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Einleitung

Energieerzeugungs- und Verteilungssysteme in Mittelspannungstechnik sind ausgerichtet auf den wachsenden Energiebedarf auf Schiffen. Vor allem auf dieselelektrisch angetriebenen[ds_preview] Schiffen mit hohen Antriebsleistungen wie z.B. auf Kreuzfahrtschiffen ist dies Standard. Die dort installierte Generatorleistung erreicht teilweise 100 MVA. Die installierte Antriebsleistung von über 20 MW pro Einzelantrieb macht den Einsatz der Mittelspannungstechnik erforderlich. Die Grenze bei Niederspannungsantrieben liegt bei ca. 5 MW. Die Systemspannung beträgt üblicherweise 6.6 kV oder 11 kV. Seltener wird 4.18 kV (in Nordamerika) verwendet. Mit wenigen Ausnahmen beträgt die Frequenz 60 Hz. Es werden aber auch Anlagen mit 50 Hz realisiert.

Ein weiteres Anwendungsgebiet sind große Containerschiffe, die für die Versorgung einer hohen Anzahl von Kühlcontainern ausgelegt sind. ISO 1496-2 gibt die maximale Leistung eines Kühlcontainers mit 18,75 kVA an. Die mittlere Leistung beträgt 6,6–7,5 kW pro Kühlcontainer. Für je 100 dieser Kühlcontainer werden also 1,875 MVA Spitzenleistung benötigt. Große Containerschiffe besitzen teilweise Plätze für mehr als 1.000 Kühlcontainer.

Für den Betreiber von Mittelspannungsanlagen geht eine geringere Gefahr als von Niederspannungsanlagen aus. Mittelspannungsanlagen haben höhere Anforderungen an die Sicherheit. Es sind mehr Vorschriften zu erfüllen. Die Bediener haben mehr »Respekt« vor der Mittelspannung und sind deshalb vorsichtiger. Mittelspannungsschaltanlagen werden auf Störlichtbogenfestigkeit geprüft. Bei Niederspannungsschaltanlagen ist diese Prüfung nicht erforderlich (Schifffahrt. 1).

Konfigurationen

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten für Konfigurationen von den Verteilungssystemen. Die Hauptschalttafel muss gemäß SOLAS und Klassevorschriften in mindestens zwei Abschnitte teilbar sein. Eine erhöhte Sicherheit kann dadurch erreicht werden, dass die Abschnitte in getrennten Räumen aufgestellt werden. Jeder der Abschnitte wird durch mindestens einen Generator versorgt. Durch die räumliche Trennung hat zum Beispiel ein Brand oder Wasserschaden in einem der Räume keinen Einfluss auf den anderen Raum. Die elektrische Versorgung der Verbraucher kann damit auch nach einem Fehlerereignis sicher gestellt werden.

Die Verbindung zwischen den Abschnitten wird durch Überleitungen oder Sammelschienenkupplungen realisiert. Eine Überleitung verbindet beide Abschnitte, die in getrennten Räumen stehen.

Die Sammelschienenkupplung besteht aus einem Leistungsschalter und einer Trennstelle. Die Kabelstrecke für die Sammelschienenkupplung ist sehr kurz. Meistens wird sie innerhalb der Schaltanlage ausgeführt. Sollte es zu einem Fehler im Leistungsschalter kommen, kann nach Abschaltung der Energieversorgung die Trennstelle geöffnet werden und der nicht betroffenen Abschnitt wieder in Betrieb gehen.

Bei Überleitungen sind die Kabelstrecken hingegen meist sehr lang. Ein Kurzschluss auf dem Kabel durch eine Beschädigung kann nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund werden auf beiden Seiten des Kabels Leistungsschalter eingesetzt. Beispielhaft ist in Schifffahrt. 2 die Konfiguration eines Containerschiffes dargestellt.

