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Die erste Bremer Konferenz zum maritimen Recht fand am 6. und 7. Oktober 2011 im Bremer Schütting statt.

Wie wird Piraterie von der Versiche­rung abgedeckt? Ist die Off-Hire-Klausel im Chartervertrag anwendbar? Und welche Vorbereitungsmaßnahmen sind[ds_preview] vor der Passage des Golfs von Aden zu ergreifen? Antworten auf diese und andere Fragen suchend, fand die erste Bremer Konferenz zum maritimen Recht im Bremer Schütting statt. Prof. Dr. Gralf-Peter Calliess und Dr. Till Markus, LL.M., von der Universität Bremen hatten zu der zweitägigen Konferenz Experten, Praktiker und Interessierte aus den verschiedensten maritimen Bereichen eingeladen.

Keine einheitlichen Taktiken

Dass die Piraterie vor der Küste Somalias zu einem der großen Probleme unserer Zeit geworden ist, bestreitet niemand mehr. Aus vormals vereinzelten Überfällen ist mittlerweile organisiertes Verbrechen geworden. Diese Sichtweise vertrat auch Jakob P. Larsen, Maritime Security Officer des Baltic and International Maritime Council (BIMCO). Plastisch schilderte er die keineswegs einheitlichen Taktiken und Vorgehensweisen der verschiedenen Piraten-Clans. Während der Darood Clan an der Nordküste Somalias mit kleinen Skiffs im International Recommended Transit Corridor (IRTC) umherkreuzte, stoße der Hawiye Clan, der seine Zentren in Hobyo und Harardhere habe, von der Ostküste aus mit größeren Booten bis zu 900 nm in den Indischen Ozean vor. Zwar seien die bisherigen Erfolge zur Bekämpfung der Piraterie nicht von der Hand zu weisen, eine flächendeckende Kontrolle des Seegebiets am Horn von Afrika sei jedoch aufgrund seiner

enormen Größe unmöglich. Eine dauerhafte Lösung der Piraten-Plage müsse daher an Land gesucht werden.

Diese Ansicht teilte auch Fregattenkapitän Wilhelm Thomas Abry von der Deutschen Marine. Unter seinem Kommando war die Fregatte »Niedersachsen« im Rahmen der EU-geführten Mission Atalanta am Horn von Afrika zur Piratenabwehr eingesetzt und im August 2011 nach viermonatiger Abwesenheit nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Noch habe man einige Schiffe im Seegebiet angetroffen, die den »Best Management Practices« (BMP) wenig Beachtung geschenkt hätten. Dabei sei die Anwendung und Befolgung dieser Vorschriften eine essenzielle Voraussetzung zur Abwehr eines Piratenangriffes. Schiffe, die dies nicht täten, seien allzu leichte Opfer für Piraten.

Ausfall der Charterraten

Kommt es nun aber dennoch zu einem erfolgreichen Überfall, treten auch Probleme des Seehandelsrechts in den Vordergrund. Muss etwa der Charterer seiner Pflicht zur Zahlung der Hire auch dann nachkommen, wenn sich das gecharterte Schiff in der Hand von Piraten befindet? Die Beantwortung dieser Frage sei in vitalem Interesse des Charterers, befand Prof. Dr. Henning Jessen von der Hochschule Bremen, schließlich dauere die durchschnittliche Entführung etwa 150 Tage. Dazu verwies er auf den kürzlich in England entschiedenen Fall »The Saldanha«. Die »Saldanha« wurde von Piraten überfallen und etwa zwei Monate lang festgehalten. Die Charterer waren – unter Verweis auf die Formulierungen des NYPE 46 »detention by average accidents to ship or cargo (…), default and / or deficiency of men (…)« sowie »any other cause« – der Ansicht, für diesen Zeitraum von der Pflicht zur Zahlung der Charter befreit zu sein. Das Gericht sah jedoch einen Überfall durch Piraten nicht als »average accident« an, da ein solcher immer auch direkten Schaden verursachen müsse.

