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Knapp 700 Teilnehmer kamen zum diesjährigen HANSA-Forum Schiffsfinanzierung und hörten ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Tonnagesteuer. Übereinstimmung herrschte, dass eine Konsolidierung unter den deutschen Reedereien unvermeidbar ist.

Wie in den Vorjahren konnten auch in diesem Jahr wieder Spitzenvertreter von Banken, Emissionshäusern, den Ree­dereien, Fachverbänden und der[ds_preview] Politik als Referenten und Diskussionsteilnehmer gewonnen werden. Das ist bewährte HANSA-Forums-Tradition. Zu den Neuerungen gehörte die Zusammensetzung des Mo­deratoren-Teams, das aus dem Bremer Schifffahrts-Fachjournalisten Michael Hollmann, dem ehemaligen, langjährigen Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Reeder (VDR) Bernd Kröger sowie Nikos Späth, stellvertretender HANSA-Chef­redakteur, bestand. Um es vorwegzunehmen: Die »neue Mischung« fand bei den Teilnehmern einen guten Anklang. Viele waren auch davon beeindruckt, wie ein Mann wie Bernd Kröger, der bis zu seiner Pensionierung 2003 fast 30 Jahre lang die »Stimme des VDR« war, weiterhin in der Schifffahrt verwurzelt ist. Seine schon damals legendäre Fähigkeit, auch komplexe Sachzusammenhänge »druckreif« und pointiert zusammenzufassen, kamen auf diesem Forum zur vollen Entfaltung. Das Trio hatte in den insgesamt drei Panels, die sich verschiedenen Frage- und Themenstellungen widmeten, eine klare Arbeitsteilung vorgenommen.

Bevor der erste Diskussionskreis in Aktion trat, präsentierte der niederländische Schifffahrtsexperte Willem Slendebroek vom angesehenen Transport und Schifffahrts-Informationsdienst Dynamar BV nüchterne und für einige Forumsbesucher sicherlich auch ernüchternde Fakten zur Lage auf den Weltschifffahrtsmärkten. Drei Jahre nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise – und der von ihr dann auch ausgelösten Schifffahrtskrise – sieht es auf den Märkten alles andere als rosig aus. Die ab der Jahresmitte 2010 vorsichtig und dann beschleunigend wirksame »Markterholung« könnte – aus heutiger Sicht – nur ein Zwischenhoch gewesen sein. Bei aller Verschiedenartigkeit der Marktsegmente galt eines für alle Bereiche: Es gibt Überkapazitäten, weil die Schere zwischen Transport­raumangebot und -nachfrage teilweise extrem auseinanderklafft. Mehr Schiffe als tatsächlich gebraucht bedeutet auch: Ratenverfall in der Containerlinienschifffahrt und unter teilweise massivem Druck stehende Charterraten sowohl in der Containerschifffahrt als auch bei Bulkern oder Tankern. Ein kleiner Lichtblick bleibt: Der Markt für die Schwergut- und Projektschiffe liegt noch recht gut auf Kurs. Aufgrund der im Vergleich zu Containerschiffen sehr hohen Baukosten sowie der übersichtlichen Einsatzräume haben sich die in diesem Segment engagierten Reeder mit Neubestellungen sehr zurückgehalten.

Ganz anders sieht es da zum Beispiel bei den Massengutschiffen aus. Slendebroek sprach von einer »enormen Flottenausweitung« in den kommenden beiden Jahren. Bis Ende 2013 kommen demnach nochmals 2.700 Bulker unterschiedlicher Größen in den Markt. Tanker- und Containerschifffahrt stünden ebenfalls vor großen Zuwächsen. Bei den Neubestellungen dominierten klar die XXL-Containerfrachter mit 10.000 TEU und mehr. Auch wenn die Dynamar-Fachleute von einer weiteren Zunahme des Weltseeverkehrs ausgehen: »Die Lage bei den Charter- und Frachtraten bleibt weiterhin volatil.« Die Wettervorhersage lautet knapp: »Raue See« für die kommenden zwei Jahre.

