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HANSA: Herr Stolberg, auch wenn 15 Jahre eigentlich noch keine große Hausnummer sind, haben Sie in dieser relativ kurzen[ds_preview] Zeit und trotz gegenläufiger Markttendenzen laut ISL eine der größten und erfolgreichen Reedereien der Schwergut- und Projekt-Schifffahrt in diesem Zeitraum geschaffen. Worauf basiert dieser beachtenswerte Erfolg?

N. Stolberg: Beluga Shipping ist in den vergangenen 15 Jahren Schritt für Schritt gewachsen, wobei ich es immer gerne mit dem alten Motto von Werders Ex-Trainer Otto Rehhagel gehalten habe: Kontrollierte Offensive. Erst waren wir Cargo Operator und haben Ladung im eigenen Namen eingebucht, bald kam das erste gebrauchte Schiff, danach der erste Neubau und darauf die ersten Mehrzweck-Schwergutfrachter nach eigenem Konzept, womit wir längst zu einer echten Reederei herangewachsen waren.

Es sind gewiss mehrere Faktoren im Zusammenspiel daran beteiligt, dass wir mit Beluga Shipping am Markt stark nachgefragt und von unseren Kunden geschätzte Projektpartner sind: Viel harte Arbeit, Mut und Kreativität, Verlässlichkeit sowie mit modernen, leistungsstarken Schiffen eine herausragende Hardware und dank eines engagierten, hochqualifizierten Mitarbeiterteams eine Top-Mannschaft. So sind wir imstande, selbst die außergewöhnlichsten Kundenwünsche effizient und sicher umzusetzen. Zur richtigen Zeit realisierten wir die passenden Dinge. Wir haben auf den Projekt- und Schwergutmarkt gesetzt, als dieser kaum mehr als eine weitgehend unbeachtete Nische war, und dann vom enormen Anziehen des Marktes als einer von wenigen Spezialisten in diesem Gebiet profitiert, so wie wir derzeit intensiv unsere Kernkompetenzen in den Offshore-Bereich erweitern, wo nun dieses Marktsegment eines ist, das noch enorm viel Potenzial verspricht und gerade erst aufzublühen beginnt. Seit vielen Jahren investieren wir nachhaltig in die Nachwuchsförderung und abseits des Kerngeschäfts füllen wir seit jeher unsere unternehmerische Verantwortung mit viel Leben. Wir bewegen uns, um etwas zu bewegen – das war, ist und bleibt ein Leitspruch für Beluga Shipping.

HANSA: Bei der Gründung Ihrer Reederei kannten Sie den Geschäftsbetrieb sowohl aus der Sicht an Bord als auch landseitig. Was hat Ihrer Meinung nach dabei den Ausschlag für Ihre so erfolgreichen Prognosen der Märkte gleich zu Beginn des Unternehmens gegeben?

N. Stolberg: Ich war einer der letzten Kadetten an Bord der legendären Bremer Schwergutreederei DDG Hansa, ich habe selber mein Kapitänspatent (AG) eine Zeit lang im Schwergutgeschäft ausgefahren und dann als verantwortlicher Projekt- und Abteilungsleiter bei einer seinerzeit großen Bremer Reederei die Befrachtungsabteilung aufgebaut und erfolgreich etabliert – als ich mich also für den Schritt in die Selbständigkeit entschloss, weil ich die Geschicke selber steuern wollte, hatte ich einen sehr guten Einblick in den Schwergutmarkt und eine Analyse an der Hand, die den Schluss zuließ, dass dieser Nischenmarkt anziehen würde. Mit zunächst mühevoll erbetener Unterstützung unserer Hausbank, die indes von Beluga Shipping und der Idee, die dahinter steckt, schon damals überzeugt war, habe ich in einen steigenden Markt investiert. Und obwohl es einige Skeptiker gab, die abgeraten haben, glaubte ich an den Projekt- und Schwergutmarkt. Jede verdiente Markt wurde beiseitegelegt und bei passender Gelegenheit in den Aufbau der Flotte investiert. Wenn man so will, hatten wir das passende Gespür und wie sich herausstellte offenbar auch die geeignete Strategie.

HANSA: Im Projekt- und Schwergutgeschäft bedarf es besonderer Fachleute, die für einen reibungslosen Ablauf bei der Verladung und der Verschiffung der oft komplexen und wertvollen Ladung sorgen. Wie stellen Sie sicher, dass die Reederei über hochqualifiziertes Personal heute – und auch in Zukunft – verfügt?

