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Pünktlich zum 125. Gründungsjubiläum hat die Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH (W.D.R.) ihr neues Flaggschiff »Uthlande« auf der Fährverbindung[ds_preview] Dagebüll-Föhr-Amrum in Dienst gestellt. Die bei der Hamburger J. J. Sietas GmbH & Co. KG gebaute, mit 3.300 GT vermessene Doppelendfähre kann bis zu 75 Pkw und 1.200 Fahrgäste befördern, sie ist mit vier Voith-Schneider VSP 16 Propellern ausgestattet und erreicht eine Dienstgeschwindigkeit von zwölf Knoten.

Die Indienststellung der »Uthlande« kennzeichnet den Beginn einer neuen Ära im Fährdienst zwischen den Inseln Föhr und Amrum und dem schleswig-holsteinischen Festlandshafen Dagebüll: Erstmals kommt auf dieser sowohl für die Inselversorgung als auch für den maritimen Westküstentourismus wichtigen Verbindung ein Doppelendfährschiff zum Einsatz, das im Vergleich zu den bisher eingesetzten Fähren über eine deutlich höhere Fahrzeugkapazität sowie über eine modernere Ausstattung verfügt. »Die Indienststellung unseres Schiffsneubaus trägt zur Qualität der Ferienregion Nordfriesland bei«, betont der Axel Meynköhn, Geschäftsführer der Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum GmbH, »die bequeme Erreichbarkeit der Inseln ohne lange Wartezeiten ist für Urlaubsgäste heute mehr denn je von großer Bedeutung«.

Wegweisender Auftrag für Sietas-Werft

Bisher wurde die Verbindung Dagebüll–Wyk / Föhr–Wittdün / Amrum von fünf konventionellen Fährschiffen bedient: Die beiden größten Einheiten, »Nordfriesland« (Baujahr 1995) und »Rungholt« (Baujahr 1992), verfügen über Kapazität für jeweils bis zu 1.190 Fahrgäste und 55 Pkw. Ergänzt wurden sie durch zwei etwas kleinere Einheiten, die 1985 gebaute »Schleswig-Holstein« (977 Fahrgäste / 55 Pkw) sowie die 1978 in Dienst gestellte »Uthlande« (975 Passagiere / 48 Pkw). Alle vier genannten Schiffe wurden auf der Husumer Schiffswerft gebaut und sind sich im Hinblick auf ihre Bauweise und Raumaufteilung ähnlich: Über dem vorn und achtern offenen Fahrzeugdeck ist ein geräumiges, zweigeteiltes Salondeck mit Gastronomiebereich angeordnet, ein weiterer Passagiersalon sowie die meisten Besatzungsunterkünfte befinden sich im Unterdeck. Zur Aufstellung von Pkw verfügt das Autodeck aller Einheiten über vier Fahrspuren, der Schiffstiefgang beträgt – den Gegebenheiten der Wattfahrt entsprechend – 1,70 bis 1,96 m. Ergänzt wurde die Flotte, die in der geschilderten Zusammensetzung 15 Jahre lang die Versorgung der Inseln Föhr und Amrum sicherstelle, von der 1970 gebauten Autofähre »Insel Amrum«. Dieses offene Fährschiff kam zur Abdeckung von Verkehrsspitzen, zur Bedienung des Güterverkehrs sowie zur Überbrückung von Werftliegezeiten der vier Hauptfähren zu Einsatz.