Die Hauptschalttafel ist in zwei Abschnitte aufgeteilt. Die Abschnitte sind mit einer Sammelschienenkupplung verbunden. Die Verteilung der Energie zu den Abgängen der Transformatoren für Kühlcontainer geschieht über so genannte Ring Main Units (RMU). Diese RMU sind kleine Schaltanlagen, die dezentral im Schiff aufgestellt sind. Hierdurch verringern sich die Kabelstrecken zu den einzelnen Transformatoren. Die RMU können von beiden Abschnitten der Hauptschalttafel gespeist werden. Allerdings ist es nicht gestattet, die RMU gleichzeitig aus beiden Abschnitten zu versorgen. Hierdurch entsteht eine Ringstruktur. In einer Ringstruktur kann bei einem Kurzschluss innerhalb des Ringes die Selektivität nicht sichergestellt werden, da sich der Kurzschlussstrom unberechenbar aufteilt. Ein kurzzeitiges Schließen des Ringes kann gestattet werden, wenn zum Beispiel die Spannungsversorgung von einem Abschnitt auf den anderen umgeschaltet werden soll. Allerdings ist hierbei durch eine Automatik sicherzustellen, dass der Ring an einer bevorzugten Stelle nach einer kurzen Zeit automatisch wieder getrennt wird, sofern der Betreiber den Ring nicht selber geöffnet hat.

Passagierschiffe haben höhere Anforderungen an die Verfügbarkeit (SOLAS: »Safe return to port requirement«). So kann die Hauptschalttafel zum Beispiel in vier Abschnitte geteilt werden. Ein Abschnitt ist mit zwei weiteren verbunden, so dass auch hier ein Ring entstehen kann. Auch hier gilt, dass der Betrieb mit geschlossenem Ring nicht zulässig ist. Normalerweise ist eine Sammelschienenkupplung geöffnet. Sollte in einem Abschnitt ein Problem auftauchen, sind noch drei Abschnitte verfügbar.

Bei obigem Beispiel handelt es sich um ein Schiff mit elektrischer Fahranlage. Die Fahranlage besteht aus zwei Wellen, die jeweils von einem Synchronmotor angetrieben werden. Jeder Synchronmotor besitzt zwei Wicklungssysteme, die von einem eigenem Stromrichter gespeist werden. Fällt ein Abschnitt der Schaltanlage aus, stehen immer noch ¾ der Fahranlage zur Verfügung.

Kurzschlussstromberechnung

Die Kurzschlussstromberechnung soll zeigen, dass die gewählte Schaltanlage in der Lage ist, den höchsten zu erwartenden (worst case) Kurzschlussstrom sicher zu beherrschen. Neben der Auslegung der Schalttafel hinsichtlich ihrer dynamischen Festigkeit dient die Kurzschlussrechnung als Basis für die Selektivitätsbetrachtung für die Einstellwerte der Schutzgeräte.

Grundlage für die Kurzschlussstromberechung auf Schiffen ist die Norm IEC 61363-1. Auf dem Markt sind unterschiedliche Programme erhältlich, mit denen die Kurzschlussströme berechnet werden können. Ein einfaches Programm ist zum Beispiel beim Germanischen Lloyd zu beziehen.

Mit umfangreicheren Programmen sind die Einflüsse der Niederspannung auf die Mittelspannung sowie umgekehrt berechenbar. Ein solches Programm ist zum Beispiel PSS®SINCAL.

Üblicherweise wird das zu untersuchende Netz über einen grafischen Editor eingegeben und mit Parametern versorgt. Nach dem Start der Berechnung werden die Rechenergebnisse für alle eingegebenen Knoten angezeigt.

Schifffahrt. 4 zeigt beispielhaft das Netz eines Containerschiffes. Es wird das Mittelspannungsnetz sowie das Niederspannungsnetz (450 V bis hin zur 230 V Notverteilung) dargestellt. Motorische Verbraucher in den Spannungsebenen werden durch Ersatzmotoren zusammengefasst. Diese werden bei den Berechnungen mit berücksichtigt.

Als Ergebnisse werden die auftretenden Ströme für einen Kurzschluss an dem entsprechendem Element dargestellt. Es werden somit alle möglichen Fehlerstellen betrachtet (Schifffahrt. 5).

Mit PSS®SINCAL können z. B. ebenfalls Lastflüsse mit Spannungsabfällen sowie der Spannungseinbruch beim Aufschalten von Motorlasten (Start Querstrahlmotor) berechnet werden. Weiterhin können Schutzgeräte mit Parametern an Abgängen eingefügt werden und Anregungen und Abschaltungen bei gewählten Fehlerorten überprüft werden (Selektivität).