Im Panel 1 stand alles im Zeichen der Wettbewerbsfähigkeit des Schifffahrtsstandortes Deutschland. Als Stimme der Bundesregierung trat dabei Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, auf.

Alle Teilnehmer der Runde stimmten darüber überein, dass die 1999 in Deutschland eingeführte Tonnagesteuer weiterhin der entscheidende Garant für die Zukunftsfähigkeit des Schifffahrtsstandortes »D« sei und auch bleiben müsse. Enak Ferlemann pries das Tonnagesteuer-Modell sogar als ein Musterbeispiel für eine europäische Steuer an. Sie in Deutschland zu etablieren sei damals »ein mühsamer Schritt« gewesen. Doch sie zu erhalten, dafür müssten die deutschen Reeder aus Sicht von Ferlemann noch mehr tun: aus Sicht der Bundesregierung und des Parlamentes, aber auch aus Brüsseler Sicht.

Das hat Ralf Nagel, Hauptgeschäftsführer im VDR, klar erkannt. Der ehemalige Bremer Häfen- und Wirtschaftssenator sprach sich ebenfalls entschieden für den Fortbestand dieser Tonnagesteuer aus. Allerdings müssten aus Sicht der Reeder noch gewisse Anpassungen vorgenommen werden, um die Attraktivität nicht nur hoch zu halten, sondern weiter zu steigern. Gleichzeitig stellte er weitere Gegenleistungen der deutschen Reeder in Aussicht. Sie sollen einen Gesamtwert von 30 Mio. € auf Jahresbasis haben und der Ausbildungs- und Beschäftigungsförderung deutscher Seeleute zugute kommen. Diesen Betrag sollen dabei all jene Reedereien auf den Tisch legen, die zwar die Vorzüge der deutschen Tonnagesteuer nutzen, aber Schiffe unter nichtdeutscher Flagge fahren. Kurz vor dem HANSA-Forum hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages in einer Bereinigungssitzung bereits beschlossen, den von der Bundesregierung gestrichenen Haushaltsansatz für Lohnnebenkostenzuschüsse und Ausbildung ab 2012 um 29,1 Mio. € wieder auf knapp 58 Mio. € zu erhöhen.

Mit Blick auf das schwieriger werdende Wettbewerbsumfeld und die verunsicherten Märkte sprach sich Nagel für einen engen Schulterschluss aller mit der maritimen Wirtschaft verbundenen Einrichtungen aus: »Wenn die See rau ist, müssen alle noch mehr zusammenstehen«, stellte er fest.

Achim Boehme, Geschäftsführer von Lomar Shipping, präsentierte sich als Reeder, dessen Unternehmen bewusst den Weg vom Ausland – in diesem Fall England – zurück nach Deutschland vollzogen habe. Ein wichtiger Grund: Hier habe man die Fachkräfte in ausreichender Anzahl und Qualität finden können, die man am Standort London nicht mehr hatte. Auch das hörte sich gut an: »Wir wollen in Deutschland weiter wachsen.« Dass aber die deutsche Verwaltung noch einiges zu tun hat, das betonten Fachleute wie Detlef Laub von der TPW Rechtsanwaltsgesellschaft, Lars Heymann von PKF Fasselt Schlage und Claus Brandt von PricewaterhouseCoopers sowie Lutz Weber von der Reederei NSB in der Diskussion.

So komme es mit den Betriebsprüfern der deutschen Finanzämter immer wieder zu quälenden Detaildiskussionen. Steuerfachmann Laub sprach vom »Fallbeileffekt«, wenn im nachhinein die Verwaltung das Tonnagesteuer-Regime für den Betrieb doch nicht anerkennt. Dass es auch anders gehen kann, zeigt sich für Laub an den Niederlanden. Dort heißt es klar: Am Anfang steht der ausführliche Check, ob eine Reederei unter das dortige Tonnagesteuerregime fällt. Geht das Licht auf »Grün«, gilt diese Einstufung – ohne quälendes Nachbohren der zuständigen Finanzverwaltung. Das bedeute vor allem Planungssicherheit, was von NSB-Finanzchef Lutz Weber als ganz entscheidende Größe in der Schifffahrt bezeichnet wurde. Die Diskussion zeigte auch, dass Deutschland unbedingt vergleichbare Möglichkeiten in anderen Ländern im Auge behalten muss.

