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Die Serie über deutsche Offshorehäfen befasst sich dieses Mal mit einem Teil der Häfen an der Nordsee und beleuchtet außerdem Kooperationen in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen.

Als Grundlage des dritten Serienteils über die Offshorehäfen Deutschlands dient einmal mehr der Offshore-Hafenatlas des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe[ds_preview] (ZDS), der die einzelnen Standorte nach ihren Funktionen unterteilt (s. Kasten auf dieser Seite). In der Juli-Ausgabe der HANSA wird es dann abschließend um diejenigen Häfen an der Nordsee gehen, die sich auf ein Dasein als Basishafen vorbereiten. Alle anderen im ZDS-Atlas aufgeführten Nordsee-Häfen finden sich auf den kommenden Seiten wieder.

Angesichts der Fülle von anstehenden Aufgaben kann kein Hafenstandort allein alle Funktionen erfüllen, die für die Installation, Wartung und dauerhafte Versorgung von Offshore-Windparks benötigt werden. In Schleswig-Holstein haben sich daher vor zwei Jahren neun Häfen zur »Hafenkooperation Offshorehäfen Nordsee SH« (im Internet unter www.offshore-haefen-sh.de) mit dem Schwerpunkt Logistik zusammengeschlossen, um den Bauherren und Betreibern ein allumfassendes maritimes Angebot zur Verfügung stellen zu können.

Aktuell ist mit dem dänischen Hafen Havneby auf Rømø ein zehnter Standort hinzugekommen, der sich als Servicehafen an der Kooperation beteiligt. »Durch die Zusammenarbeit können für jeden Offshore-Windpark maßgeschneiderte Logistiklösungen aufgezeigt werden, die den gesam-

ten Lebenszyklus des jeweiligen Parks umfassen«, erläutert Frank Schnabel, Sprecher der Hafenkooperation und Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports. »Dabei werden die individuellen Anfor­derungen der Windparkbetreiber berücksichtigt.«

Renaissance auch für kleinere Häfen

Die Vernetzungsmöglichkeiten der einzelnen Standorte werden in einem gemeinsamen Hafenkonzept aufgezeigt. Demnach können in den schwerlastfähigen Häfen Brunsbüttel und Rendsburg-Osterrönfeld Komponenten produziert, zwischengelagert, vorinstalliert und verladen werden, während über Büsum, Husum, Dagebüll und Brunsbüttel eine schnelle Versorgung der Reaktionshäfen Helgoland, Hörnum, List und Wyk auf Föhr gewährleistet ist.

»Die Offshore-Windenergie kann auch unseren kleineren Häfen an der Westküste zu einer Renaissance verhelfen«, betont die schleswig-holsteinische Wirtschaftsstaatssekretärin Dr. Tamara Zieschang. Dazu leis­te die Kooperation einen wesentlichen Beitrag, indem sie die Vorteile der einzelnen Häfen bündele und den Parkbetreibern ein »Rundum-sorglos-Paket« während der Bau- und der Betriebsphase anbiete. Das Land unterstütze diese Bündelung der Kräfte ideell – und die Weiterentwicklung der Offshore-Potenziale der Häfen »in erheblichem Umfang auch finanziell«. Im Fokus der Zusammenarbeit stehen aktuell die sieben bislang genehmigten Windparks vor der Westküste Schleswig-Holsteins: vier im sogenannten Sylt-Cluster und drei im Helgoland-Cluster. Da unterschiedliche Turbinen- und Fundamenttypen zum Einsatz kommen und jeder Parkbetreiber seine eigenen Anforderungen stellt, variieren die logistischen Anforderungen zum Teil stark. Die Hafenkooperation hat daher zusammen mit Uniconsult Universal Transport Consulting im Rahmen einer Studie für jedes der sieben Projekte ein individuelles Logistikkonzept entwickelt, das jeweils aufzeigt, über welche Hafenstandorte sowohl die Errichtung als auch die spätere Versorgung und Wartung am sinnvollsten sind. Dabei ist die Idee entstanden, die Häfen auch physisch miteinander zu vernetzen – mithilfe eines »Offshore-Shuttles«, das auf die Anforderungen der Branche ausgelegt ist. An der Umsetzung wird derzeit gearbeitet.

