Print Friendly, PDF & Email

Durch den Ausbau der Offshore-Windenergie steigt die Kollisionsgefahr zwischen Schiffen und Windrädern. Die Bugsier-Reederei will den Einsatz von starken Lautsprechern testen, um das Risiko zu minimieren.

Noch ist die Zahl der Windenergieanlagen, die in der Nord- und in der Ostsee stehen, überschaubar, doch in den kommenden[ds_preview] 20 Jahren sollen Tausende hinzukommen. An manchen Stellen kann es dann eng werden für die Schiffe auf See, zumal die Verkehrsdichte schon allein wegen der regelmäßigen Fahrten zwischen Offshore-Windparks und Basis- beziehungsweise Service-Häfen weiter zunehmen wird. Zu Kollisionen zwischen unerlaubt in die je­weilige Sicherheitszone eingefahrenen Schiffen und Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) ist es bisher nicht gekommen. Doch was kann getan werden, damit das so bleibt? Wie können die Schiffsführer im Fall der Fälle gewarnt werden, dass sie Menschen und Material in Gefahr bringen?

Die Bugsier-Reederei, die mit ihrem Windenergie-Projektbüro seit einigen Jahren auch beratend für die Offshore-Branche tätig ist, ist auf der Suche nach Lösungen auf ein System gestoßen, das ursprünglich für das US-Militär entwickelt wurde: das Long Range Acoustic Device, kurz LRAD. Dabei handelt es sich um einen äußerst starken Lautsprecher, dessen Schall in einem Winkel von 20 bis 25° zielgerichtet nach vorne gesendet werden kann und der je nach Ausführung des Geräts über Entfernungen von mehreren Hundert Metern bis zu einigen Kilometern zu hören ist. Sowohl Sprach­übertragungen als auch unterschiedlich laute Warntöne sind möglich. »Das LRAD ist die einzige Möglichkeit, ohne Funk über größere Entfernungen auf Gefahren aufmerksam zu machen«, sagt Olaf Wiesel, der die Geräte mit seinem Unternehmen Wiesel Defence in Deutschland vertreibt.

Mehr Sicherheit durch gute Kommunikation

Zum Einsatz kommen könne das System in allen Situationen, in denen sich ein Fahrzeug ohne Erlaubnis einem Windpark nähere, erläutert Carsten Wibel, Projektmanager für Küstenschutz bei Bugsier: Das gelte sowohl für größere Schiffe, die – aus welchen Gründen auch immer – einen warnenden Funkspruch nicht registrieren, als auch für kleine Sportboote, die möglicherweise gar kein Funkgerät an Bord haben.

»Das Ziel ist es, die Sicherheit durch eine sichere und gute Kommunikation zu erhöhen«, so Wibel. Dabei seien die LRADs, die zum Beispiel an den äußeren Anlagen eines Offshore-Windparks angebracht werden könnten, als Ergänzung zu den Guard Vessels gedacht, die angesichts der Größe der Parks ohne eine solche technische Unterstützung schnell an ihre Grenzen kämen.

Nach Angaben des Herstellers sind die Geräte um ein Vielfaches lauter als Standard-Megafone und erschaffen eine Art akustischen Schutzwall um den Ausgangspunkt. Dabei können sie die Hintergrundgeräusche von Schiffen, Sirenen, Schiffsmotoren sowie Wind und Wetter übertönen. Je nach Ausführung können sie nicht nur fest an Windenergieanlagen angebracht werden, sondern auch mobil auf Guard Vessels zum Einsatz kommen. Über Radar- und AIS-Daten aus der Seeraumbeobachtung sollen sie nahende Gefahren automatisch erkennen und anhand von eingebauten Kameras weiterverfolgen. Der zuständige Operateur kann dann je nach Sachlage entsprechende Maßnahmen einleiten.

Bislang sind LRADs vor allem aus dem militärischen Bereich bekannt, aber auch auf Ölplattformen und zur Sicherung von Hafeneinfahrten kommen sie schon zum Einsatz. Die Polizei hat sie 2009 beim G20-Gipfel in Pittsburgh eingesetzt, und auf manchen Container- und Kreuzfahrtschiffen werden sie zur Piratenabwehr genutzt.

Letztere Anwendungsgebiete seien allerdings nicht das ursprüngliche Ziel der Geräte gewesen, erläutert Olaf Wiesel. »Sie sind nicht entwickelt worden, um Menschen zu vertreiben, sondern um eine unüberhörbare Ansprache zu ermöglichen.« Für den Einsatz in Offshore-Windparks seien die LRADs daher ideal geeignet. Es müssten lediglich einige kleinere Anpassungen für das neue Umfeld vorgenommen werden. Unter anderem werde man Edelstahlverbindungen verwenden, die den rauen Bedingungen auf See standhalten könnten.

Hoheitliche Aufgaben sind nicht das Ziel

»Wogegen wir nichts machen können und auch nichts machen wollen, ist kriminelle Energie«, betont Bugsier-Projektmanager Wibel. Es gehe nicht darum, hoheitliche Aufgaben zu übernehmen: Man wolle ausschließlich auf drohende Gefahren hinweisen, denn ohne das Erkennen einer Gefahr könne eine solche auch nicht abgewendet werden.

Sollte das Gegenüber auf eine derartige Ansprache nicht reagieren, bleibe als letzte Möglichkeit nur noch die Evakuierung der entsprechenden OWEA beziehungsweise Wohnplattform. »Darum ist die Reichweite so wichtig«, macht Wibel klar. »Wir brauchen dann einfach eine entsprechende Vorlaufzeit.«

Eine Offshore-Erprobung des LRAD-Systems in der Praxis bereitet die Bugsier-Reederei derzeit vor. Noch für diesen Sommer sind Feldversuche mit der unterneh-

menseigenen Flotte geplant. »Ein Sicherungskonzept, in dem ein Kommunikationsmittel wie LRAD ein Baustein ist, ist aus unserer Sicht der aktuelle Stand der Technik und kann viel zur Sicherheit in den Parks beitragen«, sagt Wibel. Er geht davon aus, dass die bevorstehende Testreihe dies belegen wird.
Anne-Katrin Wehrmann