Durch die Verwendung von modernen Programmen können die im Fehlerfall auftretenden Kurzschlussströme berechnet werden. Es kann im Vorfeld sichergestellt werden, dass die verwendeten Schaltanlagen in der Lage sind, diese Ströme im Fehlerfall ohne Beschädigung zu beherrschen und sicher zu bestehen.

Mittelspannungsschaltanlagen

Mittelspannungsschaltanlagen können entweder in luft- oder gasisolierter Variante ausgeführt werden. Bei luftisolierten Schaltanlagen wird die Isolationsfähigkeit über eine Mindestluftstrecke erreicht, die je nach Spannung der Betriebsmittel unterschiedliche Werte vorweisen muss. Der Germanische Lloyd fordert zum Beispiel bis 7,2 kV eine Mindestluftstrecke von 90mm und bis 12 kV von 120 mm.

Bei gasisolierten Schaltanlagen kommt meistens SF6 (Schwefel-Hexa-Fluorid) zum Einsatz. Durch den Einsatz dieser Isoliergase können die Abstände der aktiven/passiven Teile verringert werden. Zum Beispiel besitzt SF6 eine ca. 2,5-fach höhere Durchschlagsfestigkeit als Luft. Dieses bietet einen Vorteil durch geringere Abmessungen.

Das Isoliergas SF6 ist zwar ungiftig, aber ist es ein Treibhausgas. Die über Leckagen abgegebenen Mengen sind allerdings sehr gering. Siemens Mittelsspannungsschaltanlagen mit verschweißten Behältern weisen Leckraten von << 0,1 % p.a. auf.

Mittelspannungsschaltanlagen müssen die Norm IEC 62271-200 erfüllen. Diese Norm löst die alte und nun zurückgezogene IEC 60298 ab. Im neuen Teil 200 wurden die Prüfbedingungen für die Störlichtbogenqualifikation genau spezifiziert sowie Kriterien definiert, die zum erfolgreichen Bestehen der Prüfung erfüllt sein müssen. In der alten Norm mussten die Prüfbedingungen vereinbart und die Auswirkungen nur beschrieben werden.

Die Einordnung in die Störlichtbogenqualifikation soll erreichen, dass es einen einheitlichen Standard für den Personenschutz im Falle eines Störlichtbogens gibt.

Die Norm IEC 62271-200 sorgt somit für eine höhere Sicherheit für den Betrieb von Mittelspannungsschaltanlagen.

Die Mittelspannungsschaltanlage sollte die Kategorie der Betriebsverfügbarkeit (Loss of service continuity category) LSC 2B einhalten. »B« bedeutet, dass sogar in dem Schaltfeld mit einem geöffneten zugänglichen Schottraum die anderen Schotträume unter Spannung bleiben können. 2B bietet die höchste Verfügbarkeit.

Alle aktiven Teile der Schaltanlage sind gegen versehentliches Berühren geschützt. Entweder muss Werkzeug zur Demontage verwendet werden oder es bestehen mechanische bzw. elektrische Verriegelungen, um in die Nähe von ansonsten aktiven Anlagenteilen zu gelangen. Der Zugang zu diesen Anlagenteilen ist dann nur möglich, wenn die Spannung sicher abgeschaltet bzw. abgeschottet und der Anlagenteil geerdet ist. Zum Beispiel ist es nur möglich, die Tür bzw. Abdeckung des Anschlussraumes zu öffnen, wenn der Erdungsschalter eingelegt ist. Der Erdungsschalter kann aber nur eingelegt werden, wenn sich der Leistungsschalter in Trennposition befindet. Ist der Erdungsschalter eingelegt, kann der Leistungsschalter nicht in die Betriebsposition gestellt werden.

Eine Notbedienung des Leistungsschalters sollte auch bei geschlossener Tür des Schaltgeräteraumes möglich sein. Ein versehentliches Berühren wie bei blanken Kupferschienen einer Niederspannungsschaltanlage ist bei den Mittelspannungsschaltanlagen nicht möglich. Die Mittelspannungsschaltanlagen werden nach Klasse üblicherweise in der Schutzart IP32 nach IEC 60529 ausgeführt. Sie befinden sich in elektrischen Betriebsräumen, die nur unterwiesenem Fachpersonal zugänglich sind.

