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Anerkanntermaßen ist Maersk die größte Reederei der Welt, aber kann Größe allein den Ausschlag dafür geben, über die Containerschifffahrt bestimmen zu wollen?

Völlig unbemerkt muss wohl im Hause Maersk ein Paradigmenwechsel stattgefunden haben, den man auf den ersten Blick nicht direkt verstehen[ds_preview] kann, aber scheinbar entwickelt sich dort ein Trend, in die Belange der Containerschifffahrt meinungsbildend eingreifen zu müssen.

Der Begriff Paradigmenwechsel stammt aus der Naturwissenschaft und bezeichnet einen Wechsel zu einem neuen Denkmodell. Diese neue Modevokabel findet überall dort Anwendung, wo ein Wechsel oder Wandel in Mitteln, Methoden oder Moden Platz greift. Ein solcher Paradigmenwechsel hat aktuell in der Reederei Maersk stattgefunden, soweit es die Außendarstellung des Unternehmens, seine Größe und die globale Bedeutung für die Schifffahrt betrifft. Zum besseren Verständis der Sachlage muss man einfach ein paar Jahre zurückblicken.

Im Jahr 2006 stellte die Reederei Maersk neue Schiffe in Dienst, deren Größe zur damaligen Zeit einmalig war. Die so genannte »E«-Klasse der neuen Maersk-Schiffe (z. B. »Emma Maersk«) wurde von der Reederei mit einer Ladekapazität von 11.000 TEU vorgestellt. Als dieser Schiffstyp erstmalig an den Containerterminals erschien, stellte sich die Frage nach der tatsächlichen Größe und Ladekapazität. Erst im weiteren Handling dieser Schiffe wurde klar, dass Maersk die wirkliche Größe der Schiffe verschleiert hatte. Im Tagesgeschäft wurde allmählich klar, dass diese Schiffe de facto 15.550 TEU Kapazität hatten. Ziel dieser Vorgehensweise war, die Konkurrenz im Unklaren darüber zu lassen, welche Schiffsgröße die Reederei mittlerweile wirklich hatte.

Diese Art der Kommunikation ist mittlerweile einer Marktoffenheit gewichen, die an Deutlichkeit in der Aussage nichts zu wünschen übrig lässt. Offen wird nun kommuniziert, welche Schiffsgrößen bestellt werden, nämlich 20 Containerschiffe mit einem Ladevolumen von je 18.000 TEU, die im Frühjahr 2011 geordert wurden. Gleichzeitig aber spricht die Chefetage ebenso offen ihr Unverständnis dafür aus, dass kleinere Linienoperateure, die nur einen Marktanteil im einstelligen Bereich haben, auch große Schiffe jenseits der 13.000 TEU bestellen.

Die Bestellung einer solchen Armada von Containergiganten ist aus der Sicht von ­Maersk zwingend logisch für die Kostenstruktur des Containertransports und unter Emissionsgesichtspunkten auch im Sinne der Umwelt. Aber die Art und Weise, wie über die strategischen Entscheidungen von Reedereien, die sich im direkten Wettbewerb mit dem »Branchenprimus« befinden, geurteilt wird, hat schon einen faden Beigeschmack.

Im August 2011 kommentierte der Partner und Group CEO von Maersk, Nils Smedegaard Andersen, das Ganze wie folgt: »Wir haben 20 Schiffe mit 18.000 TEU, die so genannten ›Triple-E‹-Schiffe, im ersten Halbjahr bestellt zu einem Preis von 3,8 Mrd. US$. Diese Schiffe werden ab Anfang 2013 abgeliefert. Wir sind davon überzeugt, dass dies die richtige Entscheidung war. Es ist keine große Expansion unserer Flotte und die Entscheidung basiert nicht auf wiederkehrenden Wachstumsraten von 10 bis 13 %, die wir in Boomzeiten in der Vergangenheit gesehen haben … Wir sind die Marktführer auf den Asien-Europa-Routen. Wir können diese Schiffe vollmachen und sie werden uns einen guten Kostenvorteil und eine gute Entwicklung bei den Emissionswerten bringen. Deshalb freuen wir uns auf den Einsatz dieser Schiffe.

Überraschend ist, dass Marktteilnehmer mit einem Marktanteil von 2 % oder 3 % am Weltmarkt darüber nachdenken, dass sie im Bereich der 13.000-TEU-Schiffe im Asien-Europa-Verkehr mitmachen, aber es zeigt, dass etwas geschehen muss in der Containerindustrie, weil dumme Entscheidungen getroffen werden« (Übersetzung des Autors).

Diese Aussage muss man erst einmal sacken lassen. Mit der Bestellung der 18.000-TEU-Schiffe wirft Maersk der Konkurrenz den Fehdehandschuh vor die Füße und meint, mit diesem Verhalten die Konkurrenz davon abzubringen, ebenfalls große Megacarrier zu bestellen. Wie vermessen ist das denn? Redete man früher die Schiffe klein, so wird jetzt dem Markt mitgeteilt, dass so große Schiffe nur einer kann, nämlich Maersk.