Für Kooperationssprecher Frank Schnabel steht fest, dass, gemessen an den politischen Plänen zum Ausbau der Offshore-Windenergie, die bisher zur Verfügung stehenden Hafenkapazitäten nicht ausreichen werden. »Wir benötigen weitere Kapazitäten, die sich untereinander ergänzen werden und weniger in Konkurrenz zueinander stehen«, meint Schnabel. »Eine Kooperation der Hafenstandorte auch über Schleswig-Holstein und Deutschland hinaus wäre deshalb sinnvoll.«

Weiterer Ausbau ist notwendig

In Niedersachsen kooperieren die neun Seehäfen des Landes innerhalb der Hafenmarketinggesellschaft Seaports of Niedersachsen miteinander (Informationen zum Offshore-Bereich unter www.seaports-offshore.de). »Unsere Häfen wurden schon früh für die Windenergie ausgebaut und vorbereitet, dementsprechend sind wir hervorragend auf diesem speziellen Markt positioniert«, sagt Seaports-Geschäftsführer Andreas Bullwinkel. Ebenso rechtzeitig hätten die Terminalbetreiber entsprechende Komplementärinvestitionen in die Suprastruktur getätigt.

Mit Blick auf den sich abzeichnenden großen Auftragsbestand würden nun allerdings zusätzliche Hafenumschlaganlagen benötigt, macht Bullwinkel deutlich. »Der begonnene Ausbau der Seehäfen muss also konsequent und ohne Unterbrechung fortgesetzt werden.« Bei der Entwicklung der Offshore-Windenergie handele es sich nicht um eine natürliche Marktentwicklung, für die die Länder verantwortlich seien, sondern vielmehr um eine bundespolitische Zielsetzung: »Wir sehen darum eindeutig den Bund in der Verpflichtung, den Ländern beim Ausbau dieser hoch spezialisierten Anlagen finanzielle Unterstützung zu gewähren.«

Sylt

Durch seine Nähe zu den vier Windparks des Sylt-Clusters bietet sich der Hafen Sylt-Hörnum an der südlichen Inselspitze als Reaktionshafen für die Offshore-Industrie an. Um die Chancen zu erhöhen und gegebenenfalls auch als Versorgungshafen in den Markt eintreten zu können, wird in der erwähnten Uniconsult-Studie zu einer Kooperation mit dem Hafen Esbjerg geraten, der für verschiedene Projekte als Basishafen fungieren soll. Hierfür müssten dann ausreichende Flächen für Lagerung und Büroräume zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Zusammenarbeit wird von der Gemeinde Hörnum jedoch gar nicht an­gestrebt, da man durch einen verstärkten Umschlag von Offshore-Komponenten Konflikte mit dem Tourismus befürchtet. Derzeit steht eine hafennahe Industriefläche von 2.500 m² bereit. Die tidenunabhängige Wassertiefe liegt in Hörnum bei 4,4 m bis 6,5 m, was einen Tiefgang von 3,2 m erlaubt. Eine schwerlastfähige Pier ist vorhanden. Der Hafen befindet sich derzeit im Eigentum des Bundes, soll allerdings schnellstmöglich verkauft werden.

Der Hafen List an der nördlichen Spitze Sylts ist zwar nicht im ZDS-Hafenatlas aufgeführt, beteiligt sich aber an der Hafen­kooperation und könnte angesichts der kurzen Anfahrtswege ebenfalls als Reak­tionshafen genutzt werden.

Wyk auf Föhr

Gleiches gilt für den Wyker Hafen, der laut örtlichem Hafenamt über die notwendigen Voraussetzungen verfügt, um in das Netzwerk von Offshore-Hafenstandorten eingebunden zu werden. Die erforderliche Infrastruktur für die Bereiche Service und Wartung ist demnach vorhanden beziehungsweise kann kurzfristig geschaffen werden, die Schaffung zusätzlicher Kajen und Lagerflächen (momentan 7.000 m²) wäre mittelfristig zu realisieren. Interes-sierte Unternehmen können sich im angrenzenden Gewerbegebiet ansiedeln. Die genannte Studie kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Potenziale Wyks angesichts einer relativ langen Revierfahrt, der Tideabhängigkeit des Hafenzugangs (Wassertiefe 1,5 m) sowie potenzieller Nutzungskonflikte zwischen Tourismus und Offshore als begrenzt zu bezeichnen sind.

