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Gebaut in Rostock, getauft in Amsterdam, unterwegs auf den Flüssen und Kanälen

Europas: Die »Viking Prestige« wird vor allem Kunden aus dem englischsprachigen Raum fortan als schwimmendes Hotel dienen.

Janice Farrar-Titus, die Frau des 2009 verstorbenen Warren Titus, stand als Patin bereit, um die »Viking Prestige« zu taufen[ds_preview]. Warren Titus gilt als Pionier der modernen Flusskreuzschifffahrt. Für Viking River Cruises ist die »Viking Prestige« das erste einer Serie von zehn für Europa geplanten Schiffen, die bis 2014 die Flotte im Rahmen einer Gesamtinvestition von 250 Mio. US$ ergänzen sollen.

Gleichzeitig ist der Neubau nach der »Viking Legend« der zweite »grüne« Neubau mit dieselelektrischem Antrieb, der besonders sparsam und vibrationsarm arbeiten soll. Für die Neptun-Werft ist die »Viking Prestige« bereits der 16. Neubau eines Flusskreuzfahrtschiffes seit 2002.

Das jetzt abgelieferte Schiff, von den norwegischen Schiffsarchitekten Yran & Storbraaten entworfen, gilt als konsequente Weiterentwicklung des zukunftsweisenden diesel-elektrischen Konzeptes von Viking.

Schiffskonzept

Kundenorientierte Gestaltung und eine Adaption des Viking-Styles sollen einen hohen Wohlfühleffekt bewirken. Zu den öffentlichen Räumen, die eine vielfältige, ganztägige Nutzung erlauben, gehört auf dem Oberdeck im hinteren Teil des Schiffes die Bücherei, ein kleiner, gemütlicher Raum, der bei Bedarf auch für kleine Gesellschaften genutzt werden kann. Daran schließen sich Passagierkabinen und zwei Suiten an. Im Bugbereich ist die verglaste Lounge mit Panoramablick eingerichtet. Sie bietet über 190 Sitzplätze. Als besonderes Merkmal gibt es einen großen wintergartenähnlichen Bereich und einen großen Außenbalkon. Das Raumkonzept der »Viking Prestige« ermög­licht auch bei der Fahrt durch Gebiete mit vielen Brücken, wie den Rhein-Main-Donaukanal, den Aufenthalt im Freien, wenn das Sonnendeck nicht genutzt werden kann. Das geräumige Atrium erstreckt sich über zwei Decks. Hier gibt es eine Kaffeebar mit gemütlichen Sitzgelegenheiten. Ferner befinden sich in diesem Bereich die Toilettenanlagen. Die klimatisierbaren öffentlichen Bereiche sind mit dimmbarer Beleuchtung und vom Architekten ausgewählten sowie programmierten Lichtspielen ausgestattet, mit denen je nach Jahres- und Tageszeit unterschiedlichste Stimmungen erzeugt werden können.

Im vorderen Teil des Mitteldecks befinden sich die Küche und das direkt an das Atrium angrenzende Restaurant mit 200 Sitzplätzen. Der hintere Bereich ist auch hier den Kabinen vorbehalten. Alle Kabinen auf diesem Deck und auf dem Oberdeck verfügen über französische Balkons.

Das Hauptdeck nimmt außer Passagierkabinen auch die Kabinen für die Besatzung auf. Davor befinden sich neben dem Aufenthaltsraum für die Besatzung auch die Wäscherei sowie die Gefrier- und Lager­räume. Zudem sind im vorderen Bereich die Abwasseraufbereitungsanlage sowie Technikräume für Stromerzeugung und Bugstrahler untergebracht.

Das gesamte freie Deck des Schiffes ist als Sonnendeck ausgebildet; im Rasenteppich sind Spielflächen eingebettet. Im hinteren, leicht abgesenkten Bereich sind hydraulisch betätigte Sonnenschutzdächer angeordnet. Vom voll versenkbaren Steuerhaus hat der Schiffsführer freien Blick auf die Fahrtstrecke. Seitlich angeordnete, ebenfalls versenkbare Seitenfahrstände ermöglichen gute Übersicht beim An- und Ablegen.

Das geräumige Atrium mit einem Glasdom verbindet über eine elegante Treppe Ober- und Mitteldeck, wo sich auch die Rezeption mit angrenzendem Büro, der Ausflugschalter sowie ein Shop befinden.

