eines kontinuierlichen, intensiven Dialogs mit allen beteiligten »maritimen Playern« aus Bund, Ländern und Wirtschaft für unerlässlich. Die Nationalen Maritimen Konferenzen haben sich in dieser Hinsicht als wichtigstes maritimes Wirtschafts- und Politik-Forum etabliert. Daran werden wir festhalten und die Konferenzen – wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vereinbart – im Zweijahresrhythmus fortführen. Darüber hinaus habe ich künftig auch regelmäßige »Branchengespräche« in den maritimen Bereichen geplant.

Mein Eindruck ist, dass gerade in der jetzigen schwierigen Lage von der Bundesregierung Koordinierung und Unterstützung erwartet wird und dass dem Maritimen Koordinator diesbezüglich eine wichtige Rolle zukommt.

Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung der Schiffbauindustrie zu, einmal für Deutschland und auch für Europa?

Mit Blick auf die Exportorientierung unserer Volkswirtschaft und dem damit verbundenen großen Interesse an wirtschaftlichen und sicheren weltweiten Handelswegen und Güterströmen misst die Bundesregierung der maritimen Wirtschaft, zu der neben dem Seeverkehr und der Hafenwirtschaft auch der wichtige Bereich der Werften und der Schiffbauzulieferindustrie gehört, einen hohen Stellenwert bei. Hinzu kommt die große struktur- und regionalpolitische Bedeutung unserer Werften an der Nord- und Ostseeküste. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der Schiffbau auch für Europa eine wichtige Branche ist. Sie unterstützt deshalb mit Nachdruck die Umsetzung der europäischen Schiffbaustrategie »LeaderSHIP 2015«.

Die Budgets für Schiffbau-Förderprogramme der EU, das FuE-Programm und das Innovationsprogramm werden nicht in Brüssel, sondern in den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegt. Ist die nationale Sicht auf die maritime Industrie noch sinnvoll?

Dass die Budgets der Schiffbauförderprogramme von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegt werden, ist m.E. ein klassischer Fall der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips der EU. In die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen natürlich immer die Grundsatzentscheidungen, ob bestimmte Förderungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Über die Höhe der finanziellen Ausstattung der jeweiligen nationalen Programme muss aber quasi »vor Ort« und nach den nationalen Handlungsmöglichkeiten entschieden werden. Das ergibt sich bei Schiffbau-Förderprogrammen schon aus den unterschiedlichen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten an einer Förderung der Schiffbauindustrie. Es ist ja bekannt, dass aufgrund der schon Mitte der 1970er Jahre einsetzenden dramatischen strukturellen Umbrüche der europäischen Werftenlandschaft heute eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten keine Schiffbaustandorte mehr haben. Meiner Meinung nach sind erhebliche Zweifel angebracht, dass unter diesen Bedingungen die mit Ihrer Frage angeregten EU-Schiffbaubudgets besser und wirksamer von Brüssel aus zentral verwaltet werden könnten, als es auf nationaler Ebene möglich ist.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise des vergangenen Jahres hat die Schiffbauindustrie Europas besonders hart getroffen. Kann Europa auf die Schiffbauindustrie verzichten?

Grundsätzlich kann ich hier eigentlich nicht für Europa sprechen.

Aber ich möchte noch einmal auf die LeaderSHIP 2015-Strategie zurückkommen, die 2003 von der europäischen Schiffbauindustrie ausgearbeitet wurde und von der Politik der EU unterstützt wird, zuletzt auf der LeaderSHIP 2015-High-Level-Konferenz am 11. Dezember 2009 in Bremerhaven.

Ich teile durchaus die Sicht und Bewertung der Europäischen Kommission, die darauf hinweist, dass die europäische Schiffbauindustrie auf Jahrhunderte hervorragender und wegweisender schiffbaulicher Leistungen zurückblicken kann. Der Schiffbau ist mit seinen Werften, Schiffbauzulieferern und -ausrüstern, Fachinstituten an Universitäten und Hochschulen, Konstruktionsbüros und Klassifikationsgesellschaften tatsächlich ein wichtiger Teil der europäischen Industrielandschaft. Die Werften stellen komplexe Produkte her, die eine Vielzahl von Fähigkeiten und ein hohes Maß an wissenschaftlichen Erkenntnissen und intelligente Produktionstechniken in sich vereinigen, also »know how« und Hightech. Der Schiffbau liefert wirtschaftliche und sichere Transportmittel für den internationalen Handel und moderne Schiffe für unsere Marinen. Damit ist der Schiffbau von strategischer Bedeutung für Europa.

In Korea wird eine neue Schiffbauära eingeläutet: der Bau von Kreuzfahrtschiffen. Bisher war das die Domäne der Europäer. Ist die Technologieführerschaft in diesem und in anderen Segmenten, die der europäische Schiffbau für sich reklamiert, in Gefahr?

Zu dieser Frage muss man zuerst einmal die grundsätzliche Antwort geben, dass in einer vom Wettbewerb geprägten Wirtschaft – und in der müssen sich unsere Werften auf dem weltweiten Schiffbaumarkt behaupten – führende Positionen immer unter hohem Wettbewerbsdruck stehen und immer verteidigt werden müssen.

Das wissen die europäischen und deutschen Werften und richten sich darauf ein. Nach meiner Wahrnehmung verstärken sie ihre Anstrengungen hierbei noch deutlich, seitdem sie die Auswirkungen der gegenwärtigen Krise zu spüren bekommen.

