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Die bremischen Häfen zählen zu den führenden Standorten maritimer Logistik in Europa. Zur Evaluierung der hafenbezogenen Beschäftigungswirkungen in Bremen und Bremerhaven wurde eine Untersuchung erstellt, deren Ergebnisse Jörg Lattner und Jan Janssen erläutern

Die maritime Logistik ist eine boomende Wachstumsbranche, die traditionell ei­nen bedeutenden Grundpfeiler der bremi­schen Volkswirtschaft bildet. Außerordent­liche[ds_preview] öffentliche und private Investitionen haben die maritime Logistik in den vergangenen Jahren kontinuierlich weiter entwickelt und gefördert, sodass die bremischen Häfen heute innerhalb Deutschlands und Europas führende Positionen innehaben. Hieran hat die Umschlagentwicklung in Bre­merhaven als viertgrößtem Container- und größtem Automobilumschlagplatz Europas einen erheblichen Anteil (Abb. 1).

Der Erfolg der bremischen Häfen wird in erster Linie an den erzielten Umschlägen und den veröffentlichten Geschäftsergebnissen der ansässigen Hafen- und Logistikunternehmen gemessen. Die Bedeutung der Häfen für den Bremer Wirtschaftsraum und hier insbesondere deren Wirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt wird zwar immer betont, allerdings nur selten mit konkretem Zahlenmaterial hinterlegt. In Anbetracht des hohen Aufwandes der hierfür not­wendigen regionalökonomischen Analysen wurden diese in Bremen in der Vergangenheit nicht regelmäßig, sondern oftmals bedarfsbezogen für spezifische Investitionsprojekte erstellt. Auftraggeber derartiger Untersuchungen waren der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen (SWAH) sowie verschiedene andere Stellen. Die zur Bewertung von Einzelinvestitionen durchgeführten Untersuchungen lieferten in ers­ter Linie zeitpunktbezogene Ergebnisse für das zugrunde liegende Basisjahr. Weiterhin verwendeten die Untersuchungen zur Ermittlung spezifischer Beschäftigungseffekte unterschiedliche Methodiken, so dass deren Ergebnisse kaum miteinander verglichen oder durch Summierung die gesamte Arbeitsplatzwirkung der bremischen Häfen darstellen konnten.

Letzte Studie vor fünfzehn Jahren

Die letzte umfassende Untersuchung der regionalökonomischen Bedeutung der bremischen Häfen der Firma Planco Consulting stammt aus dem Jahr 1998 (Basisjahr 1996) [1]. Zwar wurden im Jahr 2006 (Basisjahr 2005) im Rahmen eines Forschungsprojektes der Kieserling-Stiftung neuere Zahlen über die Arbeitsplatzwirkung der bremischen Häfen veröffentlicht, wobei diese jedoch durch Fortschreibung der Ergebnisse aus dem Jahr 1998 (1996) ermittelt wurden [2].

Mit Blick darauf, dass das Basisjahr der 1998er-Untersuchung mittlerweile annähernd fünfzehn Jahre zurückliegt, haben sich der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen und die bremenports GmbH & Co. KG entschlossen, die aktuellen Beschäftigungswirkungen einer neuen Untersuchung (Basisjahr 2010) zu unterziehen. Diese sollte, damit sie mit den Studien von Planco [1] und der Kieserling-Stiftung [2] vergleichbar ist und gleichzeitig Entwicklungen der Arbeitsplatzeffekte der bremi­schen Häfen aufzeigen kann, nach einem vergleichbaren Verfahren auf Basis von Primärerhebungen, Ladungsanalysen und Plausibilitätsuntersuchungen durchgeführt werden. Weitere Argumente für die Ver­gabe einer neuen Untersuchung waren die dynamische Umschlagentwicklung der vergangenen Jahre und die Verflechtung der maritimen mit der globalen Wirtschaft. bremenports beauftragte daher Anfang 2011 das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) mit der Erstellung einer Studie zu den Beschäftigungseffekten der bremischen Häfen [3].