Luftisolierte Schaltanlage

Luftisolierte Schaltanlagen sind seit Jahrzehnten im Einsatz. Sie sind nicht auf spezielle Isoliergase für die Isolationsfähigkeit angewiesen. Luft als Medium ist umweltfreundlich und muss nicht auf Leckagen überwacht werden. Beispielhaft ist hier der Aufbau einer Zelle aus der NXAIR M Serie dargestellt. Der Mittelspannungsteil besteht aus dem Schaltgeräteraum, dem Sammelschienenraum sowie dem Anschlussraum. Alle drei Räume sind voneinander durch Metallschottungen getrennt. Durch den Einsatz von »Shuttern« werden die Verbindungen von dem Schaltgeräteraum zu den anderen beiden Räumen sicher abgedichtet, wenn der Leistungsschalter sich nicht in der Betriebsposition befindet. Die Berührungssicherheit ist somit gegeben. Als Schaltmittel werden Vakuumröhren eingesetzt. Es entstehen somit beim Öffnen des Schalters unter Last keine Lichtbögen im Schaltgeräteraum.

Die Ansteuerung des Leistungsschalters sowie Schutzgeräte, Anzeige- und Bedienelemente befinden sich im Niederspannungsschrank.

Gasisolierte Schaltanlage

Gasisolierte Schaltanlagen zeichnen sich dadurch aus, dass sie kompakter bauen. Als Isoliergas wird SF6 eingesetzt. Die Schaltanlagen vom Typ NXPLUS C verwenden einen hermetisch verschweißten Edelstahlbehälter, in dem sich der Leistungsschalter und ein Dreistellungsschalter befinden. Die Konstruktion ist wartungsfrei. Ein Nachfüllen des Isoliergases ist weder notwendig noch vorgesehen. Der Druck im Behälter wird überwacht und bei zu geringem Druck gemeldet. Wird der Gasdruck im Behälter zu hoch, wird über eine Druckentlastung entspannt.

Im Leistungsschalter werden wie bei der luftisolierten NXAIR Vakuumröhren eingesetzt. Bei Verlust des Isoliergases wird weiterhin im Vakuum geschaltet. Dies unterscheidet die NXPLUS C von anderen gasisolierten Schaltanlagen. Selbst der Verlust des Isoliergases und der Verlust des Vakuums führt zu keinen größeren Schäden an der NXAIR.

Interner Störlichtbogen

Im Falle eines Störlichtbogens innerhalb der Schaltanlage werden die entstehenden Gase über Kanäle in einen gemeinsamen Druckkanal abgeleitet. Der Druckkanal selber kann über Absorber in den Schaltanlagenraum entlastet werden. Die Absorber sorgen dafür, dass es zu keiner Gefährdung von Personen kommt, die sich zum Zeitpunkt des Störlichtbogens im Schaltanlagenraum aufhalten. Die Wirksamkeit der Schottungen und der Ableitung der Gase wird bei einem Typtest nachgewiesen.

Um die Störlichtbogen-Qualifikation IAC (Internal Arc Classified) zu erhalten, sind die in der Tabelle oben genannten fünf Kriterien definiert. Alle fünf Kriterien müssen ausnahmslos geprüft und positiv beurteilt werden. Die im Schiffbau eingesetzten Schaltanlagen der NXAIR und NXPLUS C Serie erfüllen alle Kriterien ohne Einschränkungen. Sie weisen die Störlichtbogen-Qualifikation IAC A FLR auf.

Schadensminimierung durch Druckschalter

Eine zusätzliche Möglichkeit zur Schadensminimierung bietet der Einsatz von Druckschaltern. Diese Druckschalter besitzen eine Schlauchverbindung in den Anschlussraum, den Schaltgeräteraum sowie den Sammelschienenraum. Die Druckschalter selber befinden sich im Niederspannungsschrank.

Sollte ein Störlichtbogen in einem der Bereiche auftreten, entsteht ein hoher Druck. Dieser hohe Druck wird von den Druckschaltern erfasst und führt nach ca. 10–20 ms zu einem Befehl zum Öffnen des Leistungsschalters. Ist »nur« der Anschlussraum betroffen, wird nur dieses Feld abgeschaltet.