Die große Frage nach der Finanzierbarkeit von Schifffahrt spielte in der zweiten Diskussionsrunde die entscheidende Rolle: »Financed in Germany – der Anfang vom Ende?« lautete die provokante, über dem Panel stehende Fragestellung. Auch hier gab es nicht die eine Antwort, sondern es gab Einschätzungen und Beurteilungen, die weiter führten. Der Tenor: Für die Reedereien – gerade für die kleinen und mittelständischen – wird es noch schwieriger werden, dringend benötigtes Kapital zu gewinnen. Auf der anderen Seite würdigten die Diskussionsteilnehmer das besonnene Verhalten der Marktteilnehmer – auch und gerade der die Schifffahrt finanzierenden Banken – seit dem Ausbruch der ersten Krise zur Jahreswende 2008/09. Reiner Seelheim vom Emissionshaus Nordcapital formulierte es so: »Wir alle haben in den letzten drei Jahren Gewaltiges geschafft.« Den seinerzeit noch von Marktteilnehmern befürchteten Ausverkauf und Zusammenbruch in der Schifffahrt habe es bisher nicht gegeben, stellten die Teilnehmer der Diskussionsrunde übereinstimmend fest. Die Formulierung »hohes Verantwortungsgefühl« fiel wiederholt.

Hermann Ebel, Gründer der Hansa-Treuhand-Gruppe, lag es am Herzen, das Wort »Krise in der Schifffahrt« etwas zu relativieren: »Ich bin jetzt seit 35 Jahren in der Schifffahrt tätig. Was wir jetzt erleben, das ist sicherlich meine achte Krise in dieser Zeit.«

Aktuell bestehe für 59 Fonds eine konkrete »Sanierungsgefahr«, erläuterte Nils Lorentzen von der Deutschen Fondsresearch. Aber angesichts der insgesamt mehr als 30 Mrd. € über das KG-Modell gesammelten Eigenkapitals seien die Ausfälle mit rund 300 Mio. € bislang relativ gering gewesen, stimmte das Podium überein.

Heiß diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die Drei-Jahres-Frist bei den Tilgungsaussetzungen der Banken. Es stellte sich heraus: Ein starre Frist gibt es nicht. Oliver Faak von der Nord/LB sagte, die Frist sei »eine Interpretation der Richtlinie Basel II«, sprich: der Eigenkapitalvorschriften für Banken. Tilgungsaussetzungen seien insofern möglich, »solange das für die Bank tragbar ist«. Auch Christian Nieswandt von der HSH Nordbank und Carsten Wiebers von der KfW IPEX-Bank bestätigten, dass die Fortführung des Kreditverhältnisses nicht an eine bestimmte gesetzliche Frist gebunden sei. Maßstab sei, ob das bestimmte Projekt eine positive Prognose habe. Das Problem bestehe nicht auf regulatorischer Seite, so Wiebers.

Auch diese Einschätzung fand in der Diskussionsrunde eine breite Trägerschaft: Es wird gerade unter der mittelständisch geprägten deutschen Reederschaft in den kommenden Jahren eine Konsolidierung geben, wobei der freiwillige, bewusst herbeigeführte Zusammenschluss von mehreren Unternehmen zu einer neuen Gesellschaft auch dazu gehören wird. Zweitens: Es wird für eine Reihe von Schiffsfonds in Deutschland eine weitere Sanierungsphase anstehen. Einvernehmen bestand zwischen den Teilnehmern, dass bei den Schiffsfonds vor dem Hintergrund einer erneuten Marktverschärfung all jene ein Problem bekommen, die im Falle einer ersten Sanierungsnotwendigkeit »zu kurz gesprungen waren«. Will sagen: Sie haben bei ihren Kapitalgebern – also den Anlegern – nicht ausreichend Sanierungskapital einsammelt. Jetzt erneut einen solchen Schritt durchzusetzen, werde schwierig sein.

