Reederei Jonny Wesch KG, Jork, 1935–1986

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Der Begründer der gleichnamigen Reederei wurde im Jahre 1910 im Alten Land geboren. Durch seinen als Küstenschiffer aktiven Vater kam[ds_preview] er schon früh mit der Seefahrt in Kontakt. Die 110 BRT große »Libelle« der Familie war ein 1930 von W. Holst an der Este gebautes Schiff, auf dem Jonny dann einige Zeit auch selbst fuhr. Während dieser Zeit lernte er zudem die Tochter des Inhabers der Bauwerft kennen, die bald seine Frau werden sollte. So nimmt es nicht wunder, dass der junge Reeder nach der Gründung seines eigenen Unternehmens mit dieser Werft, die seit der Jahrhundertwende Schiffe baute, eng zusammen arbeitete.

Für sein erstes Schiff ging Jonny Wesch einen Kompromiss ein. Da er keinen Segler kaufen wollte, sich ein Motorschiff jedoch nicht leisten konnte, beschloss er, in Bremen eine Baggerschute zu erwerben, die er bei der Werft W. Holst zu einem 220 tdw großen Küstenschiff umbauen ließ. Der Ursprung dieses von ihm auf den Namen »Falke« ge­tauften Schiffes ist nicht ganz sicher zu bestimmen. Wahrscheinlich handelte es sich um eine 400 m³ große bei der Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft gebaute Kastenschute. Der Reeder führte den mit 187 BRT vermessenen kleinen Frachter selbst als Kapitän, bis die Kriegsmarine ihn 1940 requirierte und als Torpedotransportschiff einsetzte. Das Schiff überstand den Krieg, und Jonny Wesch durfte es weiterhin in eigener Regie betreiben. Auf der W. Holst-Werft wurde die »Falke« im Jahre 1949 verlängert und auf 350 tdw vergrößert.

1951 übernahm Jonny Wesch seinen ersten Neubau von der Werft seines Schwiegervaters. Er benannte den 900 tdw Frachter nach seinem ältesten Sohn »Bernd Wesch«, ließ ihn bereits Anfang 1952 auf 1.370 tdw und 1953 durch das Einfügen einer 5.50 m Sektion sogar auf 1.830 tdw, also auf das Doppelte seiner ursprünglichen Tragfähigkeit, vergrößern. Im selben Jahr folgte die 1.120 tdw große, nach seinem zweiten Sohn benannte »Egon Wesch«, und 1956 erhielt er ein Wechselschiff von 1.820/2.489 tdw, das als »Hilda Wesch« in Fahrt kam. Zusammen mit der »Falke«, die noch bis 1965 unter seiner Reedereiflagge fuhr, besaß Jonny Wesch nun eine Flotte von vier Schiffen. Seinen letzten von der Holst-Werft gebauten Frachter, die »Wilhelm Wesch«, übernahm die Reederei im Frühjahr 1958. Sie war praktisch ein Schwesterschiff der »Hilda Wesch«, allerdings kein Wechselschiff mehr. Im darauf folgenden Jahr zog sich sein Schwiegervater aus dem Geschäft zurück, nachdem der Nachbar und Konkurrent J. J. Sietas die Werft übernommen und mit dem Betrieb zusammengelegt hatte.

Von dem Hamburger Kapitän und Reeder Barthold Richters (s. HANSA 2/2008) übernahm Jonny Wesch in der Folgezeit jeweils vier relativ neue, auf der VEB Schiffswerft »Neptun« in Rostock gebaute Schiffe. Die beiden 1961 abgelieferten exakten Schwestern »Kirsten Wesch« und »Heinrich Wesch« mit 1.680/2.980 tdw stießen 1963 bzw. 1964 zur Flotte. Die mit 4.130 tdw bzw. 4.600 tdw größeren Einheiten »Egon Wesch« (2) und »Bernd Wesch II« übernahm er 1965 bzw. 1966.

Anfang der 1970er Jahre erweiterte Jonny Wesch seine Reedereiflotte um vier baugleiche Wechselschiffe von 3.470/5.430 tdw auf insgesamt zehn Schiffe. »Anna Wesch«, »Gerd Wesch«, »Hermann Wesch« und »Peter Wesch« bekamen die Eisklasse E2 des GL, hatten ein Laderaumvolumen von 278.000 cft und waren mit 2 x 8 t, 1 x 20 t und 1 x 50 t Velle-Ladegeschirr gut ausgerüstet.

