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In Wilhelmshaven war die Piraterie nur ein Randthema. Dabei wird das Problem für die Seeschifffahrt immer gewichtiger. Die Piraten feilen an ihrer Infrastruktur und lassen sich durch von Gerichtsverfahren nicht abschrecken.

Das Problem der Piraterie war auf der Nationalen Maritimen Konferenz Ende Mai in Wilhelms­haven durchaus ein Thema, aber nur[ds_preview] am Rande. So sprach sich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) für einen besseren Schutz der Weltmeere vor Piraten aus und forderte, Deutschland und die europäischen Staaten müssten sich dieser Aufgabe stellen. Er riet den Reedern, die »technischen Hilfsmittel« an Bord zu verbessern. Hoffnungen auf mehr Schutz von der Deutschen Marine machte er indes nicht: Das Atalanta-Programm werde höchstwahrscheinlich nicht ausgebaut werden können, sagte er. Das Verteidigungsministerium habe mitgeteilt, dass es keine weiteren Kräfte stellen könne. Mehr als solche Allgemeinplätze waren nicht zu hören.

Während der Pressekonferenz zum Auftakt der Konferenz verwies Rösler als Antwort auf die Frage nach konkreten Hilfestellungen der Bundesrepublik auf Hans-Joachim Otto (FDP), den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Maritimen Koordinator der Bundesregierung. Dieser würde bereits Gespräche mit allen Seiten führen. Otto wiederum bezeichnete die Strafverfolgung der Piraten als einen »sehr misslichen Zustand«. Sie müsse vor allem auf internationaler Ebene intensiviert werden. Er riet den Reedern weiterhin, die gefährdeten Gebiete zu meiden. So spare etwa eine Umfahrung des Kaps der guten Hoffnung nicht nur die Suezkanalgebühren, sondern auch Versicherungsprämien sowie Kosten für private Sicherheitskräfte. »Am Ende kann das sogar kostengünstiger sein«, so Otto zu der knapp 4.500 Seemeilen längeren Route.

Der Beauftragte für die maritime Wirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), hatte in einem Zeitungsinterview im Vorfeld der Nationalen Maritimen Konferenz für eine Ausdehnung der bestehenden Atalanta-Mission der EU vor Ostafrika plädiert. Zudem müsse sich die deutsche Marine stärker engagieren. Für eine höhere Sicherheit der Seewege in diesem Gebiet zu sorgen sei ein wirtschaftliches und gesellschaftspolitisches Gebot, erklärte der Abgeordnete. Er verlangte zugleich einen größeren Eigenbeitrag der Reeder für den Schutz ihrer Schiffe. Fahrten in geschützten Konvois seien sinnvoll.

Keine konkreten Perspektiven

Die Stellungnahmen der Politiker zum Thema Piraterie sind mit derartigen Äußerungen letztlich sehr allgemein geblieben. Konkrete Perspektiven zeigte keiner von ihnen auf. Während der Konferenz wurden die Überfälle auf Schiffe im Indischen Ozean dann auch nicht weiter diskutiert.

Währenddessen gibt es deutliche Anzeichen für eine Eskalation der Situation. So entdeckte das US-Marineschiff »Mc Faul« Ende Mai vor der Küste Somalias das Frachtschiff »Iceberg I« mit rund 50 Piraten an Bord. Das Schiff war im März 2010 mitsamt 24 Seeleuten entführt worden. Die Besatzung des Marineschiffes habe den Frachter identifiziert, obwohl die Piraten den Schiffsnamen mittlerweile überpinselt und durch »Sea Express« ersetzt hatten, teilte ein Sprecher der Anti-Piraten-Task-Force im Hafen von Manama (Bahrain) mit.

Als die US-Marinesoldaten einen Funkspruch an die »Iceberg I« richteten, antworteten die Seeleute, ihr Schiff sei gekapert worden. Daraufhin verfolgte die US-Marine den Frachter 36 Stunden lang. Die Soldaten vermuten aufgrund der vielen Menschen an Bord, dass die Piraten die »Iceberg I« jetzt als weiteres Mutterschiff für Kaperungen benutzen wollen. Trotzdem drehte das Marineschiff nach anderthalb Tagen wieder ab und fuhr zurück zur somalischen Küste.

Mit Seefernaufklärern des Typs Lockheed P-3C Orion, von denen drei Flugzeuge der Mission Atalanta zur Verfügung stehen, wird die »Iceberg I« aber im Blick behalten. Überwachungsflüge sind ein bewährtes Mittel der Soldaten, sich ein aktuelles Bild von den Vorgängen an der somalischen Küste zu verschaffen. So konnten sie feststellen, wie sehr sich die Piraten mittlerweile in ihren Schlupfwinkeln etabliert haben. Aus provisorischen Übernachtungsstellen unter kopfüber liegenden Booten sind mittlerweile kleine Dörfer geworden – offenkundig haben die Männer ihre Familien nachgeholt und sich auf dauerhafte Aufenthalte eingerichtet.