Darüber hinaus könne man einen Überfall durch Piraten nicht unter den Begriff eines Unfalls subsumieren. Ebenso wurde »default and / or deficiency of men« als nicht einschlägig abgelehnt. Zwar könne man »any other cause« als eine Art Auffangklausel zugunsten der Charterer verstehen, doch bezöge sich »any other cause« lediglich auf Ursachen ähnlich den bereits genannten. Anders könne nur entschieden werden, wenn zusätzlich die Formulierung »whatsoever« in der Klausel zu finden sei. Piraterie lässt sich also nicht einfach unter die gebräuchlichen Off-Hire-Klauseln fassen. Allerdings sind mittlerweile spezielle Piraterie-Klauseln auf den Markt gekommen, beispielsweise diejenigen der BIMCO. Dort heißt es in der Piracy Clause for Time Charter Parties 2009: »If the vessel is attacked by pirates any time lost shall be for the account of the Charterers and the Vessel shall remain on hire.«

Zahlung von Lösegeld

Immer noch im Graubereich liegt die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Lösegeldzahlung. Allerdings führte der englische Court of Appeal erst kürzlich im Fall »The Bunga Melati Dua« aus, dass eine Zahlung von Lösegeld an somalische Piraten nicht per se als rechtswidrig anzusehen sei. Vielmehr sei es nach englischem und internationalem Recht legal, Lösegelder zu zahlen. Außerdem gebe es »… no formal public policy which would prevent an insured from recovering from his insurer a ransom payment«. Im selben Fall vertrat der Kläger zudem die Ansicht, dass ein Schiff in der Hand von Piraten einem Totalverlust gleichkomme. Das Gericht trat dem jedoch entgegen: »It is clear that they take vessels in order to ransom them and invariably negotiate with the shipowner or other interested party for the release of the vessel, cargo and crew, in exchange for a payment which represents an economic proportion of the value of the property at stake.« Der Kläger sei daher von seinem Eigentum nicht im Sinne von MIA 1906, s. 57(1) (Marine Insurance Act von 1906) »irretrievably deprived«, weshalb ein Totalverlust nicht anzunehmen sei. Stattdessen wurde das Vorliegen eines »constructive total loss« diskutiert, was im Ergebnis jedoch ebenfalls abgelehnt wurde, da ein Totalverlust aus Sicht der Kläger nicht unvermeidbar gewesen wäre.

Piraterie muss versichert sein

Die Auswirkungen eines Piratenüberfalles auf den Schiffsbetrieb sind jedoch zu mannigfaltig, um den Fokus der Bremer Konferenz auf einige wenige zu konzentrieren. Gerade auch der Bereich der Kaskoversicherung ist hier von Interesse, erläuterte der Rechtsanwalt Dr. Klaus Ramming von der Hamburger Kanzlei Lebuhn & Puchta. Wichtig sei zunächst, dass Piraterie überhaupt versichert sei, entweder als genannte Gefahr oder aber im Rahmen einer All­gefahrendeckung wie derjenigen des § 28 ADS (Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen). Jedoch müsse beachtet werden, ob von der Möglichkeit des Ausschlusses nach Ziff. 15 DTV Kasko 2004 Gebrauch gemacht worden sei. Schließlich sei bei Verwendung der ADS 2009 der Gefahrenausschluss in Ziff. 35.1.4 zu beachten, welcher eine zusätzliche Versicherung erforderlich mache.

Die Zahlung der Versicherungssumme kann der Versicherungsnehmer außerdem verlangen, sofern das Schiff ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen worden sei, § 71 II ADS, Ziff. 60.2.1 ADS 2009. Damit griff Ramming den bereits von Jessen eingeführten Punkt des »constructive total loss« auf, verwies aber ebenfalls darauf, dass eine Wiedererlangung des Schiffes im Wege der Lösegeldzahlung grundsätzlich möglich bleibe. Auch bezüglich der Ladung gelte, dass Piraterie grundsätzlich eine versicherte Gefahr sei, Ziff. 2.2. DTV-Güter 2011. Indes sei der Gefahrenausschluss in Ziff. 2.4.1.1 DTV-Güter 2011 zu beachten. Dies gelte z. B. für die feindliche Verwendung von Kriegswerkzeugen, ein Umstand, welcher durchaus entscheidend sein könne. Schließlich erschöpfe sich die Ausrüstung der Piraten nicht in Messern, Leitern und Enterhaken.