Hatte die Familie Wesch zuvor alle Schiffe selbst finanziert, so wurden diese letzen vier von der Schiffs- und Bootswerft Schüren­stedt gelieferten Schwestern für Einschiffs-Gesellschaften mit Mitteln des Kapitalmarktes gebaut.

Mitte der 1970er Jahre folgte die Reederei dem aufkommenden Trend und bestellte zwei Neubauten in Japan. Die Yamanishi-Werft in Ishinomaki lieferte 1976 den 8.182 tdw Singledecker »Kirsten Wesch« (2) und das 6.305/8.515 tdw große Wechselschiff »Hilda Wesch« (2) 1977 an die Partenreederei Wesch ab. Dieser Mehrzweckfrachter bot Platz für 314 TEU und war mit drei 30-t- und zwei 50-t-Thomson-Mastkranen bestückt. Kombiniert konnte er Lasten bis 100 t heben.

1977 starb Jonny Wesch im Alter von 67 Jahren. Seine beiden Söhne Bernd und Egon führten die Reederei weiter und bauten sie aus. Von »Falke« und »Egon Wesch« (1) hatte man sich bereits 1965 getrennt, »Bernd Wesch« war 1967 nach einer Kollision vor der französischen Küste mit einer Ladung Getreide auf dem Weg nach El Jahida gesunken.

Der steigende Kostendruck seit Beginn der 1970er Jahre hatte die Reederei bewogen, einige ältere Einheiten nach Zypern auszuflaggen. Gemeinsam mit anderen Hamburger Reedern gründete man die Hanseatic Shipping Co. Ltd., Limassol, welche die ausgeflaggten Schiffe bereederte. Von der Reederei Wesch waren dies die »Hilda-«, »Kirsten-«, »Heinrich-«, Egon-« und »Bernd Wesch II«.

Von der Weser Schiffahrts Agentur in Brake erwarb man 1978 für eine Partenreederei mit der »Weser Exporter«, einem 1972 gebauten Wechselschiff mit 2.785/4.580 tdw, noch einmal ein kleineres Schiff, das »Gabriele Wesch« genannt wurde. Ein Jahr später übernahm man die »Wilhelm Wesch«, ein von der in Konkurs gegangenen Reederei Barthold Richters 8,236/10.941 tdw großen Wechseldecker, der zum neuen Flagschiff der Reederei avancierte.

Es folgte eine Serie von vier bei der Howaldtswerke / Deutsche Werft AG gebauten 10.800 tdw-Schiffen, die für 590 TEU (266 TEU davon unter Deck) konzipiert und mit großen Luken sowie leistungsfähigem Ladegeschirr ausgestattet waren. Neben zwei 16,4 t Zwillingskranen, die im Tandembetrieb 32 t heben konnten, besaßen sie je einen 180 t Stülckenbaum, der sie für Schwergut- und Projektladung prädestinierte. Die Frachter wurden 1979 (»Sandra Wesch« und »Christian Wesch«) und 1980 (»Jonny Wesch« und »Magdalena Wesch«) an die Reederei abgeliefert. Ebenfalls im Jahr 1980 übernahm man die »Mascareignes« (ex »Weser Dispatcher«) von der Josef Roth Reederei noch ein 2.673/4.454 tdw großes Mehrzweckschiff, das den Namen »Heinrich Wesch« erhielt. Von diesem Schiff trennte man sich allerdings bereits 1982 wieder und veräußerte es an eine Reederei in Singapur.

