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Wie können deutsche Unternehmen die Chancen nutzen, sich im wachsenden Geschäft um Öl, Gas und Windenergie zu etablieren?

Werften und Schiffbauzulieferer stellen sich darauf ein, dass der Markt für neue Handelsschiffe bald kleiner und noch härter umkämpft sein[ds_preview] wird. Der aktuelle Ratenverfall und die Überkapazitäten in der Container-, Tank- und Massengut­schifffahrt sowie die stark geschrumpften Auftragsbücher auch koreanischer und chinesischer Werften, die riesige, oft gerade neu aufgebaute Kapazitäten zu füllen haben, kündigen magere Jahre an. Zur gleichen Zeit steht die Erschließung des Meeres für die Gewinnung von Energie und Ressourcen vor dem Erreichen neuer Dimensionen. Angetrieben vom steigenden Bedarf einer schnell wachsenden Weltbevölkerung so­wie teilweise beschleunigt durch politische Entscheidungen über die Begrenzung des CO2-Ausstoßes und (in Deutschland) den Ausstieg aus der Kernenergie, entwickeln sich technologisch ambitionierte und investitionsintensive Marktsegmente rasant, wie die Erschließung von Öl- und Gasvorkommen in großen Wassertiefen oder in der Arktis, die Offshore-Windenergie und der Meeresbergbau.

Voraussetzung für die Ausschöpfung dieser Potenziale ist die Verknüpfung von Expertise aus Geologie, Ozeanographie, Öl-, Gas-, Energie- und Bergbautechnik mit dem Wissen und den Erfahrungen der »Generalisten für das Meer«: Seeleute, Schiffbauer, Marine Engineers und Wasserbauer. Hinzu kommt die unternehmerische Vision und die Verfügbarkeit von Eigen- und Fremdkapital für Investitionen in Technologie und Projekte. Hier gibt es in deutschen und europäischen Unternehmen einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, der allerdings in den vergangenen Jahrzehnten oft nur in Verbindung mit Handelsschifffahrt und Handelsschiffbau genutzt wurde. Auch heute noch arbeiten Schiffbau, Offshore Wind und Meerestechnik oft noch als getrennte Fachgebiete mit wenigen Verknüpfungen.

Um die künftigen Geschäftsmöglichkeiten darzustellen und die Akteure aus den verschiedenen Bereichen zusammenzubringen, hatten die Zeitschriften »Schiff & Hafen« und »Ship & Offshore« (DVV-Verlagsgruppe) in Kooperation mit der Gesellschaft für Maritime Technik (GMT) und dem VDMA am 8. und 9. Dezember 2011 in Hamburg erstmals eine Konferenz »Business Offshore« organisiert, die von Klassifikationsgesellschaften (GL, ABS) und Industrieunternehmen (»German Offshore«/ FSG und Nobiskrug, Aker Wirth) gesponsert wurde. 130 überwiegend deutsche Teilnehmer, davon knapp die Hälfte Manager von Werften und Zuliefe­rern, wurden in zwei halbtägigen Sessions von Experten prominenter internationaler Unternehmen aus den Bereichen Öl und Gas, Offshore-Wind und Meeresbergbau über die aktuellen Markttrends informiert und hatten Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und Netzwerken.

Steve Robertson, Direktor des britischen Marktforschungsspezialisten Douglas-Westwood, und Dr. Andrew Garrad, Präsident der Ingenieurfirma GL Garrad Hassan, gaben einen Überblick über Marktvolumina, -treiber und -prognosen in den Bereichen Öl + Gas und Renewables (hauptsächlich Offshore-Wind).

Offshore-Öl künftig in großen Wassertiefen

Der Weltölverbrauch von aktuell täglich ca. 89 Mio. Barrel hat bereits das Niveau von vor der Finanzkrise 2008/2009 überschritten und wächst bis 2015 jährlich um mindestens 2–3 %. Verantwortlich für den steigenden Ölbedarf sind die sogenannten Schwellenländer, allein China verzeichnet einen Anstieg von 22 % seit Mai 2009. Offshore-Öl hatte 1990 einen Anteil von 25 %, damals gab es keine nennenswerten Aktivitäten in Wassertiefen von 500 m und mehr (Deep Offshore). Für 2020 wird der Offshore-Anteil mit 34 % vorhergesagt, davon 13 % Deep Offshore. Damit wird in der Tiefe bald der einzige Wachstumsbereich liegen, für den zahlreiche zusätzliche Rigs, Floating Production Units (FPSO) sowie immer leistungsfähigere Installations-, Unterstützungs- (AHTS) und Versorgungsschiffe (OSV) benötigt werden.