Im Hinblick auf die strategische Weiterentwicklung ihres Fährdienstes zwischen Dagebüll, Wyk und Wittdün hatte die W.D.R. bereits vor einigen Jahren mit Planungen für ein neues Fährschiff begonnen. Im Spätsommer 2008 sprach sich die Gesellschafterversammlung schließlich mit großer Mehrheit für die Bestellung einer modernen Doppelendfähre aus. In den folgenden Monaten führte die Reederei intensive Vertragsverhandlungen mit verschiedenen Werften in Deutschland, dem osteuropäischen Ausland sowie in Lateinamerika geführt, an deren Ende am 23. April 2009 die Auftragsvergabe an die J. J. Sietas GmbH & Co. KG in Hamburg stand. Für das 1635 gegründete Traditionsunternehmen, das als älteste Schiffswerft Deutschlands gilt, bedeutete die Bestellung des Neubaus Nr. 1228 einen wichtigen Meilenstein bei der Umsetzung des neuen Unternehmenskonzepts, in dessen Mittelpunkt eine Modernisierung und Automatisierung der Fertigung sowie die Konzentration auf das zukunftsträchtige Marktsegment des Spezialschiffbaus steht. »Wir haben unsere gesamte Leistungskraft in die Waagschale geworfen«, betonte Geschäftsführer Rüdiger Fuchs anlässlich der Auftragsvergabe, »mit unserem Design-Know-how und unserer neuen industriellen Ausrichtung auf eine kostengünstige Produktion vorgefertigter Blöcke haben wir diesen wichtigen Auftrag gewinnen können«. Gleichzeitig stellte der Bau eines Fährschiffs für Sietas den Einstieg in ein neues Marktsegment dar. Rüdiger Fuchs: »Die Fährschifffahrt passt hervorragend in unsere Strategie, schließlich wollen wir vermehrt Spezialschiffe bauen, die besonderes Know-how für Design und Produktion erfordern«. Gerade im Hinblick auf dieses strategische Bekenntnis wurde der Bau der »Uthlande« von der internationalen Fährfachwelt mit großem Interesse verfolgt. Brennstart war am 29.09.2009, die offizielle Kiellegung erfolgte am 24.02.2010, die Ablieferung an den Auftraggeber schließlich Ende Mai.

Größere Kapazität und hoher Komfort

Von den bisherigen Fährschiffen der W.D.R. unterscheidet sich die vom Germanischen Lloyd klassifizierte »Uthlande« im Hinblick auf ihre Bauart und Raumaufteilung deutlich. Entworfen wurde der 75,88 m lange, 15,80 m breite und 1,75 m tiefgehende Neubau vonm Leeraner Ingenieurbüro Sternkopf nach Vorgaben der Reederei. Das Grunddesign wurde später durch die Sietas-Werft optimiert. Er verfügt über ein an beiden Enden offenes Fahrzeugdeck, das vorn und achtern durch ein hydraulisch betätigtes Visier abgeschlossen wird. Zur Be- und Entladung werden die in allen Anlaufhäfen vorhandenen landseitigen Rampen genutzt, mit eigenen Rampen ist das Schiff folglich nicht ausgestattet. Im Gegensatz zu allen bisherigen W.D.R.-Inselfähren verfügt die »Uthlande« über insgesamt fünf Fahrspuren; durch diese Neuerung war eine deutlich Erhöhung der Fahrzeugkapazität auf 75 Pkw möglich. Neben dem Pkw-Transport hat auch die Beförderung rollender Ladung im Inselfährverkehr nach Föhr und Amrum große Bedeutung, transportiert werden dabei überwiegend begleitete Lastwagen und unbegleitete Lkw-Anhänger. Für dieses Nutzersegment ist die neue »Uthlande« mit einer Gesamtspurlänge von 270 m (Spurbreite 2,50 m) ebenfalls optimal geeignet, ebenso wie ihre Vorgängerschiffe kann sie neben normaler Ladung auch Fahrzeuge mit klassifizierten Gütern befördern. Im Gegensatz zu vielen anderen Insel- und Küstenfähren ist der W.D.R.-Neubau nicht mit einem schiffsmittig angeordneten s.g. »Catering-Schacht« ausgestattet, die Treppenaufgänge und der Personenaufzug für Passagiere sind stattdessen an der einen Seite des Fahrzeugdecks neben der äußersten Fahrspur angeordnet. Diese Aufteilung ermöglicht eine optimale Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Stauraums und erhöht die Flexibilität bei der Beladung des Fahrzeugdecks.