Interieur und Ausstattung

Die »Viking Prestige« bietet Platz für 188 Passagiere in 97 Außenkabinen. Die durchschnittliche Größe beträgt 15,5 m². Von den Außenkabinen sind, wie erwähnt, 72 mit französischen Balkos augestattet. Zwei sehr geräumige Suiten mit einer Fläche von über 30 m² bieten in separaten Schlaf- und Wohnräumen großen Komfort. Die Bäder der Suiten verfügen auch über eine Badewanne. Für allein reisende Gäste stehen fünf Single-Kabinen zur Verfügung. Zudem ist eine Kabine für Menschen mit eingeschränkter Mobilität vorhanden.

Alle Doppelkabinen sind mit großen, geteilten Betten, einem geräumigen Bad mit Dusche, Haartrockner, Safe, Kühlschrank, einem Stuhl sowie einem Frisiertisch und individuell regelbarer Klimaanlage ausgestattet. Flachbildfernseher wie auch modernste Kommunikationstechnik mit LAN-Anschluss runden das Interieur ab. Alle Passagierräume sind in hellen freundlichen Farben gehalten, hochwertige Möbel mit dekorativen Oberflächen laden zum Wohlfühlen ein.

Zur Klimatisierung sind alle Kabinen mit Fancoils bestückt. Mit deren Hilfe kann die zentral vorbehandelte Luft individuell nacherwärmt oder gekühlt werden. Somit verfügt jede Kabine über eine eigene, durch Raumthermostate regelbare Klimaanlage /Frischluftversorgung.

Das Flussschiff verfügt über eine Sat-TV-Anlage; zudem wird ein Informationsprogramm über die TV-Geräte in die Passagierkabinen gesendet. Über Großbildschirme im Foyer werden die Passagiere mittels digitalen Kartenmaterials über den Reiseverlauf informiert. Hochwertige Kameras zeigen die vorbeiziehende Landschaft. Gleichzeitig dient die Kameraanlage zur Überwachung der wesentlichen Außenbereiche des Schiffes und erhöht somit die Sicherheit der Personen an Bord.

Die Klimaanlage ist im Sommerbetrieb für Innentemperaturen von +24 °C (45 % RH) bei +36 °C (70 % RH) Außentemperatur und im Winterbetrieb für Innentemperaturen von +22 °C bei Außentemperaturen bis zu -10 °C ausgelegt. Die Anlage ist dabei für eine Rohwassertemperatur von max. 29 °C ±2 °C dimensioniert. Die Frischluftrate pro Person beträgt 25 m³/h.

Die öffentlichen Bereiche wie Restaurant, Lounge, Bibliothek und Foyer etc. werden über Deckenauslassgeräte klimatisiert. Die Klimaanlage dieser Bereiche wird zentral gesteuert, unterschiedliche Programme je nach Tageszeit und Nutzungsintensität sind vorgesehen.

Das Steuerhaus wird durch ein Splitgerät klimatisiert.

Technische Daten

Kern des Antriebssystems ist eine diesel-elektrische Energieerzeugungsanlage. Nach Reedereiangaben handelt es sich hierbei um eine Weiterentwicklung des bereits auf der »Viking Legend« eingesetzten Konzeptes.

Die Anlage für die Stromerzeugung für die Hauptantriebsanlage und das Bordnetz besteht aus vier von Zeppelin Power Systems gelieferten Caterpillar-Diesel­motoren. Zwei Aggregate des Typs C 32 Acert Dita Swac mit einer Leistung von je 994 kW bei 1.800 1/min und zwei des Typs C 18 Acert mit einer Leistung von je 383 kW bei 1.500 1/min können über ein elektronisches Motormanagement bedarfsabhängig betrieben werden. Die Motoren verfügen über elektronisch gesteuerte Einspritzpumpen. Als Antriebs­anlagen dienen vier dreiflügelige Doppelpropelleranlagen des Typs STP 200, Fabrikats Schottel. Das Schiff erreicht hiermit eine Geschwindigkeit von über 21 km/h.

Mit Rücksicht auf den Wohlfühlkomfort an Bord wurde an die Schallisolierung besondere Anforderungen gestellt. Im Ser­vice­betrieb des Schiffes werden bei 90 % MCR (außer Manöverbetrieb) folgende Schallgrenzwerte eingehalten:

• Passagier-Kabinen (max.) 5 dB (A)

• Gesellschaftsräume (max.) 60 dB (A)

• Crew-Kabinen: 60 dB (A)

• Crew-Messe: 65 dB (A)

• Steuerhaus: 60 dB (A)

Um die Einhaltung dieser Werte zu erreichen, wurden Ruderpropeller, Haupt- und Hilfsdiesel, Pumpen und Verdichter elastisch gelagert. Der Maschinenraum und andere technische Räume erhielten eine entsprechend wirkungsvolle Schallisolierung. Zudem wurde in Teilbereichen der Kabinen schwimmender Estrich eingebaut.

