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Ein Überblick über die Projektbeteiligten und den Lebenszyklus eines Offshore-Windparks sowie vertragliche Besonderheiten von Kathrin Kim

Projekte im Bereich Offshore-Wind stellen nicht nur Herausforderungen an ihre technische Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit. Auch aus juristischer Sicht handelt[ds_preview] es sich um anspruchsvolle Großprojekte. Sie zeichnen sich durch einen hohen Komplexitätsgrad aus, der sich auch in der Vertragsstruktur der Projektverträge wider­spiegelt. Hauptgrund für die Komplexität sind zum einen die Vielzahl der beteiligten Projektteilnehmer und Geräte, insbesondere von Schiffen verschiedenster Art, und zum anderen die relativ lange Projektdauer. Da sich beide Charakteristika auch in der Vertragsgestaltung wiederfinden, werden zunächst diese Merkmale näher erläutert, bevor dann auf die typischen Projektverträge und deren Besonderheiten eingegangen wird.

1. Projektbeteiligte eines Offshore-Windparks

Nicht alle an einem Projekt beteiligten Marktteilnehmer sind, sofern sie miteinander zu tun haben, durch privatrechtliche Projektverträge miteinander verbunden. Teils bestehen auch Beziehungen öffentlich-rechtlicher Art wie zwischen dem Betreiber eines Windparks und der Genehmigungsbehörde oder privatrechtliche Vertragsbeziehungen zu Versicherern und Banken, die nicht typische, d. h. meist kauf- oder werkvertragliche Projektverträge darstellen. Im Folgenden werden nur jene Beteiligten vorgestellt, die Vertragspartner von typischen Projektverträgen sind:

Betreiber / Projektierer: Eine zentrale Stellung nimmt der Betreiber oder Projektierer eines Windparks ein. Auf dem deutschen Markt handelt es sich bei den Betreibern überwiegend um einschlägig bekannte, große Energieversorgungsunternehmen (EVU) oder Zusammenschlüsse von Stadtwerken.

Projektierer sind kleine, hoch spezialisierte Dienstleister, die Windparks umfassend entwickeln und meist auch errichten, aber – anders als die EVU – oftmals nicht betreiben wollen, sondern nach der Inbetriebnahme (oder zu einem früheren Zeitpunkt wie beispielsweise nach Erstellen eines Entwicklungskonzepts) verkaufen.

Anlagenhersteller: Die Windenergieanlage (WEA), bestehend aus Rotor, Nabe, Gondel und Turm, wird üblicherweise komplett von einem Turbinenhersteller geliefert. Derzeit gibt es auf dem relativ jungen deutschen Offshore-Windmarkt eine übersichtliche Anzahl von gut einem halben Dutzend Anbietern deutscher, dänischer, französischer, indischer oder anderer Herkunft, die zunehmend neue Prototypen mit stark steigenden Nennleistungen entwickeln.

Fundamenthersteller: Die Gründungsstruktur, auf der eine WEA im Wasser steht, wird regelmäßig von spezialisierten Bauunternehmen hergestellt. Je nach Wassertiefe und Beschaffenheit des Baugrundes können (Beim ersten Testprojekt »Alpha Ventus« mit nur 21 WEA wurden 60 unterschiedliche Schiffe, davon bis zu 25 gleichzeitig, eingesetzt.) Stahlkonstruktionen wie z. B. Monopiles, Tripods oder Jackets, die in den Meeresboden gerammt werden, (Vgl. auch die Darstellung eines Offshore-Gaspipeline-Projekts bei Kim, Kathrin: Ostseepipeline »Nord Stream« – ein meeresumweltrechtliches Problem?, in: Natur und Recht 31 (2009) Nr. 3, S. 170–178.) Schwerkraftfundamente aus Beton, die aufgrund ihres Eigengewichts Stabilität gewährleisten, oder ( Für den aktuellen Stand der bereits genehmigten Off-shore-Windparks in der deutschen AWZ vgl. die Website des BSH unter www.bsh.de.) neuere Technologien wie schwimmende Fundamente verwendet werden.

