Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft mbH, 1935–1951 (1956)

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Mit dem Begriff »Walfang« assoziieren viele die Abenteuergeschichten über »Moby Dick« oder »Käpt’n Ahab«. Heute ist die Jagd auf Wale, die einst vorwiegend zur Gewinnung von Tran als Brennstoff oder industriellem Grundstoff diente, sehr umstritten und durch internationale Abkommen erheblich eingeschränkt. Nur wenige Nationen gehen diesem Geschäft weiterhin nach.

In Deutschland begannen besonders kühne Seefahrer in der Mitte des 17. Jahrhunderts auf Walfang nach Grönland zu gehen; insbesondere aber[ds_preview] auch im Seegebiet vor Spitzbergen. Dort findet sich noch heute die Bezeichnung »Hamburger Bucht«, die Hamburger Walfängern aus dieser Zeit zugesprochen wird. Dennoch führte der gewaltige Aufwand bei relativ geringem Ertrag offenbar dazu, dass in Deutschland bis in die 1930er Jahre so gut wie kein Walfang stattfand. Doch dann sollte sich dies ändern. Durch die Autarkiebestrebungen des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland angestoßen, wollte man die hohe Abhängigkeit von Importen verringern. Nach Einführung der Devisenbewirtschaftung hoffte man außerdem, mit einer eigenen Flotte sowohl die Einfuhr als auch die Preise dieser teuren Rohstoffe selbst kontrollieren zu können. Ein willkommener Nebeneffekt war die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen – ein Umstand, mit dem sich die neuen Machthaber nach der Rekordarbeitslosigkeit im Deutschland der Vorjahre gerne schmückten.

Im Frühjahr 1935 konkretisierten sich die Pläne für eine deutsche Walfangflotte, und die Düsseldorfer Henkel & Cie. gründete die »Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft AG«, die schon bald in eine GmbH mit Sitz in Hamburg umgewandelt wurde. Im zweiten Vierjahresplan des Dritten Reiches (1937–1940) sollte der Walfang dann auch einen gewichtigen Platz einnehmen.

Norwegen, seinerzeit der größte Walöllieferant weltweit, versuchte, die Aktivitäten ausländischer Flotten beim Walfang zu beschränken. Dies erzeugte jedoch wiederum handelspolitischen Druck von deutscher Seite. Trotz eines Verbotes für Norweger, auf ausländischen Schiffen anzuheuern, betrug der Anteil norwegischer Walfänger auf den vier ersten deutschen Expeditionen fast 40 %. Auch in Norwegen herrschte zu dieser Zeit eine hohe Arbeitslosigkeit, und bessere Arbeitsbedingungen auf deutschen Schiffen bewogen die Seeleute, Arbeit in Deutschland anzunehmen. Auch der Versuch des norwegischen Staates, den Bau von deutschen Walfangschiffen zu verhindern, misslang.

1937 wurden zudem drei norwegische Expeditionen, im darauf folgenden Jahr sogar auch eine englische Walfangexpedition für das Deutsche Reich durchgeführt.

Zu den Pionieren des deutschen Walfangs nach dem Ersten Weltkrieg zählten die beiden Kapitäne Otto Kraul und Carl Kirchheiss sowie der Unternehmer Walter Rau. Otto Kraul war einer der wenigen Deutschen, die mit dem modernen Walfang Erfahrung hatten. Er war Schütze und Fangleiter in Argentinien und auf Südgeorgien gewesen. Später betätigte er sich für eine sowjetische Walfanggesellschaft, bevor er aus Deutschland den Auftrag bekam, mit der »Jan Wellem« die erste Expedition der Ersten Deutsche Walfang-Gesellschaft mbH in die Antarktis zu leiten.