Robertson stellte dar, dass acht von zehn Ölkonzernen seit 2003–2008 rückläufige Produktionsmengen ausweisen und damit möglicherweise bereits den »Peak« überschritten haben, nur Petrobras und Chevron produzieren nach wie vor ansteigende Mengen. Allerdings seien realistische Prognosen über die künftige Verfügbarkeit von Rohöl, das heute mehr als ein Drittel der Primär­energieversorgung unseres Planeten sicherstellt, sehr schwierig. Die entsprechenden Daten würden nicht sehr transparent gehandhabt und selbst Regierungen und die Internationale Energieagentur IEA seien oft auf mehr oder weniger gute Schätzungen angewiesen. Zudem liegt das Rohöl-Preis­niveau schon seit Monaten deutlich über der »Anreizgrenze« für Investitionen, die in Untersuchungen im Kapitalmarkt mit der Bandbreite von 60–90 US$ pro Barrel ermittelt wurde. So werden auch unkonventionelle Vorkommen zunehmend lukrativ. Abb. 1 demonstriert diesen Zusammenhang.

Derzeit sind 52 Drillships und 18 Halbtaucher (Semisubs) im Bau, im Wesentlichen auf Werften in Korea und Singapur. Weitere 36 schwimmende Einheiten sind bereits bestellt. Nicht nur die Ausrüstung für diese Rigs bietet einen interessanten Markt für deutsche und europäische Unternehmen, sondern auch Ankerziehschlepper und Versorger, von denen man einen Bedarf von etwa ein bis drei zusätzlichen Fahrzeugen pro neues Rig schätzt. Nach Angaben des norwegischen Maklers Lorentzen & Stemoco werden über das bestehende Auftragsbuch hinaus bis 2013 ca. 200 solcher Schiffe benötigt.

Die Marktvolumina in weiteren Segmenten des Offshore-Ölmarktes werden von Douglas-Westwood für die kommenden fünf Jahre wie folgt prognostiziert (kumuliert):

• Subsea hardware 135 Mrd. US$

• Subsea inspection, repair,

maintenance 20 Mrd. US$

• Subsea vessel operations 72 Mrd. US$

• Floating Production

(FPS, FPSO) 68 Mrd. US$ (134 Units)

Brasilien (mit hohen Zielen für »local content«) und danach, mit einigem Abstand, West-Afrika sind die wichtigsten Einsatzregionen.

Bedeutung von Erdgas wächst, auch aus Offshore-Quellen

Bereits vor 2020 wird das Energieäquivalent der weltweiten Erdgasproduktion auf dem Niveau der heutigen Ölproduktion liegen (derzeit bei ca. 60 %). Gasfelder in tiefem Wasser und in arktischen Regionen werden dabei eine immer größere Rolle spielen. Damit werden auch Flüssiggas-Technologien (LNG) sowie schwimmende Produktionsanlagen dafür (FLNG – floating liquefied natural gas) immer wichtiger. Aktuell haben die Probleme der japanischen Kernenergieerzeugung (Fukushima etc.) und die damit verbundene zehnprozentige Steigerung der Einfuhr von LNG nach Japan den Weltmarkt angekurbelt. So sind 2011 nach der Auftragsflaute der letzten Jahre fast 50 neue große LNG-Tanker bestellt worden, praktisch alle bei koreanischen Werften.

Shell wird die erste FLNG-Einheit, die bei Technip (Design) und Samsung Heavy Industries (Bau) für über 3 Mrd. US$ in Auftrag gegeben wurde, auf dem australischen Prelude-Feld einsetzen. Weitere dieser schwimmenden Fabriken werden in den nächsten Jahren aus Korea folgen. Für europäische Unternehmen bleibt hier realistischerweise nur der Design- und Ausrüs­tungs­markt.

Alexander Mandel, Generaldirektor der Gazprom Shelf, stellte die russischen Öl- und Gasprojekte in arktischen Gewässern vor und lud deutsche Unternehmen zur Beteiligung ein. Er lobte dabei auch das deutsche Engineering-Know-how in der Eistechnik. Das durch erhöhten Planungsauf-

wand und Personalmangel mehrere Jahre verzögerte Shtokman-Projekt soll ab 2016 Gas unter anderem an die Nordstream-Pipeline liefern. Für einige Teilnehmer überraschend, erklärte Mandel, dass spätestens 2018 nun doch, trotz Wegfall der USA als möglichem Kunden, LNG in Teriberka zur Verschiffung bereitgestellt werden solle, wofür man letztlich über 20 LNG Carrier brauche.

Erneuerbare Energien offshore: Aufbruch in neue Dimensionen

Nach den Prognosen der European Wind Energy Association (EWEA) und GL Garrad Hassan wird das jährliche Marktvolumen für Offshore-Wind-Installationen in Europa im Jahr 2020 in ähnlicher Größenordnung liegen wie heute die Investitionen für Tiefsee-Offshore im Öl- und Gasbereich (siehe Abb. 3). Ein markanter Unterschied zum Öl- und Gas-Geschäft wurde von Dr. Andrew Garrad so beschrieben: »Beim Öl investiert man alles in ein Plattform-Unikat, bei einem Windpark ist die gleiche Investition auf vielleicht 80 Turbinen verteilt, daher ist der Wiederholfaktor (Serieneffekt) wesentlich wichtiger.« Die European Association for Ocean Energy (EAOE) erwartet auf längere Sicht eine Entwicklung zu ähnlichen Marktvolumina.

