Print Friendly, PDF & Email

Mit der feierlichen Eröffnung der neue Kaiserschleuse am 29. April hat der Hafenstandort Bremen / Bremerhaven einen weiteren Baustein zur Erhaltung und Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Logistikmarkt gesetzt.

Einleitung

Aufgrund der Komplexität dieser Baumaßnahme und ihrer großen Bauteilabmessung wurde die Inros Lackner AG mit der Beratung[ds_preview] des Auftraggebers während der Bauausführung und Planprüfung beauftragt. Zur Kaiserschleuse sind viele Details beschrieben – doch wie steht es um die anderen Schleusen in Bremen und Bremerhaven? Nicht jeden Tag kann und muss eine Schleuse vollständig neu errichtet werden, aber die Anpassungsbedarfe an die Anforderungen der Gegenwart sind vielfältig. Anpassung der Hauptabmessungen an immer größer werdende Schiffseinheiten, Anpassung der Bauwerke an geänderte äußere Bedingungen (Lasten, Wasserstände) und Anpassungen durch Nutzungsänderungen – an ausgeführten Beispielen soll im Folgenden exemplarisch die Bandbreite der Auslöser und Folgen für die Bauwerke dargestellt werden, an denen die Mitarbeiter der Inros Lackner AG in den vergangenen Jahren beteiligt waren oder noch sind.

Die Industriehafenschleuse in Bremen: steter Wandel

Seit ihrer Errichtung ist die Industriehafenschleuse einem steten Ausbau unterworfen. Laufend wurde dieses Bauwerk seit seiner Freigabe im Jahr 1910 (gerade im letzten Jahr feierte man in Bremen den 100. Geburtstag des Industriehafens) den geänderten Anforderungen angepasst. Ähnlich der Kaiserschleuse waren insbesondere die Hautabmessungen, d. h. Länge und Durchfahrtsbreite sowie die Drempeltiefe immer wieder an die neuen Schiffseinheiten und die Bedürfnisse der Industriehafenanlieger anzupassen. So wurde die Durchfahrtsbreite von ursprünglich 23,50 m auf schließlich 35 m, die Drempeltiefe fortlaufend in den 80er Jahren und 2001 deutlich auf nunmehr -8 mSKN erhöht und schließlich eine nutzbare Länge von 249 m hergestellt. Alle Maßnahmen mussten von den beteiligten Ingenieuren unter Berücksichtigung der Bau-

substanz geplant und im laufenden Betrieb umgesetzt werden, um die Panamax-Größe zu erreichen.

Schleuse Neuer Hafen in Bremerhaven: ein Touristenmagnet

Eine gänzlich andere Veranlassung hatte der (Wiederauf-)Bau der Schleuse Neuer Hafen. Bereits in der Mitte des 19. Jh. wurde in Bremerhaven der »Neue Hafen« angelegt und mit einer Dockschleuse versehen, die aber bereits 1944 wieder verfüllt und überbaut wurde, da durch die Nord- und die Kaiserschleuse geeignetere Zugänge zu den tidefreien Becken Bremerhavens existierten. Die unmittelbar angrenzenden Bereiche Alter Hafen und Neuer Hafen unterlagen in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. dann einem radikalen Nutzungswechsel, weg von der hafentypischen hin zur städtisch-touristischen Nutzung, welche in einem Masterplan für das gesamte rund 60 ha messende Areal im Herzen der Stadt mündete. Bestandteil des Gesamtkonzeptes war die Zugangsmöglichkeit zu den Hafen­arealen Alter / Neuer Hafen für Sportboote und Traditionsschiffe, die durch eine Schleuse gewährleistet werden sollte.

In den Jahren 2003 bis 2005 wurde die neue Schleuse an altem Ort errichtet. Die Kammerschleuse (50 x 14 m) mit ihrer prägnanten Lage sowie den für den Fachmann wie auch Laien spannenen Torkonstruktionen zeigt sehr anschaulich den Schleusenbetrieb und Besonderheiten, wie die doppelte Deichsicherheit im Außenhaupt.

Besondere Anforderungen bestanden für Planer und Ausführende durch den stark wechselnden Baugrund, die räumliche Enge und durch den in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen denkmalgeschützten Loschenturm.

Die Fischereihafenschleuse in Bremerhaven: Erneut zu klein?

Der Fischereihafen feierte bereits 1996 sein 100-jähriges Jubiläum. Passend dazu wurde im selben Zeitraum der Neubau der Fischereihafenschleuse initiiert. Anlass war, dass eines der wichtigsten Industrie- und Gewerbegebiete der Stadt und des Bundeslandes in den Hauptabmessungen seiner einzigen seeseitigen Zufahrt einen dringend zu behebenden Engpass hatte. Rund 200 Dockschleusungen im Jahr zeigten damals das Maß der Einschränkung, und so wurde der Ausbau der 1925 fertiggestellten Schleuse von 100 m auf 181 m Länge sowie die Verbreiterung auf 35 m durchgeführt. War dies aus heutiger Sicht ausreichend? Spezialschiffe der Offshore-Windkraftbranche zumindest finden aufgrund ihrer Breite nur etwas mehr als ein Jahrzehnt später erneut einen Engpass vor.

