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Die diesjährige Großmotorentagung der AVL stand zwangsläufig unter dem Einfluß einer großen Konkurrenz. Der CIMAC-Kongress findet alle drei Jahre[ds_preview] statt – in diesem Jahr in Bergen (vgl. HANSA 5/2010, Seite 22 ff.) – und die AVL-Tagung alle zwei Jahre. Damit führt der ungleiche Rhythmus in jedem sechsten Jahr zu einer unmittelbaren Konkurrenz. Darauf hatten sich die Verantwortlichen in Graz eingestellt. Unverändert ist diese Veranstaltung ein Treffpunkt der weltweiten Großmotorenindustrie im weitesten Sinne. Der diesjährige Tagungsschwerpunkt, vorgegeben nur in englischer Sprache, lautete »Life Cycle Quality«. Dabei ging es in vielen Referaten um die Sicherung der Qualität eines Motors über dessen gesamte Lebensdauer.

Mit diesem Thema ist die AVL über ihre täglichen Aufgaben eng verbunden. So konnten gleich mehrere Referenten des Instituts aktuell aus ihrer Tagesarbeit berichten. Vor dem Hintergrund der Reduzierung von Emissionen und Kraftstoffverbrauch wurden Wege aufgezeigt, wie Zuverlässigkeit dennoch gesichert werden kann. Neben der AVL hatten Motorenhersteller und Zulieferer ihre Vorstellungen hierzu vorgetragen. Welche Rolle die Sicherung der lebenslangen Zuverlässigkeit von Großmotoren spielt, wird sofort klar, wenn man weiß, dass die meisten großen Containerschiffe und Tanker mit nur einer Hauptmaschine fahren.

MAN Diesel & Turbo stellte heraus, dass die Motorenhersteller sich gegenwärtig im Spannungsfeld der internationalen Regelwerke zur Begrenzung von Schadstoffemissionen, der Kundenwünsche nach maßgeschneiderten Systemlösungen und einem entsprechenden Preisdruck befinden. Darüber hinaus besteht gleich für mehrere Motorenhersteller ein abso­luter Zwang zur Leistungsreduzierung bestimmter Motoren-baureihen, um gegebene Emissionsgrenzwerte einhalten zu können. Dass die Qualität auf allen Stufen der Entstehung eines Motors eine wesentliche Voraussetzung für lebensdauerlange Qualität eines Produktes ist, dürfte jedem klar sein. Entscheidend ist jedoch die ständige Überwachung aller wichtigen Bauteile und Vorgänge im Motor während des Betriebs und die Auswertung entsprechender Messwerte, um zu einer zustandsabhängigen Wartung zu kommen. Gekoppelt mit Wartungsverträgen bieten diese Maßnahmen beste Voraussetzungen einerseits für die Sicherung der Qualität – auch hinsichtlich der dauerhaften Einhaltung von Emissionsgrenzwerten –, andererseits minimieren sie die Betriebskosten.

Zu den wichtigsten Trends für die weitere Entwicklung des Geschäfts mit Großmotoren gehört für Wärtsilä der Motivationswandel bei den Kunden von dem Wunsch nach »Technik« zum Wunsch nach »Nutzen der Technik«, im Sinne von optimierten Systemen, mit denen die Gesamtkosten gesenkt werden können. Der ebenfalls für das Unternehmen zu den Trends gehörenden »Flexibilität« sind zwangsläufig Grenzen gesetzt. Wärtsilä verbindet vordergründig mit der Flexibilität die Möglichkeit zur Verwendung unterschiedlicher Kraftstoffe für einen Motor, vom Flüssigerdgas bis zum Schweröl. Die Grenzen der Flexibilität werden dann erreicht, wenn man die Antriebs­anlage eines Schiffes vom Motor bis zum Propeller auf einen bestimmten Einsatz optimiert, um dabei geringstmögliche Betriebskosten zu erzielen. Das Schiff kann dann zwar immer noch für andere Aufgaben eingesetzt werden, doch ist mit deutlich höheren Betriebskosten zu rechnen, die dann stark von den Durchschnittswerten vergleichbarer Schiffe abweichen werden.