Maersk ist nicht die Containerschifffahrt, sondern es gibt sehr wohl auch andere ernst zu nehmende Marktteilnehmer, die ebenfalls Größe haben und diesen Markt zumindest zum Oligopol machen. Allerdings offenbart das Oligopol eine Schwäche, die in der derzeitigen Marktsituation überdeutlich wird. Die wenigen großen Anbieter schlagen sich mit den etwas kleineren Anbietern, die ebenfalls in die Großschiffe investiert haben, die Frachtraten um die Ohren. Dies führt zu einem ruinösen Wettbewerb, der auf Dauer nicht fortgesetzt werden kann.

Im ersten Halbjahr 2011 konnten von den Top-20-Containerreedereien nur vier Gesellschaften einen operativen Gewinn erzielen. Dies sind Maersk, CMA CGM, Hapag-Lloyd und OOCL. Vier Reedereien – näm-

lich MSC, Hamburg-Süd, PIL und UASC – haben ihre Zahlen nicht veröffentlicht. Die restlichen zwölf Reedereien erzielten im ersten Halbjahr 2011 operative Verluste. Allen voran CSAV, die im Verlauf der ersten sechs Monate einen täglichen (!) Nettoverlust von 2,87 Mio. US$ erlitten.

Die Frage stellt sich: Wo soll diese Entwicklung eigentlich noch hinführen? Irgendwann müssen die Besteller der Schiffe doch auch mal wach werden und erkennen, dass es so nicht weitergeht. Aber scheinbar sind sie ­selektiv in ihren Wahrnehmungen, denn der Wahnsinn geht weiter. Zurück­stecken will keiner, weil jeder die Angst hat, bei diesem Wettrennen um Marktanteile aus der Kurve zu fliegen. Es war vielleicht das falsche Signal zur falschen Zeit, denn der Markt fing gerade erst an, sich von der letzten Krise zu erholen. Doch über die günstigen Baupreise wurde ein Bestellrausch in Gang gesetzt, der nun ein weiteres Problem nach sich zieht.

Wenn man eine Party veranstaltet und viele Gäste erwartet, kann man sich bei einem Hamburgerbräter eine große Anzahl von Hamburgern zubereiten lassen, um den Appetit der Gäste zu stillen. Bleiben die Gäste jedoch aus, sitzt man auf einem Berg von Hamburgern, die man zwar kurze Zeit aufheben kann, aber irgendwann wegwirft. Man hat zwar etwas Geld verloren, aber das Problem ist erledigt.

Mit Schiffen, insbesondere Megacarriern, geht das nicht so einfach. Mit den vielen Neubauten lässt sich vielleicht der Verdrängungswettbewerb prima durchziehen und man wirft ein paar Konkurrenten aus dem Rennen. Aber das Problem ist, dass die überzähligen Schiffe nach Erreichung des Klassenziels immer noch vorhanden und keineswegs so einfach zu entsorgen sind, wie die Hamburger nach der Party.

Der Unterschied zwischen den in der Tabelle genannten Zahlen und denen des ersten Quartals dokumentiert sich wie folgt: Für die zweite Jahreshälfte 2011, für 2012 und 2013 werden Neubauablieferungen von insgesamt 517 Containerschiffen mit einer Stellplatzzahl von 4.016.712 TEU erfolgen. Im ersten Quartal stand dieser Wert bei 495 Containerschiffen mit insgesamt 3.720.176 TEU, also eine weitere Zunahme der Kapazitäten um knapp 300.000 TEU.

Eines zeigt die Tabelle sehr deutlich: In den Tonnagebereichen zwischen 2.000 und 4.000 TEU kommt im Vergleich zu den Großschiffen nicht besonders viel neue Tonnage zur Ablieferung. Dieser Schiffstyp verkörpert heute den klassischen Fastfeeder, der benötigt wird, um die Häfen zu erreichen, die von den Megacarriern nicht angelaufen werden können. Hier eröffnet sich die Chance, dass das Charterraten­niveau im nächsten Frühjahr wieder ansteigt, weil die Ladungsmengen der großen Schiffe verteilt werden müssen und die Tonnage im Größenbereich darunter kaum wächst.

Für die riesigen Containerschiffe stellt sich die Frage: Wann wird die Reederschaft wach und gebietet diesem Wahnsinn den Einhalt? Hoffentlich bald, aber festzuhalten bleibt die Tatsache, dass diejenigen Reedereien, die diesem Bestellrausch verfallen sind, mit ihrem Handeln und dessen Folgen keinen Platz in der Hall of Fame erworben haben. Zumindest nicht in dieser Runde.

Autor: Michael Rathmann

Anlageberater und Schifffahrtsexperte

www.mira-anlagen.de


Michael Rathmann