Die Nordschleuse in Bremerhaven: Anpassung an den Hochwasserschutz

Die Schleusen in Bremerhaven sind – wie auch die Sperrwerke und ein Großteil der Kajen im Land Bremen – Teil der Landes­schutz­deichlinie. Dementsprechend müssen auch sie regelmäßig den neuen Anforderungen des Hochwasserschutzes angepasst werden. Grundlage hierfür ist der »Generalplan Küstenschutz Niedersachsen / Bremen« [1], der 2007 / 2008 überarbeitet und dem klimabedingt beschleunigten Meeresspiegelanstieg angepasst wurde. Die Nordschleuse in Bremerhaven weist ihm zufolge eine Fehlhöhe (Unterbestick) von bis zu 1,60 m auf. Darüber hinaus muss an der Schleuse erstmalig die doppelte Verschlusssicherheit baulich ausgebildet werden, d. h. auch die Schleusenkammerwände, das Binnenhaupt und die Schleusentore sind durch entsprechende Schutzmaßnahmen zu sichern. Dadurch wird sichergestellt, dass auch bei einem Ausfall oder Versagen des Außentores der Hochwasserschutz gewährleistet ist.

Die Nordschleuse in Bremerhaven wurde 1928–1931 (bereits unter Mitwirkung des Gründers der Inros Lackner AG, Prof. Agatz) erbaut und weist somit ein Alter von 80 Jahren auf. Deshalb ist während der Planungen neben der generellen Machbarkeit auch immer ein Augenmerk auf die Restnutzungsdauer der Schleuse zu legen, um ggf. langfristig sinnvollere oder wirtschaftlichere Alternativen identifizieren zu können.

Eine weitere Schwierigkeit bei der Überplanung der Nordschleuse beruht in den nur teilweise vorhandenen Bestandsunterlagen. Grundlagen, Bemessungskonzepte, Wasserstände und Lastannahmen, aber auch Pläne sind nur teilweise erhalten und nicht durchgehend in sich schlüssig. Auch wurde im Rahmen der Entwurfsplanung festgestellt, dass sich die Grundwasserstände im Laufe der Jahrzehnte stark ungünstig verändert haben, womit Probleme bei der Gesamtstandsicherheit der Schleuse verbunden sind.

Die Anhebung der Hochwasserschutzhöhen hat eine Vergrößerung der Wasserstandsdifferenz zwischen Außen- und Binnenwasserstand zur Folge, für die die Schleuse nicht ausgelegt ist. Während diese Differenz am Außenhaupt durch eine Anhebung des Schleusenkammerwasserstands ausgeglichen werden kann, ist dies am Binnenhaupt nicht möglich: Eine Anhebung des Hafenwasserstands würde eine Vielzahl weiterer Probleme nach sich ziehen. Demzufolge müssen die Schleusentore (jedes der Tore muss am Binnenhaupt einsetzbar sein) und das Binnenhaupt auf die vergrößerte Wasserstandsdifferenz nachgewiesen werden. Dies ist mit entsprechenden Verstärkungsmaßnahmen möglich.

An Binnen- und Außenhaupt werden zudem die Niedrigwasser-Lastfälle kritisch. Deswegen müssen hier zusätzliche Verankerungen vorgesehen werden, die die Häupter bei Niedrigwasserständen rückverankern. Hintergrund dabei ist der bereits erwähnte Anstieg des Grundwassers in Verbindung mit der erforderlichen Umstellung der Nachweisverfahren auf das Partialsicher­heitskonzept (Eurocode).

An den Schleusenkammerwänden werden HWS-Spundwände eingebracht, die die neue Schutzhöhe erhalten. Sie können bei Bedarf noch um weitere 0,75 m erhöht werden. Bei der Planung und dem Einbau der Wände sind weitere Faktoren zu beachten. So ist die Ausbildung der Wände in Hinsicht auf die Baugrundverhältnisse zu optimieren. Weiterhin müssen in den ingenieurtechnischen Betrachtungen verschiedene Erschwernisse berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Tiefgründungen der bestehenden Sturmpoller und die landseitig der HWS-Wände wirkenden Verkehrslasten aus dem Terminalbetrieb. Wichtig ist auch, erschütterungsarme Einbringverfahren vorzusehen, um der Empfindlichkeit der bestehenden Bauwerke Rechnung zu tragen.

Zurzeit läuft die Entwurfs- und Genehmigungsplanung dieser HWS-Maßnahme. Nach der Ausführungsplanung und der Ausschreibung im Jahr 2012 ist 2013 mit einem Beginn der Baumaßnahmen zu rechnen.

Autoren: Hauke Krebs; Anne Scholz; Ingo Wellbrock;

alle INROS LACKNER AG, NL Bremen


Hauke Krebs; Anne Scholz; Ingo Wellbrock