Der technische Aufwand zur Einhaltung von Emissionsgrenzwerten führt auch bei den Großmotoren zu deutlich komplexeren Ausführungen, als sie bislang bekannt waren. Betrachtet man diese Aussage, in der alle Motorenhersteller übereinstimmen, dann ergibt sich daraus eine umfassende Aufgabe zur Sicherstellung der lebenslangen Qualität. Für die zum Teil neuen Bauteile liegen nun mal noch keine jahrzehntelangen Erfahrungen vor, auf die sich die Konstrukteure stützen könnten. Zwar erleichtern die heute verfügbaren Rechenmodelle mit ihren Simulationsmöglichkeiten viele Aufgaben und verkürzen die Prüfstandsversuche mit Bauteilen wie mit Vollmotoren bei der Entwicklung, doch geht auch heute noch nichts über den Feldversuch. Und der braucht viel Zeit.

Wärtsilä hält unter den Trends unter anderem fest, dass die Motorenhersteller in Asien stärker werden. Unabhängig von dieser Aussage kann man sogar sagen, der Großmotorenmarkt findet fast nur noch in Asien statt. Europäische Lizenzgeber und Entwicklungsinstitute haben dafür gesorgt, dass die Motorenhersteller in China, Korea und Japan von Jahr zu Jahr unabhängiger werden. Das betrifft nicht nur den Bereich der Entwicklung, sondern auch den der Produktion. Mit zahlreichen Kooperationen wird dieses Know-how ebenfalls transferiert. Damit stellt sich die Frage, ob die europäischen Motorenhersteller allein mit ihren Bemühungen um Qualität – wie Wärtsilä es sieht – langfristig ihre führende Rolle behalten werden und ihnen eine »profitable Zukunft« sicher ist.

Zustandsabhängige Wartung

Die ersten Ansätze zur kontinuierlichen Überwachung des Motorbetriebs an Bord von Schiffen liegen mehrere Jahrzehnte zurück. Von einem nachhaltigen Erfolg kann in keinem Fall gesprochen werden. Trotz der inzwischen erheblich vereinfachten Datenerfassung und -übermittlung an eine feste Station an Land, zur Auswertung der Messwerte, hat sich diese Art der Zustandsüberwachung noch nicht durchsetzen können. Das ist um so verwunderlicher, als das damit verbundene Potential zur Kostensenkung beträchtlich ist. Angebote hierzu liegen von verschiedenen Seiten vor. Zunächst sind natürlich die Motorenhersteller selbst daran interessiert, entsprechende Anlagen zu verkaufen und Wartungsverträge abzuschließen. Doch auch Institute wie die AVL in Graz bieten entsprechende Systeme an, die nicht nur für neue Antriebsanlagen in Frage kommen, sondern nachgerüstet werden können.

Die Situation an Bord der meisten Schiffe ist jedoch dadurch gekennzeichnet, dass die Motordaten aufgeschrieben und neben anderen täglichen Aufgaben ausgewertet werden. Nur wenige Schiffe verfügen über eine automatische Aufzeichnung und Speicherung der erforderlichen Messwerte. Da die Auswertung von Trends vielfach erst nach mehreren Wochen an Land erfolgt, ist eine zustandsabhängige Wartung, die von einer regelmäßigen Trendanalyse ausgeht, auf dieser Basis nicht möglich.