Kabelverleger und Umspannwerk-Hersteller: Die Windenergieanlagen eines Offshore-Windparks, deren Anzahl in Ost- und Nordsee derzeit auf maximal 80 WEA beschränkt ist, werden durch spezielle Seekabel miteinander verbunden, mit denen der Strom zu einem Umspannwerk auf See (die »Steckdose«) transportiert wird. Viel diskutiert wird derzeit die anschließende Netzanbindung vom Umspannwerk auf See zum Netzanschluss an Land.

Transportdienstleister und Installateure: Für diese Projektbeteiligten stellt die Logis­tik eine besondere Herausforderung dar, denn die Errichtung von Windparks beinhaltet Schwerlasttransporte mit besonderen Anforderungen an Schiff und Hafen. Zudem entstehen aufgrund von Knappheit hohe Kosten für eine Vielzahl unterschiedlichster Schiffe und schwimmender Geräte (beispielsweise Transportschiffe, Jack-up Barges und gegebenenfalls Schlepper, Wartungs- und Serviceschiffe, aber auch Versorgungs- und Unterbringungsschiffe) sowie für Spezialkräne und sonstige besondere Hebegeräte, die häufig speziell für ein Projekt angefertigt werden müssen. Tagesraten für Schiffe sind teilweise sechsstellig; die Spezialanfertigung eines Hebegeräts kann schnell im Millionen-Euro-Bereich liegen.

2. Lebenszyklus eines Offshore-Windparks

Die Wertschöpfungskette bei Offshore-Windprojekten unterscheidet sich grundsätzlich nicht von anderen Großprojekten im industriellen Anlagenbau; sie untergliedert sich in Vorbereitungsphase, Bauphase, Betriebsphase und Rückbauphase.

In der Vorbereitungsphase muss zunächst ein Standort ausgewählt und umfassend untersucht werden, wie z. B. durch Meeresbodenuntersuchungen, geophysikalische und geotechnische Voruntersuchungen, Windanalysen sowie die Analyse von Umweltrestriktionen, Wasser- und Schifffahrtsstraßen, Gezeitenströmen etc. Steht ein Standort mit seinen Umweltbedingungen fest, erfolgt in der Regel die Anlagenwahl. Zu diesem Zeitpunkt kann bereits ein Entwicklungskonzept erstellt werden, für das bei den zuständigen Behörden eine Genehmigung eingeholt werden kann. In Deutschland befindet sich der größte Teil der Offshore-Windprojekte in diesem Vorbereitungsstadium. Denn wenn es nach Vorliegen des Entwicklungskonzepts um die Projektfinanzierung geht, bestehen derzeit für eine nicht geringe Anzahl von Projekten teils unüberwindbare Hürden. Unter anderem deswegen befinden sich nicht alle genehmigten Projekte konkret in Planung.

Die sich an die Vorbereitungsphase anschließende Bauphase dauert bei Offshore-Windprojekten etwa drei bis fünf Jahre. Schwerpunktmäßig geht es darum, die

Anlagen und deren Fundamente, das Umspannwerk und die Verkabelung zu designen und herzustellen. In diesem Pro­jektstadium kommt eine Vielzahl weiterer Beteiligter in Form von Designern, Herstellern und Lieferanten einschließlich einer meist langen Kette von Subunternehmern sowie Versicherer mit ins Geschäft. Nach Design und Herstellung der Schlüsselkomponenten eines Windparks müssen diese an den Standort des Windparks transportiert und installiert werden – auch hier kommen eine Vielzahl weiterer Beteiligter, insbesondere Logistiker, Transportdienstleister und Installateure, ins Spiel. Von überragender Bedeutung sind dabei die dafür notwendigen, unterschiedlichsten Arten von Schiffen und schwimmenden Geräten, für die auf dem deutschen Markt derzeit Knappheit und deswegen Verfügbarkeitsschwierigkeiten bestehen.

Auf die Inbetriebnahme eines Windparks folgt eine bis zu 25-jährige Betriebsphase, die auch Wartungs- und Serviceleistungen notwendig macht. Ob und wenn ja in welchem Umfang die Anlagen nach der Betriebsphase wieder zurückzubauen sind – die Genehmigungen berücksichtigen diesen Aspekt der Vollständigkeit halber auch – ist derzeit noch nicht absehbar.