N. Stolberg: Im Musterfall ist ein Kind bei uns schon in der Kindertagesstätte »Beluga Kids«, die in die Reedereizentrale auf dem Bremer Teerhof eingebettet ist, gut behütet, während die Eltern wieder arbeiten, macht während seiner Schulzeit Praktika im Hause Beluga Shipping, geht dann auf die maritime Oberstufe in unserem Beluga College, studiert später vielleicht Nautik oder absolviert eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker, wird in unsere Sea Academy aufgenommen und erwirbt praktische Erfahrungen auf See, nimmt teil an den modularen Kursen in der Beluga Offshore Training Academy, wo wir Ende November 2010 Richtfest gefeiert haben und wo ab Frühjahr 2011 unter anderem mit einem »Offshore & Heavy Lift Crane Operation Simulator« die wichtigen Lade- und Löschoperationen trainiert und des Weiteren Vorgänge wie das sichere Übersteigen vom Schiff auf die Offshore-Plattform oder die Unterwasserrettung aus einem Helikopter einstudiert werden können, geht nach dem Abschluss der Ausbildung in geeigneter Festanstellung bei Beluga Shipping an Bord und entwickelt sich im Laufe der Zeit weiter zu einer wichtigen Führungskraft. Die Philosophie, die unser ganzheitliches Engagement für den Nachwuchs antreibt, gründet darin das Entwicklungspotenzial der maritimen Branche zu fördern und deren Zukunftsfähigkeit mit prägen zu wollen. Wir brauchen Kollegen, die den »Beluga Spirit« leben, die Ideen entwickeln und quer denken, die Lust haben, Dinge zu gestalten und Veränderungen voranzutreiben.

Einige Absolventen der Sea Academy, in der wir jährlich mehr als 100 Kadetten an Bord unserer Flotte ausbilden, fahren inzwischen bei uns als Kapitäne und Offiziere. Wir finanzieren zudem zwei Stiftungsprofessuren im Fachbereich Seefahrt der Jade Hochschule und ebenso an der Bremer Hochschule, mit der wir darüber hinaus den internationalen Studiengang »Shipping & Chartering« konzipiert haben. Laut Verband Deutscher Reeder sind wir mit diesem Engagement und den Möglichkeiten, die wir bieten, die größte Ausbildungsreederei Deutschlands. Mehr als vier Millionen Euro jährlich allein für die Sea Academy zuzüglich der Gelder für die Stiftungsprofessuren sowie der anteiligen Kosten für das Angebot auf dem Maritimen Campus Elsfleth investieren wir aus voller Überzeugung in die Nachwuchsarbeit. Denn: In junge, motivierte Menschen muss investiert werden, wenn die Schifffahrt auch in Zukunft ihre Früchte ernten will. Die in der internationalen Seefahrt weit verbreiteten Personalprobleme, nach denen vor allem auf der Führungsebene qualifizierte Besatzungen fehlen, ereilen uns in diesem Ausmaß jedenfalls nicht.

HANSA: Vor knapp drei Jahren hatten Sie in einem Interview den deutschen Werften eine Überlebenschance eingeräumt, wenn diese sich »dem Spezialschiffbau verschreiben und ihren Mitbewerbern (vor allem in Asien) immer eine Schiffslänge voraus« blieben. Wie schätzen Sie als erfolgreicher »Visionär« die Zukunft der Werften heute ein?

N. Stolberg: Die deutschen Werften können nach wie vor am internationalen Markt mit ihrem herausragenden technischen Know-how punkten. Schwierig allerdings ist es, ihren Betrieb wirtschaftlich zu gestalten und zwar in einer Art und Weise, der es unter Rückenstärkung durch die hiesigen Finanzinstitute Unternehmen ermöglicht, Neubauaufträge in deutschen Werften zu platzieren. Und wenn die Förderung aus dem »Wirtschaftsfonds Deutschland« wie angekündigt zum Jahresende ausläuft und nicht verlängert wird, führt das nicht zu einer steigenden Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit deutscher Schiffbauer. Für unser Joint Venture BELUGA HOCHTIEF Offshore waren wir mehr als gewillt, den Neubauauftrag für das erste Offshore-Errichterschiff an eine deutsche Werft zu vergeben. Leider sind indes einfache Prozesse verkompliziert worden, weshalb die Order schließlich nach Polen an die Danziger Crist-Werft ging. Wenn es künftig gelingt, das passende Gesamtpaket unter Mitwirkung der Banken, der Politik und der Reederei zu schnüren, haben deutsche Werften gute Chancen auf Neubauaufträge. Nicht zuletzt wir sind gewillt, einen zweiten Versuch zu starten und die kommende Order für ein Offshore-Spezialschiff in Deutschland zu platzieren. Ich bin optimistisch, dass uns dies auch gelingen wird, wenn alle Beteiligten dasselbe Ziel verfolgen und den maritimen Standort Deutschland stärken wollen.