Helgoland

Am weitesten fortgeschritten sind die Pläne aktuell auf Helgoland, das sich auf seiner Website als »erste Offshore-Serviceinsel der Welt« bezeichnet. Alle drei Betreiber der Windparks im Helgoland-Cluster werden die Insel als Reaktionshafen nutzen: WindMW (»Meerwind Süd und Ost«) und Eon (»Amrumbank West«) haben dazu Ende April langjährige Pachtverträge über rund 7.000 m² Gewerbefläche im Südhafen unterzeichnet. Auch RWE Innogy (»Nordsee Ost«) hatte bereits voriges Jahr übergangsweise eine Fläche im Binnenhafen gepachtet und will ebenfalls in den Südhafen umziehen, sobald dieser fertig ausgebaut ist. Die Blackstone-Tochter WindMW sorgte darüber hinaus kürzlich mit der Komplettbuchung eines Designhotels für Schlagzeilen, das dadurch ab Anfang 2013 zehn Jahre lang nicht mehr für Touristen zur Verfügung stehen wird.

Die drei Offshore-Windparks liegen jeweils 25 bis 35 km vor Helgoland und werden nach ihrer Fertigstellung gut 200 Windenergieanlagen umfassen, die von der Insel aus regelmäßig versorgt, repariert und gewartet werden sollen. Auch während der Bauphase kann der Standort schon als Servicestützpunkt genutzt werden. Für die neue Nutzung wird der Vorhafen an der Südkaje 2.BA (Tiefgang 2 bis 7 m) zur Service- und Betriebsstation ausgebaut: Auf insgesamt rund 10.000 m² Fläche sind drei Gebäude mit Werk- und Lagerhallen ge-plant, die die Parkbetreiber in Eigenregie errichten werden. Außerdem sollen durch die Errichtung eines zusätzlichen Landungsstegs an der Kaikante zehn weitere Anlegeplätze geschaffen werden – hier ruhen allerdings derzeit die Planungen, da die Finanzierung nicht gesichert ist. Das In-ves­titionsvolumen beläuft sich auf rund 30 Mio. €, wovon das Land Schleswig-Holstein 11,5 Mio. € aus dem Zukunftsprogramm Wirtschaft beisteuert.

Bis zum Frühjahr 2013 soll die Erschließung der Gewerbefläche abgeschlossen sein. Die Ertüchtigung der Kaikante erfolgt bis Frühsommer 2014. Verantwortlich für das Projekt »Ausbau der Helgoländer Häfen« ist die eigens gegründete Hafenprojektgesellschaft Helgoland. Nach der für das kommende Jahr geplanten Übergabe der Gewerbeflächen an die Betreiber wird der Bau der Suprastruktur erfolgen, für den acht bis zwölf Monate veranschlagt sind. Landseitig schließen sich weitere 20.000 m² Flächen an, die zeitnah erschlossen werden sollen und dann für die Ansiedlung von Unternehmen zur Verfügung stehen. Die Gemeinde rechnet durch die Offshore-Industrie mit bis zu 150 neuen Arbeitsplätzen auf der Insel.

Dagebüll

Der Hafen Dagebüll will der Offshore-Branche künftig als Versorgungshafen zur Verfügung stehen. Für die Lagerung von Komponenten sind schwerlastfähige Flächen in einer Größenordnung von 1,5 ha verfügbar, darüber hinaus können hinter dem Deich auf Nachfrage ständige Lagerflächen, Hallenflächen sowie Flächen für Bürogebäude und Unterkünfte bereitgestellt werden. Vor drei Jahren ist der Hafen bereits für den Umschlag von einigen bis zu 400 t schweren Gondeln und Türmen genutzt worden. Er erlaubt einen tidenunabhängigen Tiefgang von 2 m, die mittlere Wassertiefe liegt bei etwa 3 bis 5 m. An der Nordmole ist zudem eine Schwerlastpier vorhanden.

Husum

Auch der Husumer Hafen soll laut dem Konzept der Hafenkooperation in erster Linie die Funktion eines Versorgungshafens übernehmen. In der Region hat die Wind­energie mit ca. 3.000 Beschäftigten und verschiedenen Weiterbildungseinrichtungen eine große Bedeutung: Husum sei daher zudem »der ideale Ausbildungsstandort für Offshore-Techniker«, folgern die Autoren der Uniconsult-Studie. Darüber hinaus könne die Stadt im Rahmen eines Rettungskonzepts für die Windparks des Sylt-Clusters eine Rolle spielen. Für Service- und Wartungsleistungen von Offshore-Windparks stehen am Hafen Flächen und Kaibereiche zur Verfügung, an kainaher Lagerfläche sind es derzeit rund 1 ha. Ansiedlungswillige Unternehmen können nach Auskunft der Stadt Husum auf insgesamt 60 ha Gewerbeflächen zurückgreifen. Die Wassertiefe beträgt in Husum 1,2 m, was derzeit einen tidenunabhängigen Tiefgang von 0,65 m erlaubt (bei Hochwasser bis zu 4,2 m).