Sind jedoch der Schaltgeräteraum und /oder der Sammelschienenraum betroffen, werden alle Generatoren und Kuppelschalter in diesem Schaltanlagenabschnitt abgeschaltet. Dieses führt zu einem Teilblackout. Weitere Schaltanlagenabschnitte sind nicht betroffen und werden das Schiff weiterhin mit elektrischer Energie versorgen.

Die Abschaltung über die Druckschalter erfolgt ca. 10-mal schneller als die Abschaltung über die Kurzschlusserkennung der Schutzgeräte. Die thermische Zerstörung wird somit reduziert. Eine weitere Möglichkeit ist die Erfassung des Störlichtbogens über optische Detektoren. Diese werten den Lichtblitz aus.

Leistungsschalter

Leistungsschalter für Mittelspannungsschaltanlagen entsprechen der Norm IEC 62271-100. Moderne Leistungsschalter zum Beispiel aus der SION Serie können 10.000 Schaltspiele ohne Wartung bewältigen. Sie besitzen Federspeicher, die ein Ausschalten des Schalters auch bei Ausfall von Hilfsspannungen ermöglichen. Die Federspeicher können durch ein Werkzeug im Notfall per Hand aufgezogen werden. Mechanische Taster ermöglichen das Schalten in Notfällen.

Als Schaltelemente für die Leistungsschalter haben sich Vakuumschaltröhren etabliert. Bei den Vakuumröhren finden die Schalthandlungen im luftleeren Raum statt. Die Abstände zwischen den Kontaktflächen sind sehr gering. Es muss nur wenig Masse beim Schalten bewegt werden. Die Schaltzeiten sind hierdurch kurz. Die Röhren sind hermetisch verschlossen und wartungsfrei.

Beim Schalten von Induktivitäten kann es zu transienten Spannungsüberhöhungen kommen. Um diese Überspannungen auf ein verträgliches Maß zu reduzieren, werden bei Transformatoren und Motoren in den Abgangsfeldern der Schaltanlage Überspannungsableiter oder Überspannungsbegrenzer montiert.

Selektivität, Staffelschutz

Durch die Selektivität des Staffelschutzes wird sichergestellt, dass bei einem Überstrom oder Kurzschluss nur der betroffene Abgang abgeschaltet wird. Die Klassifizierungsgesellschaften geben teilweise Abschaltzeiten für Generatoren von 500–600 ms im Kurzschlussfall vor. Bei Niederspannungsanlagen ist dieser Wert sinnvoll. Es kann vernünftig in die untergeordneten Spannungsebenen gestaffelt werden. Bei Mittelspannungsanlagen hingegen kommt eine weitere Ebene hinzu. Der zeitliche Abstand zwischen den Spannungsebenen wird sehr gering.

Mittelspannungsschaltanlagen sind nach IEC 62271-200 für einen 1 s-Störlichtbogen geprüft. Auslösezeiten für die Generatoren von 900 ms ergeben Spielraum für die Staffelung und stellen keine Gefährdung für die Schaltanlage dar. Die Eigenzeiten der Mittelspannungsleistungsschalter liegen bei 60–80 ms. Dieses ergibt eine Abschaltzeit unterhalb der geprüften 1 s.

So genannte Staffelpläne geben einen Überblick über die Koordinierung der Einstellwerte. Die Schifffahrt. 13a–c zeigt einen Ausdruck mit dem Programm SIGRADE. Das linke Bild stellt den Staffelplan für einen Transformator dar, der über eine Überleitung von einem Generator gespeist wird. In dem mittleren Bild sind neben dem Nennstrom weiterhin der Einschaltstrom sowie die thermische Zerstörungskurve eines Transformators dargestellt. Moderne Schutzgeräte besitzen eine Erkennung des Einschaltstromes von Transformatoren und können die Auslösezeit verlängern. Somit kann eine Fehlauslösung beim Einschalten verhindert werden. Eine optimale Einstellung ist mit dieser Erkennung möglich. Das rechte Bild stellt einen Motorabgang dar. Die Anlaufstromkurve ist mit dargestellt.

Durch die grafischen Darstellungsmöglichkeiten kann veranschaulicht werden, dass die Selektivität gewährleistet ist. Die Selektivitätsbetrachtungen werden bei der für das Projekt zuständigen Klassifizierungsgesellschaft eingereicht.