Die Reederei setzte nach der guten Erfahrung, die sie mit der Werft gemacht hatte, ihre Zusammenarbeit mit HDW für den Bau von drei weiteren, jedoch erheblich größeren Einheiten fort. Im Herbst 1982 wurde mit der »Rebecca Wesch«, einem OBC (Ore-Bulk-Containerschiff) mit einer Ladekapazität von 25.160 tdw und 1.320 TEU ein neuer Schiffstyp der Werft geliefert. Vom Typ OBC 25 wurden insgesamt zwölf Frachter gebaut. Die drei Wesch-Schiffe unterschieden sich durch eine etwas höhere Containerkapazität und ihre vier Hägglund-Krane mit 36 t Hebefähigkeit von ihren Schwesterschiffen mit nur 25-t-Geschirr. »Gabriele Wesch« (2) und »Karsten Wesch« erhielt die Reederei im Jahr 1983. Letztere war mit 25.855 tdw und 1.378 TEU etwas größer als ihre Vorbauten. Die Schiffe ließen sich sowohl in der Massengut- als auch in der Containerfahrt erfolgreich einsetzen. Höhere Erträge waren allerdings mit dem Transport von Boxen erzielen.

Die »Karsten Wesch« sollte gleichzeitig der letzte Neubau der Hamburger Howaldtswerke sein, da die Werft ihren Schiffbau in Hamburg aufgab. So kam es beim Stapellauf dieses Schiffes auch nicht mehr zu einer traditionellen Taufzeremonie, sondern an Stelle der üblichen Glückwünsche und Hurrarufe buhten die etwa 2.000 Mitglieder der versammelten Belegschaft lautstark, als der Schiffsrumpf zu Wasser glitt. 1983 war ein schlechtes Jahr für den deutschen Schiffbau.

Nachdem die Reederei ihre Geschäftsräume von Hamburg nach Jork zurückverlegt hatte, gab sie in Kooperation mit der Firma Contship in der Schweiz noch einmal vier Neubauten in Auftrag. Die Schweizer Gesellschaft bot der Reederei eine Fünfjahres-Charter für vier Containerschiffe von 1.000 TEU an, die auf der Route vom Mittelmeer zum Mittleren Osten und nach Südostasien eingesetzt werden sollten. Auftraggeber wurde eine Contship-Tochtergesellschaft, während man die Jonny Wesch KG mit der technischen Aufsicht sowie der Bereederung betraute. Gebaut wurden die vier Schiffe auf der Bremer Vulkan Werft. 1985 kamen die ersten drei der insgesamt vier Einheiten noch als Wesch-Schiffe zur Ablieferung: »Proud Eagle«, »Noble Eagle« und »Bold Eagle«. Die 12.500 tdw großen Schiffe für 1.021 TEU waren mit 5.999 BRT vermessen, der so genannten »Paragraphen-Vermessung«. Die »Brave Eagle« gelangte im Oktober 1985 zur Ablieferung, kam aber nicht mehr unter der Reedereiflagge von Wesch in Fahrt.

Betrieb die Reederei Jonny Wesch KG 1985 zu ihrem 50. Jubiläum noch eine Flotte von 15 Schiffen, ereilten sie schon bald erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Ein abstürzender Frachtenmarkt und der steigende Kostendruck führten dazu, dass ihre Gläubigerbanken ein Schiff nach dem anderen an die Kette legen ließen, nachdem sich auch zu »Schnäppchenpreisen« keine Käufer für sie gefunden hatten.

Im November 1986 ging die »Black Hawk« ex » Rebecca Wesch«, nach ihrer Versteigerung zur Bereederung an die NSB Niederelbe Schiffahrts GmbH. Das Schiff war im Mai 1985 noch als »Norasia Rebecca« unter Zeitcharter im Persischen Golf eingesetzt worden, wo Krieg zwischen dem Iran und dem Irak herrschte. Vor der Küste von Katar wurde es Ziel eines Raketenangriffs, bei dem glücklicherweise nur ein Ballasttank getroffen worden war und niemand von der Besatzung zu Schaden kam. Wäre die Rakete in eine nur wenige Meter weiter gelegene Brennstoffleitung eingeschlagen, hätte es fatale Folgen gehabt. Die »Karsten Wesch«, die jetzt »Black Falcon« hieß, gelangte ebenfalls – allerdings ohne Zwangsversteigerung – an die Buxtehuder Reederei.

Die Gesellschaft stellte damit ihren Reedereibetrieb ein. Bernd Wesch betätigte sich noch einige Zeit als Schiffsmakler. Pläne, mit Neubauten aus China wieder in die Bereederung von Schiffen einzusteigen, haben sich – soweit dem Verfasser dieses Artikels bekannt– nicht realisiert. Bernd Wesch verstarb im Jahre 2002 im Alter von nur 55 Jahren.