HANSA: Das Ladegeschirr der Schwergutschiffe wird immer leistungsfähiger – bei Ihren Offshore-Errichtern spricht man über 1.500 t Tragkraft. Bei einem Handysize-Bulker-Neubau rechnet man bei normalem Ladegeschirr mit bis zu 20 % der Gesamtkosten. Wie viel beträgt der Kostenanteil an einem Neubau (in %) für das Spezialgeschirr auf Ihren Schiffen?

N. Stolberg: Die Krane sind bei unseren Schiffen die teuersten zugelieferten Teile. Für unsere neuen Mehrzweck-Schwergutfrachter der P3-Serie beispielsweise mit bis zu 2000 t kombinierbarer Krankapazitäten liegt der Kostenanteil bei ungefähr 25 %.

HANSA: Ihre Reedereigruppe bietet als Trampreederei mit Schwerpunkt Projektschifffahrt Ihren Kunden auch immer mehr Liniendienste an, die mittlerweile Häfen auf allen Kontinenten anlaufen. Wie haben Sie die Herausforderung der Wirtschafts- und Finanzkrise gemeistert – und worin liegt heute noch Potenzial zur Verbesserung für Ihre Unternehmensgruppe?

N. Stolberg: Wir haben zunächst das Glück, dass der Projekt- und Schwergutmarkt nicht zu den konsumabgängigen Segmenten zählt, sondern vielmehr beispielsweise auf langfristig geplanten Infrastrukturinvestitionen beruht, für die in Bereichen wie Öl und Gas, Energie oder Hafenanlagen nach wie vor Gelder bereit stehen und die zudem eher träge auf Konjunkturschwankungen reagieren. In den unteren Bereichen gab es natürlich eklatante Einbrüche, aber besonders das höhere Segment jenseits der 700-t-Grenze zeigte sich stabil, eher sogar wachsend und wirtschaftlich sehr attraktiv. Da waren wir mit unseren außergewöhnlich flexibel winsetzbaren Frachtern und 800 bzw. 1.400 t Krankapazitäten natürlich sehr gut aufgestellt.

Außerdem haben wir begonnen, Potenziale zu steigern, indem wir Ladungsarten kreativ kombinieren. Auf den Routen, die wir wegen bestehender langfristiger Kontrakte häufig befahren, bieten wir an, kleine oder mittelgroße Projektladung wie auch General Cargo oder Break Bulk zusätzlich einzubuchen. Durch diese Kreativität, vollkommen unterschiedliche Ladungsarten miteinander geschickt zu »parceln«, konnten wir gute Ergebnisse generieren. Hierbei kommt uns erneut die hohe Flexibilität unserer Flotte zugute: Wir sind in der Lage, auf unseren Mehrzweck-Schwergutfrachtern die Laderäume individuell anzupassen, so dass wir für jede Cargo-Kombination geeignete Lösungen herstellen können. Auf unseren leistungsstarken Frachtern der Beluga P-Serie beispielsweise nehmen wir 15.000 t Ladung wie Stahl oder Bulk an Bord und platzieren dazu 25.000 m3 Projektladung– das ergibt 40.000 Frachttonnen, für die wie auskömmliche Ergebnisse erzielen.

Außerdem ist es uns gelungen, für Destinationen, auf denen wir bereits langfristige Projekte eingebucht haben, noch verbesserte Erträge zu erwirtschaften, indem wir interessante Zubuchungen realisieren. Wenn wir etwa in Richtung Australien oder Südamerika fahren und Projektladung liefern, können in einer innovativen Semi Liner Taktung Ladungen kombiniert werden, die es den Kunden aus dem Nicht-Schwergutmarkt ermöglichen, auch ihre Güter mit Beluga von Main Port zu Out Port befördern zu lassen.

HANSA: Mit der Oaktree-Gruppe beschreiten Sie einen neuen Weg, um Investitionen für Ihre Neubauten zu sichern. Könnte dies Ihrer Einschätzung nach vielleicht auch als Beispiel für das KG-Modell der Zukunft gelten?

