Tonnagenachfrage springt wieder an

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Trotz negativer Ergebnisse im Fernost-Europa-Verkehr greifen die Befrachter wieder verstärkt nach Schiffsraum. Das stützt die Charterraten – lässt sich rational aber kaum erklären. Der Kampf um Marktanteile scheint wieder im Vordergrund zu stehen.

Sind das die Vorläufer der nächsten Raten-Baisse, mögen sich viele gefragt[ds_preview] haben, als die Charterraten der Containerschiffe im April zu wackeln begannen? Immerhin wurden im April so viele Neubauten zu Wasser gelassen wie noch in keinem Monat zuvor, der Großteil davon für die Linienreeder statt für Tramp-Reeder. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Carrier ihren Tonnagebedarf bereits weitgehend selbst gedeckt hatten. Weit gefehlt, wie sich Anfang Mai herausstellt, denn die Zahl der Abschlüsse und Charterverlängerungen ist wieder sprunghaft gestiegen und hat in Teilen des Marktes zu einer erneuten Befestigung geführt. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Zurückhaltung, die die Befrachter im April übten, doch eher mit einer Ballung von Feiertagen und Nationalurlauben in Europa und Asien statt mit Kapazitätsübersättigung zu tun hatte. Jedenfalls sehen Schiffsmakler in Hamburg, London und Kopenhagen übereinstimmend in der 19. Kalenderwoche eine deutliche Belebung im Markt. Laut New ConTex zogen die Durchschnittsraten in den Größenklassen 1.100 bis 4.250 TEU wieder leicht an. Der Index drehte erstmals seit Anfang April ins Plus und stieg von 692 auf 694 Zähler.

1.700-teu-Typ stark gefragt

Vor allem in den mittleren Segmenten von 1.300 bis 2.000 TEU wurde tüchtig eingechartert, was sich in einem signifikanten Anstieg der ConTex-Rate für den 1.700-TEU-Typ mit Ladegeschirr um 136 US$ bzw. 1.2 % auf 11.667 US$ binnen einer Woche niederschlug. »Dieser Typ ist derzeit am meisten gesucht«, erklärte ein Hamburger Makler. Angeführt wurde der Charter-Reigen in diesem Segment von der Maersk Line, die speziell am Nordkontinent und im Mittelmeer zusätzliche Charterschiffe einbuchte bzw. existierende Einheiten verlängerte.

Erstmals durchbrach dabei offensichtlich ein 1.800-TEU-Schiff die 13.000-US$-Grenze: So soll Maersk die 2007 gebaute »Valentina« (1.853 TEU, mit Ladegeschirr) zu 13.250 US$ pro Tag für 12 Monate plus Option für die Westafrika-Fahrt verlängert haben. Dazu kommen noch mindestens vier etwas kleinere Einheiten zu Raten in einer Bandbreite von 10.850 bis 12.200 US$, sowohl für die Muttergesellschaft Maersk als auch für die Asien-Tochtergesellschaft MCC.

Für Beachtung sorgte ebenso der Abschluss eines deutschen 1.100-TEU-Schiffs (»Vega Fynen«) zu etwas über 11.000 US$ für ganze fünf Jahre – in Bezug auf die Periode eine Seltenheit in diesem Größensegment. Offenbar rechnet Maersk mittelfristig mit deutlich steigenden Raten für diesen Typ und versucht sich deshalb das aktuelle Niveau langfristig zu sichern.

Auch im Panamax-Segment hinterließ der Branchenführer seine Duftmarke mit einem Sale- und Charterback-Deal, der allerdings wohl primär die Projektfinanzierungskosten statt die Marktcharterrate wiederspiegelt. So wurden die drei über 20 Jahre alten 4.200-TEU-Schiffe »Maersk Madrid«, »Maersk Malacca« und »Maersk Merlion« dem Vernehmen nach an die griechische Diana Shipping verkauft und zu Tagessätzen von knapp 21.500 US$ pro Tag für jeweils zwei Jahre plus Option zurückgechartert.