3. Projektverträge eines Offshore-Windparks

In jedem Stadium der oben dargestellten Wertschöpfungskette wird üblicherweise eine Vielzahl unterschiedlichster Verträge abgeschlossen. Der Schwerpunkt dieser Darstellung liegt dabei auf den überwiegend werkvertraglichen Projektverträgen für die vier Schlüsselkomponenten eines Windparks, d.h. die Anlagen nebst Fundamenten, das Umspannwerk nebst Verkabelung sowie der Transport und die Installation der genannten Komponenten.

Bei den Projektverträgen ist dabei zwischen Verträgen für Neubauten einerseits und Wartungs- und Serviceverträgen andererseits zu unterscheiden. Für beide Vertragsgegenstände gibt es auf dem jungen deutschen Offshore-Windmarkt weder aus rechtlichen noch aus praxisbedingten Gründen feststehende Vertragskonstellationen und -konzepte.

Was Neubauten betrifft, kann zwar größtenteils auf Erfahrungen aus Onshore-Windprojekten sowie anderen Onshore- und Offshore-Anlagenbauprojekten zurückgegriffen werden (z.B. Offshore-Öl- und Gasprojekte – in Deutschland allerdings nur sehr eingeschränkt vorhanden – sowie Projekte aus Schiffbau, Brückenbau, Kraftwerksbau etc.); gleichwohl beinhalten Projektverträge für Offshore-Windparks zahlreiche Besonderheiten bedingt durch die Elemente »Offshore« und »Wind«, die idealerweise auch in der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden sollten.

Das Wartungs- und Servicegeschäft für Offshore-Windparks wird derzeit von verschiedensten Marktteilnehmern (sowohl mit Neubauten befasste Anlagen- und Fundamenthersteller als auch Dritte, die regelmäßig auf Ersatzteile von Herstellern angewiesen sind) konzeptionell neu entwickelt; auch hier haben sich derzeit in der deutschen Praxis noch keine Usancen etabliert.

Im Folgenden kann daher nur stichpunktartig auf einige vertragliche Besonderheiten hingewiesen werden:

Multi-Contracting: Derzeit werden die Schlüsselkomponenten und sonstigen Gewerke wegen des hohen Investitionsvolumens und Risikos (ein Offshore-Windprojekt kostet etwa 1 Mrd.€) in der Regel einzeln und nicht an nur einen Generalunternehmer (GU) vergeben, der den gesamten Windpark schlüsselfertig (engl. »turn key«) an den Betreiber / Projektierer übergibt. Weit verbreitete Vertragsmuster aus dem Anlagenbau (z. B. das FIDIC Yellow Book), die von dem im Anlagenbau sehr verbreiteten GU-Modell ausgehen, müssen daher angepasst werden oder sollten nicht verwendet werden. Die Erfahrung aus ersten Offshore-Windprojekten zeigt, dass aus Sicht des Betreibers/Projektierers darauf geachtet werden sollte, nicht zu viele Einzelgewerke zu vergeben, sondern möglichst große Vergabepakete zu schnüren. Es ist branchenbekannt, dass noch im ersten kommerziellen Offshore-Windprojekt etwa 40 bis 50 Einzelgewerke vergeben wurden, während es im Folgeprojekt nur noch fünf Einzelgewerke waren.

Werkvertrag: Die Planung, Herstellung, Lieferung sowie gegebenenfalls auch der Transport und die Installation der genannten Schlüsselkomponenten sind meist, aber nicht zwingend, Gegenstand von Werkverträgen. Die Planung kann, wenn es sich um einen bloßen Beratungsvertrag ohne die Übernahme einer Erfolgszusage handelt, auch Dienstvertragsrecht unterliegen (typischerweise handelt es sich aber um werkvertragliche Design- und Build-Verträge). Auf die Lieferung von Turbinen, insbesondere wenn keine oder nur eine geringe Montageverpflichtung übernommen wird, findet in der Regel Kaufrecht Anwendung – im Einzelfall kann es Abgrenzungsprobleme geben. Die Anwendung von Dienstvertragsrecht oder Kaufrecht ist dabei regelmäßig aus Sicht des Betreibers / Projektierers ungünstiger als für seinen Vertragspartner (z. B. Turbinenlieferant oder Fundamenthersteller) bzw. für den Vertragspartner vorteilhafter, da der Werkvertrag sich durch die Übernahme eines Erfolgs auszeichnet (z. B. Planung eines zertifizierbaren Designs oder erfolgreiche Errichtung eines Windparks mit 80 WEA oder gar Zusage einer bestimmten Megawatt-Leistung).