Neben der bloßen Frage nach ihrer Zulässigkeit verdient auch die Lösegeldzahlung eine Betrachtung aus der versicherungsrechtlichen Perspektive. Zwar ist Piraterie grundsätzlich eine versicherte Gefahr, doch wenn der Reeder keine gesonderte Kidnap & Ransom-Versicherung abgeschlossen hat, kann er sich nicht hilfs­weise an den Kaskoversicherer halten, da dieser nur bei Verlust des Schiffes leistet.

Allerdings, so erläuterte Ramming, biete das Rechtsinstitut der Großen Haverei (GH) eine Lösung. Auf diesem Weg hafte der Kaskoversicherer für die GH-Beiträge des Reeder, §§ 29, 30 ADS, Ziff. 28, 29 ADS 2009. Ebenfalls komme der Kaskoversicherer für die Aufwendungen des Reeders zur Abwendung oder Minderung eines versicherten Schadens auf, § 32 ADS, Ziff. 31 ADS 2009. Diese Leistungen könnten sich sogar auf das gesamte vom Reeder gezahlte Lösegeld erstrecken, da eine Lösegeldzahlung der Abwendung des versicherten Schadens, etwa der Beschädigung oder dem Verlust des Schiffes, diene.

»Piraterie bekämpfen – aber wie?«

Im Anschluss moderierte Prof. Calliess eine Podiumsdiskussion unter der Fragestellung »Piraterie bekämpfen – aber wie?« Schnell war man sich einig, dass der Gefahr der Piraterie wirksam zu begegnen sei. Dabei wurde erneut unterstrichen, dass den Best Management Practices besondere Beachtung zuteil werden müsse. Die Vorbereitungen auf die Passage des Golfs von Aden müssten dabei auf das jeweilige Schiff abgestimmt werden, sagte Christoph Enge von Lampe & Schwartze Marine Underwriting.

Sehr schnell kam auch die Einschiffung privater oder staatlicher Sicherheitskräfte zur Sprache. Trotz des Einwandes aus dem Publikum, eine solche Vorgehensweise würde zu einer Gewaltspirale auf See führen, unterstrich Achim Boehme von der Reederei Lomar Shipping die Notwendigkeit der Selbstverteidigung auch mit Waffengewalt. Dabei stellte er klar, dass bisher kein Schiff mit bewaffneten Sicherheitskräften an Bord Opfer einer Piratenattacke geworden sei, zumeist genüge das bloße Zeigen der Waffen, um die Piraten abzuwehren. In diesem Zusammenhang wurde die kürzlich erfolgte Kursänderung der Bundesregierung bezüglich des Einsatzes zertifizierter privater Sicherheitsdienste ausdrücklich begrüßt. Jedoch müsse jetzt gehandelt werden, man könne sich nicht mit bloßen Absichtserklärungen zufrieden geben.

Prof. Dr. Rainer Lagoni von der Universität Hamburg verwies dabei auf die notwendige Beachtung etwaiger Küstenstaatsjurisdiktion beim Einsatz bewaffneter Wachen an Bord. Auch wenn hier grundsätzlich das Recht der friedlichen Durchfahrt gelte, so müsse man mit anderweitiger Staatenpraxis rechnen, dies sei gerade in der Region des Golfs von Aden wichtig.

Zusammenfassend kann die Bremer Konferenz zum maritimen Recht als voller Erfolg gewertet werden. Es konnten die verschiedensten Meinungen und Ansichten zu den drängenden Herausforderungen unserer Zeit ausgetauscht werden. Somit gelang eine eingehende rechtliche Analyse aktueller Probleme der maritimen Wirtschaft.

Christian Wesemann