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Aida und Costa Crociere bestellen neue Flaggschiffe in Japan und Italien. Dass Deutschland bei den jüngsten Neubauten leer ausging, sorgt für Unmut. Ausschlaggebend waren offenbar vor allem die Kosten.

Für Werner Lundt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meeres­technik (VSM), ist es »ein Dammbruch, dass jetzt auch solche[ds_preview] Passagierschiffe in Asien bestellt werden«: Mit insgesamt drei am 3. August unterschriebenen Neubau-Bestellungen und einer Optionsvereinbarung für die jeweils größten Schiffe ihrer Reedereigeschichte bauen die zum amerikanischen Carnival-Konzern gehörende italienische Costa-Gruppe und ihre deutsche Zweigniederlassung, die Rostocker Reederei Aida Cruises, ihre ausschließlich unter italienischer Flagge betriebenen Flotten weiter aus. Der Gesamtwert dieser noch unter den üblichen Vorbehalten stehenden Aufträge liegt bei rund 1,5 Mrd. €. Die Geschäfte gehen an dem auf Spezialschiffe setzenden deutschen Schiffbau vorbei. Die Reederei Aida Cruises hat sich als deutscher Marktführer mit derzeit acht Clubschiffen nach einer internationalen Ausschreibung erstmals für eine japanische Werft entschieden. Nachdem ihr erster Neubau seinerzeit in Finnland bestellt wurde und zwei weitere Einheiten aus Wismar folgten, wurden bei der Papenburger Meyer Werft sieben Schiffe der Sphinx-Klasse geordert, von denen die letzten beiden 2012 und 2013 geliefert werden. Bei den beiden jetzt von ihr bei Mitsubishi Heavy Industries (MHI) zur Lieferung im März 2015 bzw. 2016 in Japan bestellten Neubauten handelt es sich nach Angaben der Reederei nicht um eine Weiterentwicklung, sondern um »innovative Clubschiffe einer neuen Generation«. Sie werden über jeweils 3.250 Betten verfügen bei einer Bruttoraumzahl von 125.000. Die beiden Schiffe aus Ostasien werden »sowohl hinsichtlich ihrer Produktinhalte als auch in Sachen Umweltfreundlichkeit neue Maßstäbe setzen«, kündigte Aida-Präsident Michael Thamm an.

Für VSM-Hauptgeschäftsführer Lundt ist es »besonders tragisch, dass dieser Auftrag an eine ostasiatische Werft auch noch von einem deutschen Unternehmen kommt, das damit den Dammbruch mitrealisiert«. Wie schon das erste Aida-Schiff war auch das derzeitige Flaggschiff von Hapag Lloyd Kreuzfahrten, die »Europa«, nicht in Deutschland, sondern in Finnland erbaut worden, während die neue »Europa 2« Anfang dieses Jahres an die zur koreanischen STX-Gruppe gehörende Werft im französischen St. Nazaire vergeben wurde und damit immerhin ebenfalls in Europa gebaut wird.

Japaner 25 % unter Marktwert?

Da Aida Cruises mit den aktuellen Neubauten der Meyer Werft nach Angaben einer Reedereisprecherin »sehr zufrieden« ist und die an der jüngsten Ausschreibung auch wieder beteiligten Papenburger diese »neue Clubschiffsgeneration« hinsichtlich Qualität, Größe und Liefertermin nach Angaben von Werftsprecher Peter Hackmann ebenfalls liefern könnte, hat zweifellos der Preis die entscheidende Rolle für die Auftragsvergabe nach Ostasien gespielt. Er liegt nach Einschätzung von Lundt »jenseits von Gut und Böse« und bestätigt die Befürchtung, dass die Asiaten wegen der schwachen Nachfrage nach Standardschiffen im Kreuzfahrtsegment »wildern wollen«. Bei einem Gesamtinvestitionsvolumen von 455 Mio. € pro Schiff dürfte der reine Baupreis dieser im März 2015 bzw. März 2016 zu liefernden Neubauten nach Einschätzung von Insidern um rund 25 % unter dem Marktwert und damit auch deutlich unter den Materialkosten liegen. »Wir haben scharf kalkuliert und hätten diese Schiffe gern gebaut«, bedauert Hackmann die Entscheidung der Reederei. Er weist in diesem Zusammenhang auch auf das umfassende Know-how der Werft hin, das man in zukunftsweisende Entwicklungen für Aida investiert habe. Die noch mit acht Neubauten im Wert von rund 5 Mrd. € bis Anfang 2015 beschäftigte emsländische Werft, die auch von dem – im Gegensatz zu Ostasien – komplett vorhandenen Umfeld kompetenter Zulieferer und Ausrüster profitiert, gilt inzwischen als Marktführer in diesem Segment vor dem italienischen Staatskonzern Fincantieri und den vom koreanischen STX-Konzern vor einigen Jahren in Finnland und im französischen

St. Nazaire übernommenen Werften für Passagierschiffe. Die zum MHI-Konzern gehörende nun beauftragte japanische Werft wagte vor zehn Jahren schon einmal den Einstieg in das Kreuzfahrtsegment mit ruinösen Preisen und in Erwartung von Anschlußaufträgen. Sie hatte bereits 2004 die 290 m langen 115.875-BRZ-Kreuzfahrtschiffe »Diamond Princess« und »Sapphire Princess« an die ebenfalls zur Carnival-Gruppe gehörende Reederei Princess Cruises abgeliefert, die Angaben der Reederei zufolge »sehr erfolgreich« betrieben werden. Die jetzige Entscheidung sei allerdings ausschließlich das Ergebnis einer Ausschreibung und basiere auf kaufmännischen Erwägungen, wurde aus Rostock versichert.