Immer mehr Reifenspuren um solche kleinen Siedlungen deuten auch darauf hin, dass sich die Piraten in ihrer Infrastruktur auf die Versorgung der gekaperten Schiffe eingestellt haben. Denn nicht nur die Seeleute an Bord müssen verpflegt werden, auch deren Bewacher benötigen Lebensmittel und Wasser. Für ein Dutzend gekaperte Schiffe mit jeweils rund 20 Geiseln und ihre Bewacher sind rund 100 Menschen im Hinterland mit der Versorgung beschäftigt.

Unterdessen stehen weltweit immer mehr Piraten vor Gericht. In Norfolk im US-Bundesstaat Virginia wurden fünf angeklagte Somalier von den Geschworenen in einem zweiwöchigen Prozess der Piraterie, des Angriffs mit gefährlichen Waffen und der versuchten Schiffsplünderung für schuldig befunden. Das Urteil: Lebenslange Haft. Es war der erste amerikanische Piratenprozess seit mehr als 190 Jahren.

In Malaysia droht die Todesstrafe

Wesentlich härter könnte das Urteil gegen vier Seeräuber ausfallen, die in Malaysia vor Gericht stehen. Sie hatten im Januar einen malaysischen Tanker gekapert und kurzzeitig in ihrer Gewalt gehalten. Als malaysische Soldaten das Schiff im Golf von Aden befreiten, eröffneten die Piraten das Feuer auf sie. Die Staatsanwaltschaft klagte die Somalier nun wegen des Gebrauchs von Feuerwaffen gegen malaysische Militärangehörige an. Bei einer Verurteilung könnte dies die Todesstrafe nach sich ziehen. Vor einem Jahr waren bereits im Jemen sechs Piraten zum Tode verurteilt worden. Seither hat man nichts mehr von ihnen gehört. Der Hamburger Piratenprozess gegen zehn Somalis, denen vorgeworfen wird, am Ostermontag 2010 das Containerschiff »Taipan« einer Hamburger Reederei überfallen zu haben, verzögert sich dagegen weiter. Ursprünglich war ein Urteilsspruch bis zum März dieses Jahres erwartet worden. Nun haben die Prozessbeteiligten weitere Verhandlungstermine bis zum 30. November abgesprochen. Begonnen hatte der Prozess am 22. November 2010.

Die Piratenabwehr schafft aber auch Arbeitsplätze in Deutschland. Eine zunehmende Zahl von Firmen sieht mittlerweile einen wachsenden Markt für Dienstleistungen rund um die maritime Sicherheit. So bietet die Internationale Bodyguard & Sicherheitsagentur (i.b.s.) bewaffneten Begleitschutz für Schiffe und praktische Ausbildung der Mannschaft an. Das 1996 gegründete Hamburger Unternehmen offerierte in der Anfangszeit Personenschutz in Krisengebieten. Im Jahr 2005, als in Schifffahrtskreisen eine ernste Bedrohung durch Piraterie oft noch bestritten wurde, unterbreitete es erstmals Reedereien Angebote, Schiffe in gefährdeten Gebieten mit armierten Kräften zu begleiten. »Die Resonanz darauf aber war bei deutschen Reedern noch sehr verhalten«, erinnert sich Horst Rütten, geschäftsführender Gesellschafter von i.b.s. »Im Ausland ist die Einstellung anders. Koreaner und Japaner waren die ersten, die unsere Dienste in Anspruch nahmen.« Zu den Schiffsschützern des Unternehmens gehören Männer, die aus militärischen Spezialeinheiten kommen und sich mit den speziellen Gegebenheiten an Bord auskennen. Außerdem müssen sie im Seerecht und in den Rechtsgrundlagen des jeweiligen Flaggenstaates kundig sein.

Schutz gegen die Waffen von Piraten beispielsweise sollen tragbare Platten des Unternehmens IBL Engineering im niedersächsischen Vahlde bieten. Sie können bei der Fahrt durch Gefahrengebiete von den Schiffsbesatzungen selbst rund um die Kommandobrücke oder an der Reling montiert werden und halten dem Beschuss von Handfeuerwaffen stand. Auf Schiffen der Deutschen Marine sind solche Platten bereits zusätzlich im Einsatz.

Mitarbeit: Nikos Späth


Eigel Wiese