Offshore-Wind: die neuen Ölfelder vor der Haustür

Die Europäische Union hat das Ziel beschlossen, bis 2020 20 % der benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen (»EU 20:20-Ziel«).

Der dominierende Teil davon wird aus der Offshore-Windenergie kommen. Bis heute sind im Pioniermarkt Europa 3,5 GW an Offshore-Wind-Leistung installiert (im Vergleich zu rund 85 GW an Land), davon etwa die Hälfte in England, ein Viertel in Dänemark und nur 3 % in Deutschland. Weitere 2,1 GW sind im Bau, davon 80 % in England und 20 % in Deutschland. Die jährlichen Neuinstallationen sollen nach den Vorhersagen von GL Garrad Hassan schon im Jahr 2014 2,5 GW überschreiten, was einem Marktvolumen von ca. 10 Mrd. € pro Jahr entspricht. Etliche Projekte, vor allem in deutschen Gewässern, sollen dabei in 80–120 km Entfernung von der Küste und in Wassertiefen von 40–45 m, d. h. an der Grenze des ökonomischen Einsatzes von stehenden Fundamenten (gravity based), gebaut werden. Für größere Wassertiefen sind schwimmende Windparks sehr wahrscheinlich die wirtschaftlichere Lösung (siehe Abb. 4), entsprechende Konzepte sind allerdings noch im Entwicklungsstadium.

Für 2015 sieht GL Garrad Hassan einen Bedarf von 15 Installationsschiffen voraus. Dazu kommen für jeden neuen Offshore-Windpark Schiffe, Boote und Gerät für Wartung und Instandhaltung sowie Transfer und Unterbringung von Personal.

Im Jahr 2019 sollen die Neuinstallationen ein Niveau von 6 GW pro Jahr erreicht haben, dafür werden dann mindestens 22 Installationsschiffe benötigt. Für 2030 rechnet die European Wind Energy Association (EWEA), an deren aktueller Marktstudie GL Garrad Hassan entscheidend mitgearbeitet hat, mit einer Sättigung des Onshore-Windmarktes auf einem Niveau von 250 GW, während offshore bereits 150 GW installiert sein sollen, mit weiterem Wachstumspotenzial in den darauf folgenden Jahrzehnten. Viele Markteilnehmer zweifeln allerdings daran, dass die ehrgeizigen Pläne tatsächlich im geplanten Zeitrahmen verwirklicht werden können, da sich bereits jetzt erhebliche Verzögerungen durch zu späte Netzanschlüsse, schwierige Finanzierung, Wetterpausen, defektes oder fehlendes Gerät und andere unvorhergesehene Probleme abzeichnen. Zudem setzt die Realisierung dieser gewaltigen Investitionen (einschließlich von Schwerlastschiffen für Installation und Instandhaltung) voraus, dass Politik und Verbraucher auch in den kommenden Jahrzehnten zuverlässig die erheblichen Subventionen für den Offshore-Wind-Sektor aufrechterhalten.

Ein wichtiger Aspekt für die Rentabilität ist auch die künftige Entwicklung der Projektkosten. Wie Garrad zeigte, sind die Projektkosten pro installiertes Megawatt (MW) von einem Niveau um 2,5 Mio. € in 2005 auf über 4 Mio. € angestiegen, was natürlich auch an den höheren Anforderungen durch die weiter entfernt und in tieferem Wasser gelegenen neuen Projekte liegt. Nur ca. 40 % der Gesamtinvestition werden für den Kauf der Turbinen aufgewendet. Für den Bau der Fundamente und der Umspannplattform müssen 25 % veranschlagt werden, während die Offshore-Installation der Komponenten und die Verkabelung etwa 15 % ausmachen. Garrad hofft, dass die Kosten pro MW künftig durch die gewonnenen Erfahrungen und neue Technologien wieder zurückgehen.

Stromerzeugung aus Wellen und Strömung

Um das EU-20:20-Ziel einzuhalten, sollen vor allem in Großbritannien die dort vorhandenen Potenziale zur Nutzung der Wellen- und Strömungsenergie erschlossen werden. Zusammen mit etwas futuristischeren Verfahren, die Temperatur- oder Druckgradienten (Osmose) zur Stromerzeugung nutzen sollen, werden Wellen-, Gezeiten- und Strömungskraftwerke als »Ocean Energies« bezeichnet.

In Deutschland beschäftigen sich gegenwärtig bereits Unternehmen wie Schottel und Bosch Rexroth mit Technologien für diesen Bereich, der heute an der Schwelle zur kommerziellen Anwendung steht. Douglas-Westwood prognostiziert bei Gezeitenkraftwerken bis zum Jahr 2016 einen Ausbau der Kapazitäten von heute 10 MW auf knapp 80 MW, von denen dann bereits ca. 45 MW (56 %) voll kommerzielle Anlagen und weitere 17-MW-Prototypen im großtechnischen Maßstab sein sollen. Zur Installation, Inspektion und Instandhaltung solcher Anlagen sind ebenfalls Schiffe mit Schwerlast-Hebefähigkeiten gefragt.


Michael vom Baur