Carl Kirchheiss fuhr während des Ersten Weltkrieges auf dem deutschen Hilfskreuzer SMS »Seeadler« unter dem Kommando von Felix Graf von Luckner. Um 1931 nahm er an mehreren Reisen in die Antarktis sowie an die Westküste Amerikas teil und arbeitete auf einem norwegischen Walfangschiff. Er setzte sich mit zahlreichen Vorträgen für den deutschen Walfang ein und bekam 1935 eine leitende Position in der Reederei.

Die »Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft mbH« ließ 1936 das 15.000 tdw große Turbinenschiff »Württemberg« der HAPAG bei Blohm & Voss zum Walfangmutterschiff »Jan Wellem« umbauen. Es konnte 11.000 t Walöl aufnehmen, hatte Kapazität für 2.000 t Trockengut und führte seine Expeditionen mit 250 Mann Besatzung und zunächst sechs Fangbooten (»Treff I« – »Treff VI«) durch. Vier von ihnen wurden von H. C. Stülcken Sohn in Hamburg geliefert, die anderen beiden von der Seebeck Werft in Bremerhaven.

Walter Rau, der Eigentümer einer Ölmühle in Neuß am Rhein, wollte mit der Gründung der Walter Rau Walfang AG seine Wertschöpfungskette erweitern. Mit Unterstützung der deutschen Regierung ließ er das Walfangmutterschiff »Walter Rau« mit zunächst acht Fangschiffen (»Rau I bis Rau VIII«) bei der Deutschen Werft in Hamburg bauen.

Die »Walter Rau« war damals das weltweit am besten ausgestattete Walfangmutterschiff. Es lief in der Saison 1937/38 erstmals zum Fang in die Antarktis aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das im Krieg beschädigte Schiff repariert und modernisiert und ging 1948 als Reparationsleistung an Norwegen. Es wurde von der Kosmos A/S übernommen und auf den Namen »Kosmos IV« umgetauft. Dies war das einzige und letzte norwegische Fangschiff, das in der letzten Fangsaison 1967/68 in der Antarktis Walfang betrieben hat. Das Schiff wurde später an Japan verkauft. Das 1939 bei der Werft Seebeck in Wesermünde gebaute Fangboot »Rau IX« ist heute, nach über 30jähriger Dienstzeit – zunächst als Fangschiff und dann im Krieg als U-Boot-Jäger, Vorpostenboot und Minenräumer, dann wieder als Walfänger in Norwegen und Island –, Museumsschiff beim Deutschen Schiffahrtsmuseum Bremerhaven.

Das Walfangschiff »Unitas« wurde 1936/37 für die Jürgens-van den Bergh Margarnine-Verkaufs-Union GmbH, Berlin, bei der AG Weser in Bremen gebaut und an die »Deutsche Walfang-Gesellschaft Hamburg« verchartert. Seine Tonnage von 21.845 BRT machte es zum weltgrößten Walfänger vor dem Krieg. Die Fangboote »Unitas I–VIII« waren Nachbauten englischer Boote. 1945 wurde die »Unitas« als Reparationsleistung an Großbritannien übergeben und auf den Namen »Empire Victory« umgetauft. Später wurde das Schiff an die Union Whaling Company in Südafrika verkauft und auf den Namen »Abraham Larsen« (1950–57) umgetauft; 1957 ging sie nach Japan und bekam den Namen »Nisshin Maru No. 2«.

In der Fangsaison 1936/37 fingen die norwegischen Fabrikschiffe C.A. »Larsen« und »Skytteren« das erste Mal für eine deutsche Reederei. Die deutsche Margarinenindustrie gründete die Margarine-Rohstoff-Beschaffungsgesellschaft (MRBG) und ging mit zwei norwegischen Walfanggesellschaften eine Partnerschaft ein. Die Deutschen besaßen 40 % der Aktien an den Gesellschaften A/S Blaahval und A/S Finhval.

1937 erwarb die Deutsche Ölmühlen Rohstoffe GmbH in Berlin das norwegische Fabrikschiff »Sydis« und taufte es auf den Namen »Südmeer« um. Ein Jahr später kaufte das Ölmühlen Walfang Konsortium das in England gebaute Fangschiff »Vikingen« und gab ihm den Namen »Wikinger«. Carl Kirchheiss fuhr 1939 für 90 Tage als Kapitän auf diesem Schiff.