In der ebenfalls sehr regen Publikumsdiskussion stimmte der Wortbeitrag des langjährigen Forumsteilnehmers Manfred Brenneisen nachdenklich: »Die Investoren sind verprellt, denn man hört über die Schifffahrt nur noch Negatives.« Für seinen Betrieb habe er rechtzeitig die Weichen gestellt: Er verkaufe nicht mehr nur Schiffsfonds, sondern habe sich bereits anderen Anlagenmöglichkeiten zugewandt, »um weiter davon leben zu können«.

Die Frage »Internationales Geld als Rettungsanker?« stand über dem dritten und letzten Diskussionskreis. Mit großer Aufmerksamkeit folgten die Gäste dabei den Ausführungen der chinesischen Bankmanagerin Li Li von der Export-Import Bank of China (CEXIM). Das 1994 gegründete, vollständig im Staatseigentum befindliche Institut ist direkt in die auf Langfristigkeit ausgelegte chinesische Handelspolitik eingebunden, war den Ausführungen zu entnehmen. Im Schifffahrtsbereich sammelt das Institut erfolgreich Erfahrungen, was auch bedeutet, dass sich die Bank sehr genau ansieht, mit wem sie in eine Geschäftsbeziehung treten will. In ihrem Schiffsfinanzierungsportfolio setzt die Bank auf einen breiten Typen-Mix, um Abhängigkeiten zu begrenzen. Erfolgreiche Finanzierungsabschlüsse im Ausland realisierte sie bislang vor allem mit Unternehmen aus Asien (knapp 37 % der Verträge) und Eu­ropa (rund 31 %). Zu von Frau Li beispielhaft angeführten deutschen Kunden gehört die Reederei Bernhard Schulte.

Die Bankerin räumte aber auch ein, dass man im Umgang mit kleinen und mittelständischen Reedereien in Deutschland noch ganz am Anfang des Erfahrungssammelns stehe. Von verschiedenen Diskussionsteilnehmern wurde China als möglicher Kapitalgeber für deutsche Reedereien eher mittel- und längerfristig als möglicher Partner eingeschätzt. Im Verlauf der Diskussion schälte sich heraus, dass es die eine Finanzierungslösung für die deutsche Reedereilandschaft nicht gibt. Die Einbeziehung von Private-Equity-Gesellschaften in die hiesigen Strukturen hielten die Fachleute für durchweg schwierig. Zudem müsse man als Unternehmen einfach wissen, dass solche Fonds eher in kurz- und mittelfristigen Zeit­räumen denken und handeln. Kein Thema seien für die Masse der deutschen kleinen und mittelgroßen Reedereien Börsengänge.

Eine große Chance sahen die Experten dieser Diskussionsrunde darin, dass sich gerade klein- und mittelständisch geprägte Schifffahrtshäuser zusammenschließen, zum Beispiel über eine Art Genossenschaftsmodell. Neben den betriebswirtschaftlich wirksamen Skaleneffekten – Stichwort: mehr Masse verschafft bessere Einkaufsbedingungen – könnten solche Konstrukte auch die Verhandlungsposition mit den Banken stärken, wenn es um die Gewährung neuer Kredite geht.

Das 15. HANSA-Forum Schiffsfinanzierung brachte in seinen drei Panels zwar keine Patentlösungen hervor, doch es verschuf den Teilnehmern auch dieses Mal einen nützlichen Überblick und gab Denkanstöße für weiteres, eigenes Handeln. VDR-Chef Nagel formulierte – unfreiwillig – so etwas wie ein Fazit, als er feststellte: »Wir fahren durch stürmische See. Und wer selbst zur See gefahren ist, der weiß, dass es dann auch Sturmschäden gibt. (…) Wie hoch diese sind, hängt auch davon ab, wie die Crew – die Banken, die Anteilseigner, die Politik, die Wirtschaft und die Arbeitnehmer – sich in diesem Sturm verhalten. Wenn alle gut durch-

kommen wollen, dann können wir uns auch nach diesem Sturm wieder darum kümmern, dass wir richtig Fahrt aufnehmen.«


Eckhardt-Herbert Arndt