Zusätzliche Panamax- und Subpanamax-Tonnage aus dem Markt heraus sicherten sich die asiatischen Carrier MISC und TS Lines. Ersterer soll zwei 4.500/4.600-TEU-Schiffe für zwei Jahre zu rund 27.000 US$ pro Tag geschlossen haben, letzterer nahm das 3.400-TEU-Schiff »Tim S« zu 19.000 US$ für 12 Monate sowie die 2.900 TEU tragende »Jiangsu Dragon« (ein Relet der Containership Company TCC, die aus dem Liniengeschäft wieder ausgestiegen ist) zu 15.000 US$ aus dem Markt. Die letzten beiden Abschlüsse liegen vergleichsweise niedrig, was auf bestimmte Widersprüche im Chartermarkt hindeutet.

Mit Anlieferung im Mai / Juni orientieren sich die Abschlüsse eng am Spotmarkt, der deutlich schwächer ist als der Forward-Markt für entferntere Positionen. Eine Juli-Anlieferung wird in vielen Fällen demnach höher honoriert als eine Spot- oder Juni-Anlieferung. Zum anderen handelt es sich bei der »Jiangsu Dragon« um ein älteres Schiff mit Baujahr 1991, die gegenüber modernen, brennstoffsparsamen Schiffen mit entsprechenden Abschlägen bewertet werden.

Die ConTex-Raten für 4.250- und 3.500-TEU-Typen lagen per 12. Mai mit 26.667 bzw 20.896 US$ pro Tag noch deutlich unter den Spitzenwerten von Ende März und Anfang April (28.626 und 21.668 US$ pro Tag). Beide Segmente folgen ihrer eigenen Dynamik. So rechnen Makler nach den jüngsten Abschlüssen mit einer weiterhin angespannten Angebotslage und stabilen Raten bei den 4.250-TEU-Panamaxen. Bei den 3.500-TEU-Frachtern müssten sich die Reeder auf mehr Gegenwind einstellen. »Es sind generell mehr Kandidaten verfügbar. Hinzu kommen Relets, so dass es mehr Konkurrenz unter den Schiffen geben dürfte«, so ein Hamburger Makler.

Günstiger wird die Lage für die Tramp-Reeder in den Subpanamax- lassen von 2.500–3.000 TEU eingeschätzt. Marktteilnehmer sehen durch den Abschluss des Neubaus »Cape Madrid« (2.786 TEU) zu 18.100 US$ für 12 Monate bei Grand China Shipping einen Aufwärtsruck im Markt, der sich angesichts hoher Anfragen fortsetzen könnte. »Es gibt eine Vielzahl von Bedarfen, die noch nicht gedeckt sind. Daher rechnen wir bis zum Sommer mit weiteren leichten Verbesserungen«, heißt es bei einem führenden internationalen Schiffsmakler. Bis zur Sommerurlaubszeit bleiben den Reedern noch knapp zwei Monate. Dann neigt die traditionelle Hochsaison in der Containerbefrachtung zum Ende, womit der Druck auf die Raten üblicherweise wieder zunimmt.

Container-Frachtraten zu niedrig

Ob die Schiffseigner es in der Zwischenzeit schaffen, die Raten weiter hochzukurbeln, hängt wohl vom weiteren Verlauf des Frachtenmarkts für Containertransporte ab. In der Transpazifikfahrt sollen die Kontraktraten in den Jahresverträgen mit großen Verladern zum 1. Mai um rund 10 % gefallen sein. Die noch tiefer gefallenen Spot-Frachtraten ziehen seit mehreren Wochen aber wieder an. Alle sind nun gespannt, ob es den Carriern in der Fernost-Europa-Fahrt gelingt, die Preise auf ein auskömmliches Niveau zu bringen. Die Aussichten auf eine schnelle Erholung werden als gering eingeschätzt.

Bei Basisraten (Bunker Adjustment Factor und andere Zuschläge herausgerechnet) von weniger als 200 US$ pro TEU ex Schanghai würden die Linien tiefrote Zahlen schreiben. Den Breakeven schafften sie erst bei 600–700 US$ pro TEU, so die Marktbeobachter von Alphaliner. Rund zehn Linien inkl. CMA CGM, Maersk und OOCL haben für Mitte Mai / Anfang Juni Ratenerhöhungen von 200–300 US$ pro TEU angekünigt. Allerdings sollen viele Dienste nach dem Kapazitätsausbau der vergangenen Wochen nicht einmal zu 90 % ausgelastet sein. »Die Linien werden garantiert nicht die 300 US$ bekommen. Wir schätzen, es werden eher 75 US$ Erhöhung sein«, so der Trade-Manager einer großen europäischen Spedition gegenüber der Hansa.