Schutz

Heutiger digitaler Netzschutz besteht aus Mikroprozessor gesteuerten Geräten, die viele Schutzfunktionen bieten. Die Schutzgeräte der SIPROTEC-Serie besitzen Schnittstellen wie z. B. Profibus, um sie an ein Leitsystem anzubinden. Es können Betriebsmeldungen, Störmeldungen und Betriebswerte gesendet werden. Ein interner Speicher für Betriebs- und Störmeldungen erleichtert im Fehlerfall die Analyse des Vorgangs. Die Speicher können über einen PC ausgelesen werden. Über die Programmiersprache CFC können eigene Logiken (z. B. für Verriegelungen) programmiert werden.

Durch die Anbindung an das Leitsystem können die Abgangsschalter zum Beispiel über die Bedienmonitore der Automatisierungsanlage vom Maschinenkontrollraum oder lokal vor Ort bedient werden. Die Kommandogewalt (lokal / fern) kann z. B. über einen Schlüsselschalter oder eine Funktionstaste am Gerät ausgewählt werden.

Graphische Displays können Schalterzustände und Zustandsmeldungen direkt am Gerät anzeigen. Messwerte können abgerufen werden.

Generatoren sind besonders wichtige Betriebsmittel, bei denen nicht nur der Überstrom- und Kurzschlussschutz realisiert wird. Je nach Klassifikationsgesellschaft und weiteren Kundenwünschen werden zahlreiche Schutzfunktionen für Generatoren vorgesehen.

Die Schutzfunktionen selber werden durch »device numbers« beschrieben. Die »device numbers« sind in der Norm IEEE Std C37.2 definiert. Häufig wird auch der Begriff »ANSI-Codes« verwendet.

Beispielhaft sind in der Tabelle rechts oben einige Schutzfunktionen für einen Generator aufgeführt.

Erdfehlererkennung

Die Mittelspannungsversorgungsnetze werden entweder als isolierte IT (frz. Isolé Terre) oder geerdete TN (frz. Terre Neutre) Netze ausgelegt. Beim TN-Netz werden die Sternpunkte der Generatoren hart geerdet. Dieses führt allerdings bei einem Erdfehler zu einem sehr hohen Strom, der zu einer Auslösung der Schalter führen wird.

Ein IT-Netz hat diesen Nachteil nicht. Ein einfacher Erdfehler führt nicht zu einer Auslösung durch hohe Ströme. Das Netz kann bei einem einfachen Erdfehler weiter betrieben werden. Allerdings müssen isolierte Netze auf Erdfehler überwacht werden. Es besteht die Möglichkeit, über die Ableitkapazitäten der Kabelnetze eine Erdstromerkennung durchzuführen. Allerdings werden je nach Schaltzustand des Netzes unterschiedliche Kabelkapazitäten wirksam. Eine Erkennung ist schwierig, die Ströme sehr niedrig.

Vorteile bietet die hochohmige Erdung der Generatorsternpunkte. Die Erdungswiderstände werden so ausgelegt, dass der maximal mögliche Erdstrom im Betrieb mit allen Generatoren einen Wert von 18-20A nicht überschreitet. Hierdurch wird Eisenbrand im Blechpaket von Generatoren, Motoren und Transformatoren bei Dauerbetrieb mit Erdfehler vermieden. Die Erdströme werden durch die Widerstände definiert begrenzt und liegen im Bereich von wenigen Ampere. Diese Ströme können sicher erfasst werden.

Durch den Einsatz von gerichteten Erdfehlererkennungen kann ein Erdfehler im Verteilungssystem nicht nur detektiert, sondern auch lokalisiert werden. Je nach Anforderung der Kunden wird im Erdfehlerfall entweder nur ein Alarm ausgelöst oder der betroffene Abgang abgeschaltet.

Erdfehler im Generator

Erdfehler innerhalb eines Generators werden sicher erkannt. Der Erdfehlerstrom wird vom eigenen Sternpunktwiderstand gespeist und fließt innerhalb des Generators wieder zurück. Der Generator wird nicht vollständig vom Erdfehlerstrom durchflossen. Ggf. parallel betriebene Generatoren speisen zusätzlich in die Fehlerstelle. Diese parallelen Generatoren erkennen den Erdfehler nicht, da der jeweilige Generator nur durchflossen wird.