Wesentliche Bereiche eines Motors, die ständig überwacht werden müssen, sind neben der Verbrennung das Kraftstoffsystem und die Kraftstoffeinspritzung, der bzw. die Abgasturbolader, die Kühlung und Schmierung eines Motors sowie alle dazu gehörenden Hilfssysteme. Voraussetzung für eine ständige Überwachung ist nach Auffassung der AVL eine Diagnose-Plattform für Haupt- und Hilfsmotoren sowie verschiedene Programme zur Überwachung spezieller Bereiche eines Motors. Hierfür hat die AVL ein System zur Überwachung der Motorleistung und zur Optimierung des Motorbetriebs entwickelt, das ständig den Verbrennungsprozess analysiert, den Einspritzvorgang bewertet, die Messungen externer Überwachungsgeräte integriert und eine Trendanalyse durchführt. Von größter Bedeutung sind in diesem Zusammenhang robuste Messwertaufnehmer. Hierzu kann die AVL auf umfang-

reiche Erfahrungen in der Entwicklung und Herstellung verschiedener Aufnehmer verweisen, die sowohl bei Zwei- als auch bei Viertaktmotoren zum Einsatz kommen.

Schaden- und Reparaturmanagement

Der Germanische Lloyd ging in Graz noch einmal auf sein 2002 eingeführtes zentrales Schaden- und Reparaturmanagement ein, dass betroffenen Kunden einige Vorteile bietet. So stehen jederzeit entsprechend qualifizierte Fachleute zur Begutachtung eines Schadens zur Verfügung. Sie schlagen zum Beispiel vorläufige Maßnahmen vor, die den Einsatz des Schiffes bis zur endgültigen Reparatur sichern, um den wirtschaftlichen Folgeschaden in Grenzen zu halten. Darüber hinaus arbeitet der GL neue Reparaturmethoden aus und nimmt selbstverständlich die vorläufigen wie die endgültigen Reparaturmaßnahmen ab. Die saubere Definition von Schaden und Reparatur spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, zumal Schäden auch auf zuvor nicht erkannten Konstruktionsfehlern beruhen können.

Hier entsteht auch ein Zusammenhang mit der Sicherung der lebenslangen Qualität eines Motors, in dem eine Trendanalyse einen zu erwartenden Schaden frühzeitig erkennen lässt und so rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen werden können, um einen Totalschaden zu verhindern. Die weltweit von den Mitarbeitern des GL gesammelten Erfahrungen und der ständige Kontakt mit den Motorenherstellern tragen zweifellos zur steten Verbesserung der Qualität bei. In gewisser Weise zeigt das die Statistik des GL, mit der Schadensfälle und die Zunahme der im Einsatz befindlichen Schiffe gegenübergestellt werden. Während die Zahl der Schiffe zwischen 1997 und 2009 von rund 4.600 auf 7.000 gestiegen ist, zeigt die Statistik der Maschinenschäden keine derartige Zunahme. Ohne Berücksichtigung von Schwankungen nach oben und unten, stieg die Schadenzahl leicht von etwa 800 auf 900 pro Jahr. Wie der GL ausführte, gibt es für den geringen Anstieg keine einfache Erklärung. Einerseits ist davon auszugehen, dass Schiffe in Serien gebaut wurden und damit die Kinderkrankheiten der Motorenanlage, die beim ersten Schiff auftraten, bei den weiteren Schiffen schon beseitigt werden konnten. Andererseits melden die Reedereien vielfach Schäden nicht der Klassifikationsgesellschaft, soweit diese unter Gewährleistungsansprüche fallen – und das kann je nach Motorenanlage drei Jahre der Fall sein – oder im Wert unterhalb der Selbstbeteiligungsgrenze der Versicherungsverträge liegen.

Soweit Schäden von der Klassifikationsgesellschaft registriert werden, führen sie langfristig auf jeden Fall zur Produktverbesserung. Dennoch werden sich Motorschäden auch in der Zukunft nicht völlig vermeiden lassen, denn »Stand-der-Technik« ist noch keine Qualitätsgarantie. Deswegen sind Untersuchungen und Analysen von Schadensfällen von größter Bedeutung für die technische Weiterentwicklung auf diesem Gebiet.


Hans-Jürgen Reuß