Ihren Fahrgästen bietet die neue Wattenmeerfähre ein hohes Maß an Komfort. Besonders berücksichtigt wurden bei der Konzeption der Innenräume die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Passagiere: Sowohl das Salon- als auch das Sonnendeck ist mit dem geräumigen, beidseitig zugänglichen Personenaufzug vom Fahrzeugdeck aus barrierefrei erreichbar, speziell ausgestattete Sanitäranlagen stehen ebenfalls zur Verfügung. Das Salondeck selbst spricht die Fahrgäste durch seine transparente Gestaltung, die freundliche Farbgebung sowie die großen Panoramafenster an allen Seiten an. Insgesamt finden hier bis zu 650 Fahrgäste einen Sitzplatz, diese Anzahl entspricht gleichzeitig der Winterkapazität des Schiffes. 550 Gästen stehen Plätze im bewirtschafteten Salon zur Verfügung, weitere 100 Fahrgäste können im vorderen Salon ohne Bewirtung Platz nehmen. Über ein modernes, bildschirmgestütztes Fahrgastinformationssystem können Passagieren in allen Teilen des Salondecks wichtige Hinweise gegeben werden, herkömmliche Lautsprecherdurchsagen werden damit wirkungsvoll durch visuelle Kommunikationstechnik ergänzt. Geräumig und einladend ist auch das Sonnendeck vor und hinter dem schiffsmittig angeordneten Deckshaus mit der darauf aufgesetzten Brücke. Modern und freundlich eingerichtet sind die Besatzungsunterkünfte im Unterdeck der »Uthlande«, die im Normalfall mit einer nautisch-technischen Besatzung von sechs Personen sowie sechs weiteren Besatzungsmitgliedern im Cateringbereich fährt. Über einen Fahrgastsalon unter dem Fahrzeugdeck verfügt die neue Fähre nicht mehr, sämtliche für Passagiere zugängliche Einrichtungen befinden sich auf den oberen Decks.

Während alle bisherigen W.D.R.-Fähren mit einem konventionellen Schraubenantrieb ausgestattet waren, verfügt die »Uthlande« über vier Voith-Schneider-Propeller des Typs VSP 16 mit einem Durchmesser von 1,60 m. Der Hauptantrieb besteht aus vier Caterpillar-Maschinen des Typs 3508 mit einer Leistung von je 570 kW. Im Normalbetrieb erreicht die »Uthlande« eine Reisegeschwindigkeit von 12 kn. Dank des modernen Antriebssystems und der Doppelendbauweise lässt sich die neue Fähre wesentlich flexibler manövrieren als ihre Vorgänger. Durch den Wegfall der Wendemanöver wäre theoretisch eine leichte Verkürzung der Fahrzeit zwischen Dagebüll, Föhr und Amrum möglich, da der Neubau jedoch im Takt mit den konventionellen Einheiten »Nordfriesland«, »Rungholt« und Schleswig-Holstein« verkehrt, bleiben die fahrplanmäßigen Überfahrzeiten unverändert. »Wir werden die Geschwindigkeitsreserven der ›Uthlande‹ nutzen, um im Regelbetrieb verbrauchs- und damit emissionsoptimiert zu fahren«, erläutert W.D.R.-Geschäftsführer Axel Meynköhn, »kommt es – zum Beispiel durch im Festlandshafen Dagebüll-Mole verspätet eintreffende Reisezüge – zu Abfahrtsverzögerungen, so kann unser Neubau sie durch eine höhere Geschwindigkeit kompensieren und damit die Aufrechterhaltung des fahrplanmäßigen Schiffsverkehrs sicherstellen«. Einen wichtigen Vorteil stellt der im Vergleich zu den bisherigen W.D.R.-Einheiten geringere Konstruktionstiefgang von nur 1,75 m dar, der ein problemloses Manövrieren auch bei außergewöhnlich niedrigen Wasserständen ermöglicht.