Der Generator mit dem Erdfehler hingegen erkennt, dass die Ströme, die hinein- und hinausfließen, nicht identisch sind. Der Fehler muss innerhalb dieses Generators liegen. Er wird entsprechend mit Alarmierung oder ggf. Abschaltung reagieren.

Bei einem Generator bietet es sich an, einen Erdfehler nur zu melden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein alleine laufender Generator mit Erdfehler bei einer Abschaltung zu einem Blackout führt. Bei einer Warnmeldung hat der Bediener Zeit, einen anderen Generator zu starten und nach erfolgter Synchronisierung und Lastübernahme den defekten Generator abzusetzen.

Erdfehler im Verbraucher

Bei einem Erdfehler in einem Verbraucher fließt der Erdstrom durch den Generator zum Verbraucher und über den Erdfehler zurück zum Generator. Der Generator erkennt, dass er vom Erdfehlerstrom nur durchflossen wird und reagiert dementsprechend nicht. Der Verbraucher hingegen erkennt den fließenden Erdfehlerstrom und reagiert hierauf entsprechend mit Alarmierung und ggf. Abschaltung.

Erdfehler innerhalb der Schaltanlage

Bei Erdfehlern innerhalb der Schaltanlage reagieren weder die Generatoren noch Verbraucherabgänge auf den Erdfehlerstrom. Die Ringkernstromwandler der Verbraucherabgänge erfassen diesen Erdfehlerstrom nicht und die Generatoren werden von ihm durchflossen.

Über die sogenannte Verlagerungsspannung, die über eine offene Dreieckswicklung der Spannungswandler für die Sammelschienenspannung gemessen wird, kann ein Erdfehler ebenfalls erkannt werden. Überschreitet die Verlagerungsspannung einen bestimmten Grenzwert, wird ein Alarm ausgelöst.

Die Verlagerungsspannung tritt bei jedem Erdfehler auf. Sollte es zu einem Alarm über die Verlagerungsspannung kommen und kein Generator oder Verbraucher meldet einen Erdfehler, dann liegt der Erdfehler innerhalb der Schaltanlage. Durch Aufteilen der Schaltanlage in einzelne Abschnitte kann der betroffene Abschnitt bestimmt werden.

Bei den Abgängen kann die Verlagerungsspannung als zusätzliches Kriterium zum Erdfehlerstrom genommen werden. Nur wenn Verlagerungsspannung und Strom vorhanden sind, wird ein Erdfehler gemeldet.

Fazit

Bei hohem Energiebedarf gibt es keine Alternativen zur Mittelspannung. An die Mittelspannung werden hohe Anforderungen bezüglich der Sicherheit gestellt. Die­se Sicherheit muss durch Prüfungen nachgewiesen werden. Der Personenschutz hat hierbei höchste Priorität. Konstruktive Maßnahmen stellen sicher, dass der Anwender ohne den Einsatz von Werkzeugen zu keiner Zeit direkt mit der Mittelspannung in Berührung kommen kann.

Durch die Wahl einer geeigneten Konfiguration des Energieverteilungssystems ist die Energieversorgung selbst im Fehlerereignis sicher gestellt.

Programme erleichtern die richtige Dimensionierung von Anlagenteilen und die Ermittlung von Grenzwerten.

Die moderne Schutztechnik erlaubt eine Vielzahl von selektiven Schutzfunktionen, die bei einem Fehler nur den betroffenen Anlagenteil abschalten. Die verbleibende Anlage läuft störungsfrei weiter. Die Schutztechnik bietet Hilfsmittel für eine spätere Fehleranalyse.

Eine Anbindung der Mittelspannungsschaltanlage an das Automatisierungssystem erlaubt es, jederzeit den Zustand der Anlage im Überblick zu behalten und Schalthandlungen direkt am Bildschirm vorzunehmen.

Der Einsatz von Mittelspannungsverteilungssystemen auf Schiffen ist bei Auswahl geeigneter Komponenten sicher.

Verfasser:

Stefan Iden

Siemens AG, Industry Sector

Postfach 105609, 20038 Hamburg,

Germany

e-mail: stefan.iden@siemens.com


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