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Isaac Newton (1643–1727 hat sie bemerkt, untersucht und beschrieben hat sie der Berliner Physiker Heinrich Gustav Magnus (1802–1870). Die Rede ist von der Kraftwirkung bei rotierenden Objekten senkrecht zur Strömungsrichtung, bekannt als Magnus-Effekt. Magnus wollte die Ablenkung von Artilleriegeschossen aus der ballistischen Bahn bestimmen und legte damit den Grundstein für ein viel versprechendes Antriebskonzept.

Den Magnus-Effekt als Schiffsantrieb wusste Anton Flettner (1885–1961) zu nutzen. Vor mehr als 80 Jahren entwickelte er den[ds_preview] Flettner-Rotor als alternative Segelfläche, die rotierenden Zylinder erzeugen bei Seitenwind einen Sog, der das Schiff umweltfreundlich vorantreibt. Nun kommt die Flettner-Erfindung wieder zu Ehren, denn Kostensenkung im Frachttransport auf See und Verbesserung der Umweltverträglichkeit verlangt nach neuen Ideen. Mit dem von Enercon entwickelten Prototyp-Frachter »E-Ship 1« wurde nun ein ganz auf Energieeffizienz getrimmtes Frachtschiff entwickelt, das neben den Flettner-Rotoren mit weiteren brennstoffsparenden Innovationen ausgestattet ist.

Ursprünglich hatte die Firma Enercon aus Aurich das Schiff 2006 bei der Lindenau Werft in Kiel in Auftrag gegeben, fertig gestellt wurde es bei der Cassens-Werft in Emden und soll Windkraftanlagen transportieren. Nach Beendigung der Stahlbauarbeiten Anfang des Jahres erhielt es im Dock der Emder Nordseewerke Thyssen Krupp Marine System seinen Endanstrich. Nach erfolgreich ausgeführten Farbarbeiten lag das Schiff zwischenzeitlich in der Cassens-Weft und startete von dort Anfang Juli in die Erprobungsphase. Nördlich von Borkum fanden neben den üblichen Probefahrtsmanövern, die der Germanische Lloyd als Klassifizierungsgesellschaft begleitet, auch die ersten Segelversuche statt. Zuvor erfolgten erfolgreiche Standerprobungen im Emder Hafen sowie zahlreiche Komponententests.

Neben vielen anderen Innovationen ist das »E-Ship 1« mit vier Segelrotoren ausgerüstet, die von Elektromotoren angetrieben werden und in Verbindung mit dem vorbeistreichenden Wind Schub erzeugen. Ähnlich einem klassischen Segel, nur zehnmal effektiver. Diese Technik wurde in den 1920er Jahren von Anton Flettner bereits erfolgreich erprobt, verlor durch Einführung der Dieselmotoren damals jedoch schnell an Bedeutung.

Enercon hat mit der Abteilung »Neue Technologien« das Thema wieder aufgegriffen und nach ausführlichen Berechnungen, Tests mit einem Rotor an Land und Modellversuchen im Windkanal die Rotorentechnik weiter entwickelt und nun mit dem »E-Ship 1« in die Realität umgesetzt.

»Die Rotoren werden gemeinsam mit anderen neuen Technologien an Bord den Brennstoffverbrauch und damit den Schadstoffausstoß des Schiffes pro transportierter Tonne im Vergleich zur konventionellen Schifffahrt entscheidend senken«, sagt Rolf Rohden, hauptverantwortlicher Entwicklungsingenieur und Projektleiter für das »E-Ship 1«. Eine weitere Enerconentwicklung, die auf dem Segelrotorschiff zum Tragen kommt, ist ein innovatives Propeller-/ Ruderdesign. Um reale und belastbare Vergleichswerte zu erhalten, wird das »E-Ship 1« während der Probefahrten bestimmte Tests sowohl mit einem konventionellen Propeller / Ruder, als auch anschließend mit dem Enercon-Ruder / Propeller durchführen.

Bei der Entwicklung der Ruder- und Propellergeometrien griffen die Ingenieure der Abteilung Neue Technologien auf ihre langjährige Erfahrung in der Strömungstechnik von Rotorblättern und Wasserturbinenschaufeln zurück. Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt wurde die Entwicklung der Segelrotoren und des Propellers gefördert.