N. Stolberg: Was das Engagement von Oaktree Capital Management bei Beluga Shipping anbetrifft, so ist es unser gemeinsam vereinbartes Ziel, die Marktführerschaft von Beluga im Projekt- und Schwergutsegment aus- und die neue Kompetenz im Offshore-Segment erfolgversprechend aufzubauen – und das geschieht konsequenterweise auch über die Implementierung neuer Spezialschiffe in unsere Flotte. Das »Oaktree-Modell« passt somit nicht nur unternehmenspolitisch, sondern zudem zeitlich hervorragend zu Beluga, da wir nun den »first move« im Offshore-Bereich unternehmen und antizyklisch zu sinnvollen Preisen in den Neubau unserer Spezialschiffe investieren können. Ob das ein Modell ist, welches andere Reedereien in ähnlicher Form gestalten wollen, muss jeder für sich entscheiden. Für Beluga ist dies zum geeigneten Moment der passende und wichtige Schritt nach vorne.

HANSA: Sie haben sich seit Beginn der Reedereigründung stets offen für Neuerungen gezeigt – von SkySails über das Befahren der Nordostpassage bis hin zu den Offshore-Errichterschiffen. Was dürfen wir als Nächstes an »Neuem« von Ihnen erwarten?

N. Stolberg: Wir stecken derzeit inmitten der Planungen für unsere Beluga P-3-Serie: Mehrzweck-Schwergutfrachter mit 2.000 t kombinierter Krankapazitäten. Hinsichtlich der Einsatzfähigkeit der Krane und der Flexibilität bei der Beladung werden diese Einheiten wieder etwas Besonderes darstellen, das genau auf die Anforderungen des Marktes angepasst ist. Wir werden in Ergänzung der BELUGA HOCHTIEF Offshore Errichterschiffe zudem eigene Offshore-Versorgerschiffe und Kabelleger ordern, die unsere Aktivitäten im wachsenden Offshore-Segment untermauern. Und sicherlich wird es auch in den Sparten »Education« sowie »Research & Innovationen« einige Neu- und Weiterentwicklungen geben, welche unseren Kurs nachhaltig stärken.

HANSA: Neben Ihrem Full-Time-Job als Alleingesellschafter der Beluga-Gruppe finden Sie auch noch Zeit sich für zahlreiche Unterstützungsprojekte zu engagieren – kennt Niels Stolberg ein Privatleben?

N. Stolberg: Die Zeit für meine Familie, die bei allem das Wertvollste im Leben bleibt, versuche ich mir an den Wochenenden zu nehmen. Gerne sind wir dann auf Spieker­oog, genießen ausgedehnte Spaziergänge am Strand und lassen uns den frischen Wind um die Nase wehen. Ich spiele noch gerne Handball und Fußball, doch da ein Mannschaftssport bedingt, dass man regelmäßig zum Training kommt, musste ich dieses Engagement leider etwas zurückfahren. Als Zuschauer bin ich weiterhin gerne in der Halle, wenn die Damen des VfL Oldenburg in der ersten Handball-Bundesliga oder meine Töchter in den Jugend-Mannschaften antreten. Meine Rolle als Fan und Aufsichtsratsmitglied von Werder Bremen ist zudem etwas, das sich abseits des Beluga-Kerngeschäftes in der Freizeit abspielt.

HANSA: Noch eine letzte Frage an Sie als Experten: Wohin geht der Weg mit »Werder Bremen«?

N. Stolberg: Mit Trainer Thomas Schaaf und Sportdirektor Klaus Allofs haben wir bei Werder Bremen – davon bin ich fest überzeugt – das stärkste Gespann der Bundesliga an der Seitenlinie. Und wenn auf den Platz die derzeit leider zu zahlreich verletzten Stützen der Mannschaft zurückkehren, wird Werder auch wieder den attraktiven und erfolgreichen Fußball spielen, für den die Mannschaft seit Jahren steht und für den Werder Bremen in der Vergangenheit über die Landesgrenzen hinweg gelobt wurde. Sollte in der Rückrunde all das gut funktionieren, was in der Hinrunde gegen uns lief, haben wir sogar noch eine kleine Chance, in der Bundesliga den vierten Tabellenplatz zu erreichen und somit vielleicht erneut Champions League spielen zu können.Das ist für einen Verein mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten und dem Umfeld wie Werder Bremen erst Recht in dieser Beständigkeit eine herausragende Leistung.

HANSA: Herzlichen Dank für dieses ausführliche Interview. Die HANSA wünscht Ihnen und der Beluga-Gruppe weiterhin guten Erfolg und immer genügend Wasser unter dem Kiel!