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Ursprünglich sollte die »Victoria Mathias« schon im vorigen Jahr in Bremerhaven

ankommen. Mitte Februar war es dann soweit. Kurz darauf folgte auch Schwesterschiff »Friedrich Ernestine«. Die Endausrüstung der in Korea gebauten Jack-up-Vessels findet auf der Lloyd Werft statt.

Nach zweimonatiger Reise und rund 14.600 zurückgelegten Seemeilen erreichte die »Victoria Mathias« huckepack an Bord eines Schwergutschiffes die Bremerhavener Stromkaje[ds_preview] – rund eine Woche vor der Ankunft des baugleichen Schwesterschiffes »Friedrich Ernestine«. Mit der ungewöhnlichen Namensgebung will der Essener Energieversorger eine Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft schlagen und an seine Wurzeln im Bergbau erinnern: »Victoria Mathias« und »Friedrich Ernestine« hießen einst RWE-Steinkohlezechen im Ruhrgebiet.

RWE Innogy hatte die beiden jeweils rund 100 Mio. € teuren Hubschiffe im Dezember 2009 bei der südkoreanischen Werft Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering (DSME) in Auftrag gegeben, um eine wesentliche Lücke bei der Errichtung von Windparks auf hoher See zu schließen.

»Wenn man im Offshore-Windbereich erfolgreich operieren will, muss man Installationsschiffe haben – diese haben sich als Flaschenhals erwiesen«, erläuterte Michael Neumaier, der den Bau der Jack-up-Vessels von der Designphase bis zur Ablieferung begleitet hat, im Rahmen einer Schiffs­besichtigung die Entscheidung seines Unternehmens zur Bestellung eigener Schiffe. Die 100 m langen und 40 m breiten Installationsschiffe, die beide unter deutscher Flagge fahren, bieten bis zu 60 Personen Wohnraum und können bis zu vier Turbinen der Multi-Megawatt-Klasse gleichzeitig transportieren. Satellitengesteuert, können sie zentimetergenau für die Bauarbeiten auf See fixiert werden und in Wassertiefen von über 40 m operieren. Die vier Hubbeine sind jeweils 78 m lang, der Hauptkran hat eine Hebekapazität von bis zu 1.000 t.

Probleme beim hydraulischen Hubsystem

Nach siebenmonatiger Bauzeit war das erste der beiden Schiffe bereits im März 2011 und damit einen Monat vor dem ursprünglichen Zeitplan vom Stapel gelaufen. Schiff Nummer zwei folgte Anfang Mai. Dass sich die Ablieferung des Duos letztlich dennoch um mehrere Wochen verzögerte, ist auf Probleme beim hydraulischen Hubsystem zurückzuführen: Das hatte Dr. Hans Bünting, Chief Financial Officer und designierter Chief Executive Officer von RWE Innogy, wenige Tage vor der Ankunft der »Victoria Mathias« bei einem Pressegespräch in Hamburg erläutert. Die betroffenen Teile – Stahlzylinderkomponenten der hydraulischen Beine – würden die erforderliche Belastung nicht aushalten und müssten komplett ausgetauscht werden, so Bünting. Das Hubsys­tem sei von einem deutschen Zulieferer gebaut worden.

Die Zertifizierung der Schiffe durch den Germanischen Lloyd erfolgte in Korea vorerst exklusive der fehlerhaften Teile, weswegen es nach Behebung des Problems eine neuerliche Begutachtung geben wird. Es handelt sich laut Bünting um mehrere hundert Teile, die nun geschmiedet statt gegossen werden sollen. Die Forderung von Schadenersatz gegenüber dem Hersteller werde geprüft – federführend sei dabei aber die Bauwerft, die den Zulieferer beauftragt habe. Ärgerlich sei, dass es hier um Teile gehe, deren Kosten im »Tausend-Euro-Bereich« lägen.

Bünting widersprach im Zusammenhang mit der Teilezulieferung aus Deutschland der Kritik, die Ursache für die Probleme sei in der vermeintlichen Billigproduktion in Asien zu suchen. Dem sei nicht so: »DSME hat sehr viel Erfahrung beim Bau von Offshore-Schiffen.« Zudem habe die Werft mehr Kapazitäten als alle deutschen Werften zusammen. »Wir hätten den Auftrag zum Bau der beiden Errichterschiffe gern nach Deutschland vergeben, allein wegen der Nähe zum Einsatzort, aber wir haben kein ausreichend attraktives Angebot erhalten«, so Bünting. Der Preisunterschied habe teilweise im »deutlichen zweistelligen Millionen­bereich« gelegen. In Deutschland habe auch keine Einzelwerft mehr die Qualifikation, »ein derart komplexes Projekt zu schultern«.

40 % der Wertschöpfung aus Deutschland

Insgesamt hätten sich 40 Werften weltweit um den Auftrag für die beiden Schiffe beworben, berichtete der RWE-Manager. Ausschlaggebend bei der Vergabe seien Qualität, Preis und die Akzeptanz der eigenen Bauvorstellungen gewesen. Trotz der Fertigung in Korea kämen 40 % der Wertschöpfung aus Deutschland und insgesamt 70 % aus Europa: So sei beispielsweise der Kran von Liebherr. Eine bestehende Op­tion auf ein drittes Installationsschiff gleicher Bauart bei DSME hat RWE Innogy bislang nicht gezogen.

Erster Auftrag für die »Victoria Mathias« soll die Errichtung des Offshore-Windparks »Nordsee Ost« rund 30 km nördlich von Helgoland sein, während die »Friedrich Ernestine« zunächst vor Wales im ­Einsatz sein wird. Die Um- und Endausrüstung der Jack-up-Vessels findet nun, ebenso wie die Behebung des Fehlers am Hubsystem, auf der Bremerhavener Lloyd Werft statt. Voraussichtlich im Frühsommer soll der Bau von »Nordsee Ost« beginnen. Bremerhaven wird dafür der Basis­hafen sein: Auf dem dortigen Containerterminal hat sich RWE Innogy 17 ha Fläche beim Terminalbetreiber Eurogate reserviert; die Hafengesellschaft Bremenports hat mittlerweile für 3,5 Mio. € den Liegeplatz der »Victoria Mathias« ertüchtigt. Inwiefern sich die von Netzbetreiber Tennet bereits angekündigte Verzögerung beim Anschluss des Windparks an das Stromnetz auf den Zeitplan auswirken wird, steht derzeit noch nicht fest. RWE-Innogy-Sprecher Konrad Böcker sagte, man wolle auf jeden Fall die ersten Fundamente setzen, sobald die »Victoria Mathias« einsatzbereit sei, sagte – notfalls mit gedrosseltem Tempo.


Anne-Katrin Wehrmann, Nikos Späth