Reederei C. Koehn, Stettin / Hamburg (1873–1954)Koehn & Bohlmann, Hamburg (1954–2000)

Mit dem 1798 in Ueckermünde geborenen Kapitän Christoph Ferdinand Köhn begann die maritime Geschichte dieses Familieunternehmens, die bis in das Jahr 2000 reichen sollte.

Kapitän C.F. Köhn betrieb mit zwei eigenen Seglern Handel mit Finnland und den baltischen Ländern. Zudem besaß er in der[ds_preview] Nähe von Ueckermünde eine eigene, gut gehende Ziegelei, die er aber 1868 verkaufte. An ihn erinnert noch heute der Köhn’sche Kanal, der den Transport der Ziegel von der Produktionsstätte zur Uecker ermöglichte. Ein paar Jahre später, im Jahr 1873, gründete Kapitän Carl Koehn seine Schlepp­reederei für den Bereich Stettin-Swinemünde. Es gab hier seinerzeit gerade einen einzigen hölzernen Dampfschlepper. Gebrauchte Fahrzeuge wurden noch nicht angeboten, daher entschloss sich Koehn, bei der Werft Möller & Holberg in Stettin-Grabow seinen ersten Neubau zu bestellen, der »Fritz« heißen sollte. Die Ablieferung des Schleppers mit seiner 50 PS leistenden Verbundmaschine erfolgte 1874. Weitere Neubauten, die größer waren oder eine höherere Maschinenleistung besaßen, kamen in den nächsten Jahren von derselben Werft hinzu: »Carl« 1875, ebenfalls mit 50 PS, aber größeren Abmessungen; »Willy« und »Olga« mit 90 PS 1876 / 77 sowie »Anna« 1879 mit 100 PS. Zehn Jahre nach der Unternehmensgründung erhielt Koehn die 25,52 m lange und 180 PS starke »Minna«. Als der Firmengründer 1891 starb, hinterließ er seinen Söhnen Carl (2) und Willy sieben Schlepper, deren Dienste sowohl von den damals noch zahlreichen Seglern als auch den Dampfern im Stettiner Haff gern in Anspruch genommen wurden. Jahrzehntelang gehörte auch die Reederei Rud. Christ. Gribel (s. HANSA 06/2010) zu den Stammkunden Koehns.

Zur Jahrhundertwende umfasste die Reedereiflotte von C. Koehn zehn Schlepper. Alle waren als Binnenschiffe zertifiziert. Im Jahr 1901 wurde die »Minna« zum Seeschiff umklassifiziert, um sie gelegentlich auch als Ausflugsdampfer einsetzen zu können. Dies geschah zum Beispiel, wenn die Reederei mindestens einmal im Jahr die Großfamilie Koehn sowie alle Angestellten mit ihren Familien zu einer Ausfahrt einlud.

Die Koehn’schen Schlepper wurden im Winter auch zum Eisbrechen eingesetzt. Gestaffelt nebeneinander herfahrend brachen sie eine breite Schneise in das Eis und schafften somit eine freie Fahrrinne für die Seeschiffe.

Carl Koehn (2) starb 1914 und Carl (3) übernahm die Geschäfte der Reederei im Jahre 1918. Über die Zeit während des Ersten Weltkriegs liegen kaum Informationen über das Unternehmen vor. 1925 wurde noch ein Schlepper von den Stettiner Oderwerken geliefert. Es handelte sich bei der »Toni« mit 71 BRT und 320 PS um das bisher größte Schiff der Reederei. Seinen letzten Schlepper erwarb man 1930 aus Hamburg und nannte das 1915 gebaute, mit einer 280-PS-Maschine ausgerüstete Fahrzeug »Willi«.

»Toni« hatte 1944 einen Flugzeugangriff überstanden, allerdings wurde der Schlepperkapitän dabei getötet. Auch für Carl Koehn (3) kam es zu keinem guten Ende. Von Stralsund aus – wohin er die Reederei und ihre Flotte verlagert hatte – versuchte er 1945 mit der »Toni« nach Westen zu flüchten. Er bemerkte aber nicht, dass der Schiffsführer, der wohl Kommunist war, in die entgegengesetzte Richtung fuhr, um ihn den Russen auszuliefern. Zurück in Stettin soll er dann laut Zeugen im August 1945 dort umgebracht worden sein.

Frau und Kinder des Enkels des Firmengründers war bereits zuvor die Flucht nach Hohn bei Rendsburg gelungen.

Wilhelm Bohlmann, der ebenfalls aus Stettin stammte, wo er bei der Reederei Ippen gearbeitet hatte, war nach Hamburg übergesiedelt. Jetzt für die Reederei Johannes Ick tätig, übernahm er ab 1946 auch die Aufgabe, die beiden letzten verbliebenen Schlepper von C. Koehn, »Willi« und »Luise«, zu betreiben.

Das Schleppgeschäft hatte keine große Zukunft und litt unter den Mitbewerbern, die ebenfalls aus dem Osten nach Hamburg gelangt waren. Daher beschloss die Ehefrau Koehns gemeinsam mit dem jetzt bei ihr angestellten Wilhelm Bohlmann, das Familienunternehmen mit in Norwegen angekauften 1.500 tdw Frachtdampfern als Frachtschiffreederei neu aufzubauen. Der erste Dampfer, die »Carl«, wurde im September 1950, die gleichgroße »Hans« im Juni 1952 übernommen – beide waren im Jahr 1921 gebaut worden. 1954 wurde die Firma in Koehn & Bohlmann Reederei KG umbenannt. Im selben Jahr erwarb man einen 1924 gebauten 1.850 tdw großen Dampfer, der nun als »Ingeborg« zusammen mit den anderen beiden Schiffen in der europäischen Trampfahrt hauptsächlich Holz- und Kohletransporte durchführte.