Mit Indienststellung der neuen »Uthlande« wird die namensgleiche Vorgängerin von 1978 aus dem aktiven Dienst abgezogen und zum Verkauf gestellt. Die Einheiten »Nordfriesland«, »Rungholt« und »Schleswig-Holstein« bleiben zusammen mit dem Neubau weiterhin in Dienst, die Zusatzfähre »Insel Amrum« verbleibt als Reserveschiff ebenfalls in der W.D.R.-Flotte.

Neue Hafenlogistik

Parallel zur Indienststellung ihres neuen Flaggschiffs arbeitet die W.D.R. derzeit an der Umsetzung eines neuen Hafenlogistikkonzepts in den Fährhäfen Dagebüll, Wyk und Wittdün, das die konsequente Trennung von Fußgänger- und Fahrzeugverkehr vorsieht. Bei der Konzeption der neuen »Uthlande« wurde dies schiffbaulich bereits berücksichtigt: Über separate Seitenpforten gelangen alle Fahrgäste ohne Fahrzeug direkt auf das Salondeck, das Autodeck dient ausschließlich der Einschiffung von Fahrzeugführern und Fahrzeuginsassen. Die älteren Schiffe der Föhr-Amrum-Linie werden für den seitlichen Einstieg von Fußgängern nachgerüstet, in den drei Anlaufhäfen der Föhr-Amrum-Linie entstehen barrierefreie Seitenrampen. »Mit unserer neuen Hafenlogistik passen wir uns den positiven Erfahrungen anderer Fährbetreiber an«, betont Geschäftsführer Axel Meynköhn, »dort ist die konsequente Trennung von Fußgänger- und Fahrzeugverkehr vielfach seit langem üblich und hat sich vollauf bewährt«. Wesentliche Vorteile sind eine Erhöhung der Sicherheit im Hafenbetrieb sowie eine deutliche Beschleunigung der Be- und Entladung, vor allem an Hochsaisontagen im Sommer mit einen hohen Aufkommen sowohl an Pkw als auch an Ausflugspassagieren ohne Fahrzeug.

Meilenstein zum Jubiläum

Mit dem Einsatz ihrer neuen »Uthlande« hat die W.D.R. ihre Leistungsfähigkeit als Dienstleistungsunternehmen in der schleswig-holsteinischen Insel- und Halligversorgung einmal mehr langfristig gesichert. Die 1885 von 33 Föhrer Bürgern in der Inselhauptstadt Wyk gegründete Reederei betreibt neben den Fährlinien Dagebüll-Wyk-Wittdün und Schlüttsiel-Hooge-Lange-

neß-Wittdün auch Ausflugsfahrten im Nationalpark Wattenmeer sowie den ÖPNV sowohl auf Föhr als auch auf Amrum. Insgesamt befördert die W.D.R. auf ihren Fährstrecken jährlich mehr als 1,75 Mio. Passagiere, 280.000 Pkw und 30.000 Ladungs-

einheiten. Im Busverkehr kommen weitere 790.000 Fahrgäste hinzu. Sämtliche seiner Leistungen erbringt das Unternehmen, das rund 540 Gesellschaftern überwiegend aus der Region gehört, eigenwirtschaftlich ohne jede öffentliche Bezuschussung. Diese Eigenständigkeit will Reedereigeschäftsführer Axel Meynköhn auch in Zukunft erhalten und dabei gleichzeitig sowohl die Qualität als auch die Effizienz der Insel- und Halligversorgung weiter optimieren. »Unser 125. Jubiläum geht mit einem umfassenden Investitionsprogramm einher, das neben der Indienststellung unseres neuen Doppelendfährschiffs auch den Austausch der gesamten Omnibusflotte an Land beinhaltet«, erläutert Meynköhn, »vor wenigen Monaten haben wir sieben werkneue Niederflurbusse erworben, die seither auf Föhr und Amrum im Einsatz sind«.


Dipl.-Kfm. (FH) Frederik Erdmann