Büsum

Wegen seiner tiefen Zufahrt bietet Büsum als einziger Hafen an der Westküste Schleswig-Holsteins einen tidenunabhängigen Zugang für Schiffe mit einer Länge von bis zu 145 m. Der durch ein Sperrwerk mit einer maximalen Durchfahrtsbreite von 21,5 m geschützte Innenhafen erlaubt – je nach Wasserstand – einen Tiefgang von 3,5 m bis 6,5 m und Schiffslängen von bis zu 100 m. Entwicklungsfähige Wasser- und Landflächen stehen bereit. In zwei Gewerbegebieten sind bei Bedarf Flächen für Unternehmensansiedlungen verfügbar, in Kainähe sind es derzeit insgesamt 5 ha. In den nächsten Jahren sollen weitere 35 ha Hafenanschlussflächen hinzukommen.

Angesichts der verfügbaren Flächenressourcen und des Tiefgangs im Hafen rechnet sich Büsum gute Chancen aus, sich als Versorgungshafen zu etablieren. Die Studie empfiehlt zu diesem Zweck eine enge Zusammenarbeit mit Helgoland, um »die Flächenressourcen Büsums und die ideale Lage Helgolands in sinnvoller Weise miteinander zu kombinieren«.

Stade

Als Produktionshafen sowie als Import- und Exporthafen bietet sich Stade der Offshore-Branche an. Erfahrungen im Umschlag von Windkraftanlagen und Kom-

ponenten sind bereits vorhanden – unter anderem durch die Verschiffung von Rotorblättern, die Areva Blades am Standort Stade produziert. Für die Ansiedlung weiterer Unternehmen stehen 30 ha zur Verfügung, für die Lagerung von Komponenten waren es bislang 3 ha. Durch die Fertigstellung des neuen 3,5 ha großen Multi-Purpose-Terminals, das Buss Port Logistics gerade in Betrieb genommen hat, sind weitere Flächen hinzugekommen, die unter anderem für den Umschlag von Offshore-Komponenten genutzt werden sollen (s. Seite 9).

Im Gespräch ist darüber hinaus eine zusätzliche Erweiterung der Hafenfläche um bis zu 40 ha, deren erster Bauabschnitt bis 2015 fertiggestellt sein könnte. Die Wassertiefe beträgt am vorhandenen Terminal derzeit 8,5 m, im Ausbaubereich sind bis zu 14 m geplant. Die maximale Bodenflächenbelastung liegt im kainahen Bereich bei

5 t/m² und im Lagerbereich bei 25 t/m².

Nordenham

Nordenham will sich nicht nur als Versorgungshafen sowie als Import- und Exporthafen etablieren, sondern spielt zunehmend auch als Produktionsstandort eine Rolle. Nachdem die Kabelhersteller Norddeutsche Seekabelwerke und NKT Cables bereits vor einiger Zeit erfolgreich in den Offshore-Markt eingestiegen waren, will die Dillinger Hütte mit ihrer Tochter Steelwind ab 2014 jährlich 100 Monopile-Fundamente an der Wesermündung produzieren. Für den Umschlag wird eine komplett neue Pier installiert, deren Grundstein im Sommer gelegt werden soll. Des Weiteren kann Rhenus Midgard der Offshore-Branche an ihren beiden Terminals Flächen von insgesamt 57 ha zur Lagerung (inklusive gut 15 ha zur Vormontage) anbieten. Die Wassertiefe beträgt in Nordenham bis zu 13,1 m. Für die Ansiedlung von Unternehmen stehen in der Stadt mehr als 37 ha freie Flächen zur Verfügung.

Papenburg

Als Produktions- sowie als Import- und Exporthafen hat der schwerlastfähige Papenburger Hafen bei einer Wassertiefe von 5,5 m aktuell 21 ha für die Ansiedlung von Unternehmen, 22 ha für die Vormontage und 62 ha für die Lagerung von Komponenten zu bieten. Schon jetzt werden am Standort durch die Firmen Karl Röttgers und Robert Nyblad Offshore-Komponenten gefertigt, weiterverarbeitet und verschifft. Das Hafenentwicklungskonzept der Stadt, das bis 2025 verwirklicht werden soll, sieht eine umfassende Erweiterung des Hafen­geländes um insgesamt 105 ha vor. Ein Großteil davon wird als reine Industriefläche vorgehalten, die auch von der Offshore-Branche genutzt werden kann und soll.


Anne-Katrin Wehrmann