Die mit Dieselmotoren angetriebenen Generatoren speisen die benötigte elektrische Leistung über Frequenzumrichter in das Bordnetz ein. Das Leistungsmanagement ist so ausgelegt, dass im Regelfall je ein großes und ein kleines Aggregat für die Bereitstellung der Propulsionsleistung und den »Hotelbetrieb« arbeiten. Die kleinen Aggregate können zudem so geschaltet werden, dass der jeweils inaktive Dieselgenerator die Funktion eines Notstromaggregates übernimmt. Jeweils ein großer und ein kleiner Maschinensatz sind in separaten Maschinenräumen im Heck und im Vorschiff untergebracht. Diese Anordnung bietet maximale Sicherheit bei Ausfall eines Maschinenraums und gewährleitstet so einen stets sicheren Schiffsbetrieb. Zudem kann durch die tageszeitliche Wahl der aktiven Generatorsätze die Geräusch­emission auf die Passagierbereiche positiv beeinflusst werden: Nachts, wenn also keine Aktivitäten in den öffentlichen Bereichen mehr stattfinden, laufen die vorderen Anlagen. Während des Tages, wenn also die achtern angeordneten Kabinen nicht genutzt werden, arbeiten die hinteren Aggregate. Das Powermanagement-System sorgt automatisch für eine lastabhängige Zu- und Abschaltung der Generatoren.

Nicht nur zur erhöhten Manövrierfähigkeit, sondern auch als zweite, unabhängige Antriebsanlage sind als Bugstrahler zwei Schottel-Pumpjets SPJ 82 RD mit einer Leistung von je 300 kW und einer Schubkraft von über 27 kN installiert. Der Antrieb erfolgt durch entsprechende Elektromotoren.

Im hydraulisch höhenverstellbaren Fahrstand sind ein Einmann-Steuerpult, die beiden Flussradargeräte, die Funkanlagen sowie alle relevanten Steuer- und Kontrollelemente angeordnet. Zwei seitliche, ebenfalls höhenverstellbare Nockfahrstände mit den wesentlichen Steuer- und Kontrollelementen erinnern an große Kreuzfahrtschiffe und ermöglichen ein sicheres Anlegen und das Passieren niedriger Brücken.

Ver- und Entsorgungssysteme

Alle Bereiche des Schiffes sind an das Wasserfeuerlöschsystem (Hydrantensystem) angeschlossen. Alle öffentlichen Bereiche sowie die Kabinen sind zusätzlich mit einer Sprinkleranlage ausgerüstet. In den Maschinenräumen befinden sich fest installierte Novec-Feuerlöschanlagen.

Zum Lenzen der wasserdichten Abteilungen dienen vier automatisch arbeitende Lenz-/Ballast-/Feuerlöschpumpen mit einer Leistung von je ca. 50 m³/h/4,0 bar. Die­se Pumpen werden auch zum Leeren und Füllen der Ballasttanks eingesetzt, z. B. zum Erreichen der Fixpunkthöhe.

In das Schiff wurden Frischwasservorratstanks mit einem Volumen von ca. 140 m³ eingebaut. Zwischen Füllstation und Vorratstanks dient eine automatische Chlorierungsanlage für die Entkeimung des Trinkwassers. Vor dem Frischwasservertei­lersystem ist eine UV-Anlage installiert. Drei Wasser­enthärter sind vor bestimmten Verbrauchern in der Wäscherei, der Küche und der Pantry eingebaut. Mit einer zusätzlichen Umkehrosmose-Frischwassererzeugungsanlage werden etwa 50 m³ Frischwasser pro Tag an Bord erzeugt.

Warmwasser wird durch zwei Heizkessel im Maschinenraum erzeugt und mittels zweier Umwälzpumpen im Schiff verteilt.

Die Aufbereitung aller Grau- und Schwarz­wässer erfolgt in einer für den Bedarf von 250 Personen ausgelegten Mem­bran-Kläranlage. Die Kläranlage wird kontinuierlich aus einem belüfteten Sammeltank von ca. 18 m³ beschickt. Das Schwarzwasser wird über eine Vakuum-Anlage in den Sammeltank gefördert. Die Küchenabwässer werden in einem Küchenabwassertank gesammelt und über einen Fettabscheider in den Grauwassertank geleitet. Das abgeschiedene Fett und Öl wird in den Speisereste-Sammelbehälter gefördert. Küchenabfälle und Speisereste werden zerkleinert und in Sammelbehältern zwischengelagert.


Hermann Garrelmann