Ihren ersten Frachtschiffneubau übernahm die Reederei von der Schiffbaugesellschaft »Unterweser« in Bremerhaven. Dem 1.660-tdw-Singledecker »Stepenitz« Anfang 1956 folgte zum Ende desselben Jahres das Schwesterschiff »Jasenitz«. Waren bislang Familienmitglieder Namensgeber der Schiffe, so wurden die folgenden Einheiten mit einer Ausnahme nach Flüssen aus dem Ostseeraum benannt. Den 35 Jahre alten Dampfer »Hans« ereilte im Frühjahr 1956 sein Schicksal, als er nach einem Maschinenausfall vor Bergen auf Grund lief, aufgegeben und später abgewrackt werden musste.

Der schlechte Frachtenmarkt Ende der 1950er Jahre führte zu der Entscheidung, die älteren Einheiten »Carl« und »Ingeborg« zum Abbruch zu verkaufen. Auch die »Fuhlsbüttel«, ex »Helga Böge«, ein 3.558 tdw großer Quarterdecker aus der Flotte der zuvor zusammengebrochen Reederei Johann M.K. Blumenthal, wurde aufgrund der schlechten Marktlage 1964 abgebrochen. Dieses Schiff war erst im Jahre 1959 von Koehn & Bohlmann erworben und nach dem Wohnsitz des Eigners, dem Hamburger Stadtteil Fuhlsbüttel, benannt worden. Zu Beginn der 1960er Jahre erweiterte die Reederei ihre Flotte um zwei weitere Singledecker (1961 die »Wakenitz« ex »Eduard Becker« und 1964 die »Regnitz« ex »Fidentia«) und verfügte somit über vier etwa gleichgroße Typschiffe. Toni Koehn war mittlerweile aus der Firma ausgeschieden, die nun allein von Wilhelm Bohlmann weitergeführt wurde. Die im Jahr 1965 an norwegische Eigner veräußerte »Wakenitz« wurde schon im folgenden Jahr durch den Erwerb eines ähnlichen Schiffes aus Dänemark ersetzt, das denselben Namen erhielt.

Ende 1966 erhielt die Reederei von der Elsflether Werft mit der »Pöteniz« wieder einen Neubau. Das Schiff war ein 1.922 tdw Zwischendecker, der 1970 von den Lübecker Flender-Werken auf 2.741 tdw vergrößert wurde. Auch die beiden älteren Singledecker hatte man zwischenzeitlich verlängern lassen. Die erste »Jasenitz« wurde 1972 verkauft und durch einen Neubau gleichen Namens von der Scheepswerf der Gebr. van Diepen in Waterhuizen am Winschoterdiep ersetzt. Das Schiff passte mit seinen 2.820 tdw gut in die neue Größenklasse.

Die »Regnitz« verkaufte Koehn & Bohlmann 1971 nach Griechenland, charterte das Schiff aber langfristig zurück. Dieselbe griechische Reederei erwarb 1974 auch die »Wakenitz«. Letztere wurde 1976 durch die »Mette Christensen«, einem Ankauf aus Dänemark, ersetzt, der wiederum den Namen »Wakenitz« erhielt und bei der Meyer-Werft in Papenburg eine Vergrößerung von 2.730 tdw auf 3.000 tdw erfuhr.

Nach mehr als zehn Jahren ohne Veränderung kam 1988 wieder Bewegung in die Reedereiflotte: Die »Pötenitz« wurde an einen Hamburger Reeder verkauft. Als Ersatz erwarb Koehn & Bohlmann einen 2.787 tdw großen Frachter aus den Niederlanden, der die zweite »Stepenitz« in der Reedereigeschichte wurde. Sie blieb neben eingecharterter Tonnage das einzige eigene Schiff der Flotte. »Jasenitz« und »Wakenitz« wurden 1996 nach Syrien bzw. in die Ukraine veräußert. Auch von dem 2.890 tdw großen, 1982 von J. J. Sietas gebauten und Anfang 1995 von portugiesischen Eignern erworbenen Rhein-See-Frachter »Poetenitz« trennte man sich nach vier Jahren wieder. Nachdem auch zwei Monate später mit der »Stepenitz« das letzte eigene Schiff der Reederei verkauft worden war und die Pläne für einen Wiederaufbau der Flotte nicht realisiert wurden, stellte die Gesellschaft, die in letzten Jahren unter der Leitung des Schwiegersohns von Wilhelm Bohlmann gestanden hatte, 2000 ihren Betrieb ein. Alle eigenen 14 Schiffe in der Reedereigeschichte hatte Koehn & Bohlmann ohne fremde Beteiligungen selbst finanziert. Wilhelm Bohlmann verstarb im Jahr 2001.

Dieser Artikel basiert auf der Reihe »Deutsche Reedereien«, Band XXVII, erschienen im Verlag Gert Uwe Detlefsen, Bad Segeberg, www.gud-verlag.de

 

GF