Schiffslinien mit wenig Widerstand

Enercon hat weitere, nicht ohne weiteres zu erkennende Neuerungen in Eigenregie entwickelt: So resultieren beispielsweise die Linien des »E-Ship 1« in einem verminderten Widerstand sowohl unter Wasser als auch oberhalb der Wasserlinie. Die Hauptantriebsanlage basiert auf der Enercon-Umrichtertechnologie sowie auf den Generatoren der E-82: Beide wurden für den Schiffsbetrieb modifiziert und zertifiziert. Darüber hinaus stellt eine ausgeklügelte Steuerungstechnik das reibungslose Zusammenspiel von Segel- und konventionellem Antrieb sicher. Auch der neuartige Wellenbrecher am Vorderschiff, der bei starkem Seegang die vorne liegenden Aufbauten schützt, wurde von Enercon entwickelt und in aufwändigen Wasserkanalversuchen getestet.

Selbst der Anstrich hilft Brennstoff sparen

Das gesamte Konzept des Schiffes ist auf Nachhaltigkeit angelegt. So wird auch auf See größter Wert auf Müllvermeidung und -trennung gelegt, um die anfallenden Abfälle jeweils an Land sicher entsorgen zu können. Das Schiff dient zudem als Versuchsplattform für eine innovative Abwasser-

anlage (Kläranlage und Bilgenentöler), deren Werte weit unterhalb der zurzeit von der international Maritime Organisation erlaubten Grenzwerte für Restschadstoffe im abgepumpten Abwasser liegen. Zur Vermeidung möglicher Umweltschäden bei Havarien liegen alle relevanten Tanks wie für Brennstoff, Schmierstoffe und andere hinter einer Doppelhülle. Die entstehende Abgaswärme wird über eine Dampfturbine zurückgewonnen und liefert einen Teil der an Bord benötigten Energie. Der Unterwasseranstrich des Schiffes auf Silikonbasis trägt aufgrund seiner sehr glatten Oberfläche ebenfalls zur Brennstoffersparnis bei. Diese Beispiele zeigen, dass hinter dem Projekt »E-Ship 1« weit mehr steckt, als nur die vier weithin sichtbaren Segelrotoren.

Ein Großteil der Mannschaft des »E-Ship 1« wurde bereits frühzeitig angeheuert und hat die Bauphase weitgehend mit begleitet, was die Einarbeitung in die neue Schiffstechnik erleichtern und von Beginn an einen effektiven Schiffsbetrieb ermöglichen soll. »Entwickler und Mannschaft sind stolz und erwartungsvoll, mit dem innovativen Schiff endlich in See stechen zu können. Nach der langen Bauphase werden wir nun zeigen, was das ›E-Ship 1‹ kann. Ich bin überzeugt davon, dass das Schiff ein erster ernsthafter Schritt zur Energiewende in der Schifffahrt ist«, so Enercon-Ingenieur Rolf Rohden.

Erste Transportfahrt im Sommer 2010

Das Schiff wurde in Zusammenarbeit mit der Enercon-Logistikabteilung optimal für den Transport der Enercon Windenergieanlagen-Komponenten vorbereitet. Die Laderaumabmessungen erlauben die Mitnahme von bis zu zwanzig E-82 (ohne Türme). Bei der Verladung entfallen die sonst für die Laschung der Komponenten üblichen Schweißarbeiten im Laderaum, da das »E-Ship 1« dort eine Vielzahl von vorgefertigten Laschpunkten bietet, die eine sehr flexible Stauung und Fixierung der Anlagenteile ermöglichen. Das »E-Ship 1« weist zudem einen sehr hohen Sicherheitsstandard, die neueste nautische Ausrüstung sowie umfangreiche Manövrierhilfen auf. Nach mehreren Probefahrten und ausführlichen Tests aller Systeme an Bord ist ge­plant, das Schiff im Sommer 2010 für eine erste Transportfahrt mit Enercon-Windenergieanlagen einzusetzen.

Quelle: Windblatt 02/2010


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