Die Verfolgung zielgerichteter Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationskonzepte sind die wichtigsten Elemente der unternehmerischen Strategien der europäischen und deutschen Schiffbauindustrie. Denn mit mehr Investitionen in Produkt- und Prozessinnovationen kann die Innovationsgeschwindigkeit gesteigert werden. Damit können Wettbewerbsvorsprünge länger gehalten und die hochtechnologischen Marktsegmente besser gegen die Konkurrenz verteidigt werden. Ich sehe in Forschung, Entwicklung, Innovation den richtigen Ansatz, um der in ihrer Frage formulierten Gefahr erfolgreich begegnen zu können.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schiffbauindustrie durch politische Lenkung zu verbessern?

Die entscheidenden Weichenstellungen in die richtige Richtung wurden von der Politik ja schon Ende 2003 auf EU-Ebene und dann auch Anfang 2005 auf nationaler Ebene beschlossen. Mit diesen Entscheidungen fanden in der europäischen und deutschen Schiffbaupolitik wichtige Paradigmenwechsel statt: Es wurden jahrzehntelange Auftragssubventionen beendet, durch die erhebliche Mittel aus öffentlichen Haushalten an die Werften geflossen sind. Von diesen profitierten jedoch überwiegend die Auftraggeber. Auf den Werften konnten diese Beihilfen kaum strukturelle Verbesserungen des Standes der Schiffstechnik und Schiffbautechnologie bewirken. Gemäß der Ende 2003 von der Kommission beschlossenen Rahmenbestimmungen für Beihilfen an den Schiffbau erhalten europäische und deutsche Werften jetzt Förderungen nur für ausgewählte wichtige Investitionen in schiffbauliche Forschung und Entwicklung sowie innovative Schiffsbauten und verbesserte schiffbauliche Verfahren, mit denen sie unmittelbar ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

In Deutschland wurden seit 2000 auch sehr gute Erfahrungen mit der Koordinierung der Maritimen Wirtschaft durch einen Ansprechpartner bei der Bundesregierung gemacht. Der von diesem Maritimen Koordinator inspirierte breite und konstruktive Dialog mit allen beteiligten Akteuren, also den Unternehmen, den Gewerkschaften, den Banken und der Politik, hat wichtige Impulse zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unserer maritimen Branchen gebracht. Vielleicht ist das ein Konzept, das auch in anderen europäischen maritimen Wirtschaften erfolgreich anwendbar wäre.

Mit den Schiffbauern im Boot sitzen auch die Reeder, die von der Krise zweifach betroffen sind, durch den Einbruch der Frachtraten und die Schwierigkeiten der Finanzierung von Neubauten, und das selbst am weltweit größten Schiffsfinanzierungsplatz Hamburg. Welche Hilfestellung kann die Politik hier leisten?

In der Tat stellt in der jetzigen Krise die Schiffsfinanzierung für Werften und Reeder ein substantielles Problem dar. Reeder haben nach einigen sehr guten Jahren erhebliche Einbußen bei den Fracht- und Chartereinnahmen hinnehmen müssen. Oftmals decken die Einnahmen nicht die Betriebskosten. Zugleich sind noch zahlreiche Schiffe in den Auftragsbüchern und müssen finanziert werden. Trotz erster Anzeichen einer leichten Marktbesserung in Teilbereichen bleiben aber insbesondere in der Containerschifffahrt die Fracht- und Charterraten aufgrund der Überkapazitäten am Markt und der anstehenden Schiffsneubauauslieferungen weiterhin unter starkem Druck. Somit ist in den kommenden Monaten weiter mit erheblichen Schwierigkeiten bei Finanzierungsfragen, angefangen von dringend erforderlichen Betriebsmitteln zur Überbrückung der Krise bis hin zur Finanzierung bestellter Schiffe, zu rechnen. Über das KG-Modell ist es kaum noch möglich, Eigenkapital einzuwerben. Die Bundesregierung ist sich dieser schwierigen Situation bewusst. Sie stellt deutschen Reedern aus dem Wirtschaftsfonds Deutschland Bürgschaften, die bis zu 90 % des Ausfallrisikos abdecken, und auch Kredite aus dem KfW-Sonderprogramm mit Haftungsfreistellungen bis zu 90 % zur Verfügung. Inzwischen haben auch eine Reihe von Reedern insbesondere von dem KfW-Sonderprogramm Gebrauch gemacht. Ich begrüße dies und setze mich dafür ein, dass diese Förderinstrumente von Reedern und Banken weiter genutzt werden können.

Wie beurteilen Sie und die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Rolle und den Standort der SMM als Leitmesse der globalen Schiffbauindustrie?

Hamburg ist und bleibt ein wichtiges Zentrum der maritimen Wirtschaft in Deutschland und der bedeutendste internationale Schiffsfinanzierungsplatz. Die Hafenmetropole Hamburg hat sich mit ihrem maritimen Flair als idealer Standort der SMM, der weltweit bedeutendsten Leitmesse für Schiffbau- und Schiffbauzulieferindustrie, fest etabliert. Dies zeigt sich auch daran, dass nach Angaben der Messe Hamburg bereits jetzt alle Flächen ausgebucht sind. Das Ausstellungsareal der Hamburg Messe bietet den Entscheidungsträgern des globalen Schiffbaus, Maschinenbaus, der Schiffstechnik und der maritimen Dienstleistungen ideale Möglichkeiten der Begegnung und eines produktiven Gedankenaustausches.

Gerade in Zeiten der Krise stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung einer strukturellen Neuausrichtung, um auch künftig Chancen am Markt zu haben. Die SMM 2010 in Hamburg wird dazu Anregungen geben. Nicht nur durch die Präsentation der neuesten schiffstechnischen Entwicklungen und technologischen Konzepte, sondern auch als eine Plattform für den weltweiten Wissenstransfer, von dem alle Wettbewerber profitieren können.

SMM 2010 – 24. Internationale Schiffbaufachmesse, vom 7. bis 10. September 2010 auf dem Gelände der Hamburg Messe.