Costa-Aufträge in die Heimat

Mit rund 140.000 € pro Unterbett liegt der Preis der neuen Aida-Flaggschiffe schließlich auch deutlich unter dem des neuen Flaggschiffes, das der europäische Marktführer Costa am gleichen Tag bei dem Werftbetrieb Marghera des italienischen Fincantieri-Konzerns bestellt hat: Für dieses schon im Oktober 2014 zu liefernde 132.500-BRZ-Schiff, das mit einer Kapazität von 4.928 Gästen in 1.854 Kabinen auch das größte italienische Kreuzfahrtschiff sein wird, muss Costa immerhin 150.000 € pro Unterbett anlegen. Bei diesem Neubau, dessen Finanzierung in Kürze abschließend geregelt werden soll, handelt es sich um eine Weiterentwicklung der in den letzten Jahren gelieferten Schiffe der »Concordia«-Klasse mit Innovationen wie dem ganzheitlichen »Samsara Spa« und einer riesigen Kinoleinwand auf dem Pooldeck. Verbunden mit der Bestellung ist die Option für ein zweites Schiff dieses Typs. Die Auftragsvergabe der sich nach einem »Zwischenspiel« bei bremischen Schiffbauern – 1996 wurde die »Costa Victoria« als erstes von ursprünglich zwei beim Bremer Vulkan bestellten Schiffen geliefert – auf ihre nationale Werftindustrie konzentrierenden Italiener erfolgte nur wenige Tage nach dem Aufschwimmen der »Costa Fascinosa« am 29. Juli im Baudock der gleichen Werft in Marghera bei Venedig. Dieser im Mai 2012 zu taufende jüngste Costa-Neubau ist das 16. Schiff der Flotte des europäischen Marktführers. Das mehr als 500 Mio. € teure Schiff kommt bei einer Länge von 290 m, einer Breite von 35,5 m und einem Tiefgang von ca. 8 m auf eine Vermessung von ca. 114.500 BRZ. Erst Anfang Juli war in Triest das Schwesterschiff »Costa Favolosa« getauft und in Dienst gestellt worden. Insgesamt hat Costa seit 2000 zehn neue Kreuzfahrtschiffe im Wert von über 5 Mrd. € ausschließlich bei Fincantieri bestellt.

Weitere 90 Mio. € werden für den Umbau der »Costa Romantica« (ca. 53.000 BRZ, 1.697 Gäste) zur »Costa neoRomantica« ausgegeben. Dieses Schiff gestalten vom 28. Oktober dieses Jahres bis Ende Januar 2012 die Werft San Giorgio del Porto in Zusammenarbeit mit der T.-Mariotti-Werft nach Plänen des schwedischen Architekturbüros Tillberg Design sowie des britischen Hotelausstatters und Spa-Spezialisten Syntax für eine gehobene Klientel neu. Durch zusätzliche Teildecks, 111 neue Kabinen sowie 120 Balkonkabinen soll es um ca. 3.000 BRZ vergrößert werden. Mit dann 789 Kabinen für bis zu 1.800 Gäste geht die »Costa neoRomantica« im Sommer 2012 in Nordeu­ropa auf zweiwöchige Kreuzfahrten auf einer komplett neuen Route.

Mit dem Verkauf der »Costa Marina« nach der am 13. November auslaufenden Charter mit dem französischen Veranstalter TAAJ Croisieres scheidet dann eines der beiden ältesten Schiffe endgültig aus der Costa-Flotte aus. Wie die im nächsten Jahr ebenfalls auszumusternde »Costa Allegra« ex »Annie Johnson« war das ursprünglich unter dem Namen »Axel Johnson« in Dienst gestellte Schiff 1969 als Containerfrachter in Turku für die damalige Johnson Line gebaut und 20 Jahre später von T. Mariotti in Genua zum Kreuzfahrer umgebaut worden. Mit einem Umsatz von rund 2,85 Mrd. € bei 2,15 Mio. Gästen im Jahr 2010 ist Costa Crociere der größte Touristikkonzern Italiens. Für die gesamte Costa-Gruppe einschließlich der Rostocker Reederei Aida Cruises und deren Flotte von Kussmund-Clubschiffen befinden sich derzeit 26 Schiffe in Fahrt. Bis März 2016 wächst diese Gesamtflotte durch den Erwerb von sieben weiteren Neubauten aus Deutschland, Italien und Japan auf dann 32 Einheiten.


Jens Meyer