Der Betrieb aller vier Kochereien, nämlich der »C. A. Larsen«, »Skytteren«, »Südmeer« und »Wikinger«, wurden von dem Hamburger Walfang-Kontor GmbH koordiniert. Die Kochereien »Jan Wellem«, »C. A. Larsen« und »Skytteren« waren drei Fangperioden lang für deutsche Reedereien (1936/37 bis 1938/39) im Einsatz. »Walter Rau«, »Unitas« und »Südmeer« fingen in der Saison 1937/38 und 1938/39 für Deutschland, die »Wikinger« nur in der Saison 1938/39.

Im Frühjahr 1939 endete der selbständige deutsche Walfang. Insgesamt waren sieben deutsche Mutterschiffe mit 56 Fangbooten zum Wahlfang ausgelaufen. Damit war Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg zur drittgrößten Walfang-Nation aufgestiegen. Die Anzahl der weltweit jährlich erbeuteten Wale soll zum Ende der 1930er Jahre über 50.000 betragen haben, etwa 15.000 davon schrieb man Deutschland zu.

Im Krieg wurden die Schiffe und Boote der deutschen Walfangflotte umgebaut und für die Verwendung durch die Kriegsmarine umgerüstet.

Die Situation des Walfangs in Deutschland nach 1945

Der ehemalige Direktor der Ersten Deutschen Walfang-Gesellschaft mbH, Dietrich Menke, unternahm nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Versuche, wieder in den Walfang einzusteigen, was ihm jedoch von den Alliierten untersagt wurde. Zudem musste er erkennen, dass sich Henkel aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht erneut am Walfanggeschäft beteiligen würde – die Expeditionen vor dem Krieg hatten dem Unternehmen nicht den erwarteten Erfolg beschieden. Auch konnte der Rohstoffbedarf nach dem Krieg anderweitig gedeckt werden. Zudem hätte, selbst nach der Aufhebung der Schiffbaubeschränkungen im Jahr 1951, der Neubau eines so komplexen Schiffes wie der eines Walfangmutterschiffes auf einer deutschen Werft etwa zwei Jahre gedauert. Jetzt trat der griechische Reeder Aristoteles Onassis auf den Plan. Er hatte nach dem Krieg eine Anzahl Tanker erworben und ließ einen Walfänger umbauen, dem er den Namen »Olympic Challenger« gab. Die benötigte Mannschaft sowie ausgebildete Fachleute rekrutierte er aus ehema-

ligen deutschen Walfängern. Die Erste Deutschen Walfang-Gesellschaft mbH beauftragte er Ende 1949 damit, den Umbau des Tankers bei den Kieler Howaldtswerken zu leiten und danach die Flotte, die aus dem Mutterschiff und 16 Fangbooten (ehemalige Korvetten) bestand, zu bereedern. Diese liefen dann im Herbst 1950 zu ihrem ersten Einsatz aus. Onassis Walfangexpeditionen hatten weltweit großes Aufsehen erregt, da sie Wale ohne Rücksicht auf internationale Abkommen, Fangquoten, Mindestgröße der Tiere und Fanggebiete gejagt hatten. Trotz insgesamt drei erfolgreich verlaufender Expeditionen entschied er, seine Flotte zur Fangsaison 1953/54 nicht mehr auslaufen zu lassen. Sie wurde später nach Japan verkauft. Für die Erste Deutsche Walfang-Gesellschaft mbH endete damit auch ihre Tätigkeit in diesem Geschäftsfeld, nach dem sie sich benannt hatte, wenngleich sich das Unternehmen bis zur Auflösung im Jahr 1956 auch weiterhin als Bereederer von Fischereifahrzeugen sowie Kühl- und Frachtschiffen für die Persil Gesellschaft mbh, Düsseldorf, betätigte.


GF