Schnittstellen: Die derzeit übliche Einzelvergabe erhöht die Schnittstellenproblematik zwischen den Schlüsselkomponenten; so bilden WEA und Fundament ein Gesamtsystem, auf das innere wie äußere Einflüsse gleichermaßen wirken (z. B. Turbinen- und Turmlasten oder Einwirkungen aus Wind, Welle und Eis). Bei der Vertragsgestaltung bedarf es daher besonderer Schnittstellenregelungen: Wer berechnet etwa die Einwirkungen auf das Gesamtsystem, wer koordiniert den Austausch von Daten zwischen den einzelnen Unternehmern, wenn zwischen diesen keine Vertragsbeziehungen bestehen?

Haftung und Pönalen: Regelungen zu Haftungsbegrenzungen und zu Pönalen (engl. »liquidated damages«) dürften – wie generell im industriellen Anlagenbau – zu den sensibelsten Vertragsthemen gehören. Besondere offshore-spezifische Risiken wie die Verfügbarkeit von Errichtungs- und Servicegeräten, Lieferverzögerungen, Wetter und Serienschäden sollten ausdrücklich angesprochen werden. Da ohne besondere vertragliche Regelung eine betragsmäßig unbegrenzte Haftung der Vertragsparteien besteht – so die gesetzliche Rechtslage nach deutschem Recht –, werden im Anlagenbau üblicherweise Haftungsbegrenzungen vereinbart (z.B. 10 %, 15 % oder 20 % des Auftragswerts). Die Termintreue von Unternehmern wird üblicherweise durch Pönalen abgesichert, die bei Nichteinhaltung von Ausführungsfristen in sechsstelliger Höhe pro Tag anfallen können (z. B. bei Offshore-Installationen).

Bei Pönalen handelt es sich nicht – wie oft gedacht wird – um Vertragsstrafen für Verzögerungen, sondern um eine im Vertrag vorweggenommene Schadensschätzung, die lediglich den Beweis für die Höhe eines Verzögerungsschadens erleichtert. Wegen der besonderen Störanfälligkeit von Offshore-Projekten können Pönalen in der Praxis schnell hinfällig werden, wenn sich Termine aus Gründen verschieben, die ein Unternehmer nicht zu vertreten hat. Dann muss im Wege des Nachtragsmanagements (das Schließen von nachträglichen vertraglichen Vereinbarungen während des operativen Geschäfts) neue Termine und eventuell neue Pönalen verhandelt werden.

AWZ-Besonderheiten: Bei Offshore-Windparks, die jenseits der Zwölf-Seemeilen-Zone außerhalb der deutschen Gebietshoheit liegen, bedarf es spezifischer Rege-lungen zum Eigentumserwerb an den Schlüsselkomponenten und sonstigen Gewerken, da unklar ist, ob auf diesem Gebiet (sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone / AWZ) deutsches Recht anwendbar ist. Eigentumsübertragungen sollten deshalb schon an Land (z. B. Kaikante) und nicht erst auf dem Wasser erfolgen. Aufgrund der unklaren Rechtslage in einer AWZ herrscht auch Unklarheit zu Steuer- und Lizenzfragen oder anderen rechtsrelevanten Themen (z. B. ob in eine WEA in der AWZ vollstreckt werden kann).

Anwendbares Recht und Streitbeilegung: Wegen der Vielzahl von Projektbeteiligten und derzeit einer Vielzahl von Projektverträgen sollte bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden, möglichst eine einheitliche Rechtsordnung (z. B. deutsches Recht für Projekte im deutschen Ost- und Nordseeraum) zu wählen und bei der Wahl der Streitbeilegungsart – meist private Schiedsgerichtsbarkeit als Alternative zu staatlichen Gerichten – die Einbeziehung Dritter vorzusehen.

Angesichts der Vielzahl von Besonderheiten bei Offshore-Windprojekten sollte statt der Verwendung üblicher Vertragsmuster aus dem Anlagenbau umfassende anwaltliche Beratung für individualvertragliche Vereinbarungen hinzugezogen werden.

Autorin:

Rechtsanwältin Kathrin Kim, LL.M. (Washington D.C.), Hochtief Solutions AG

Niederlassung Civil Engineering and Marine Works in Hamburg


Kathrin Kim