Ergebnisse der ISL-Untersuchung

In der neuen Untersuchung des ISL [3] wurden für das Basisjahr 2010 ca. 74.000 Personen als »direkt und indirekt« hafenabhängig beschäftigt identifiziert (Abb. 3). Hiervon entfielen etwa 57.000 Personen (77 %) auf die »direkt« und ca. 17.000 Personen (23 %) auf die »indirekt« hafenabhängig Beschäftigten.Von den »direkt« hafenabhängig Beschäftigten wiederum ent-

fielen ca. 33.000 Personen (58 %) auf den Kernbereich der Seeverkehrswirtschaft und ca. 24.000 Personen (42 %) auf die hafen­bezogene Wirtschaft, d. h. auf im- und exportierende Industrieunternehmen sowie den Groß- und Einzelhandel.

Insgesamt entsprechen die rund 74.000 »direkt und indirekt« hafenabhängigen Personen einem Anteil von etwa 20 % an der bremischen Gesamtbeschäftigung. Diese hafenabhängig Beschäftigen erwirtschafte­ten einen Umsatz von ca. 11,5 Mrd. € (ca. 22 % am Bremer Gesamtumsatz) und eine Wertschöpfung von 4,4 Mrd. € (ca. 18 % der Bremer Wertschöpfung).

Umschlagentwicklung

Die »direkt hafenabhängige Beschäftigung« in der Kernbranche »Seeverkehrswirtschaft« ist im Vergleich zu 1996 (Basisjahr [1]) von ca. 23.400 auf ca. 33.000 Personen (2010) angestiegen. Dies ist ein Zuwachs von etwa 40 %. Im selben Zeitraum hat sich der Seegüter­umschlag von 31,5 Mio. t (1996) auf 68,9 Mio. t (2010) mehr als verdoppelt (Faktor 2,2). Dieser Anstieg beruht in erster Linie

auf den deutlichen Zuwachs im Stückgutbereich, der sich von 21,5 Mio. t (1996) auf 59,7 Mio. t (2010) um den Faktor 2,8 erhöht hat. Besonders dynamisch war die Entwicklung im Gütersegment »containerisiertes Stückgut«, welches von 15,7 Mio. t (1996) auf 51,9 Mio. t (2010) anwuchs (Faktor 3,3). Dieses Aufkommen wurde 2010 in 4,9 Mio. TEU umgeschlagen, während es im Jahr 1996 erst 1,5 Mio. TEU waren. Nicht ganz so dynamisch entwickelte sich der Automobilumschlag, hier kam es »nur« zu einer Erhöhung von 0,9 Mio. Fahrzeugeinheiten (1996) auf 1,6 Mio. Fahrzeugeinheiten (2010), d. h. um den Faktor 1,8.

Diese Zuwächse wurden nicht allein durch Produktivitätssteigerungen und Erweiterung der Umschlagterminals erzielt, sondern auch durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Vor diesem Hintergrund geht das ISL davon aus, dass ein Drittel des gesamten Umschlagzuwachses »direkte« Arbeitsplatzwirkungen in der Seeverkehrswirtschaft generierte.

Die Arbeitsplatzeffekte innerhalb der »hafenbezogenen Wirtschaft« und die »indirekt hafenabhängige Beschäftigung« wurden vom ISL mit ca. 41.000 Arbeitsplätzen angegeben. Hier zeigte sich deutlich der Unterschied zu den früheren Studien. Wurden im Jahr 1996 noch 37.300 industrielle Arbeitsplätze dem Hafen zugerechnet, davon allein 16.800 Arbeitsplätze aus dem Automobilsektor, so werden jetzt, deutlich vorsichtiger, nur noch 17.800 Arbeitsplätze des gesamten industriellen Sektors als hafenabhängig bezeichnet. Mit diesem neuen Ansatz konnte einer der wesentlichen Diskussionspunkte der Arbeitsplatzstudien zur Hafenabhängigkeit der Vergangenheit aus dem Weg geräumt werden.

Weniger »indirekte« Arbeitsplätze

In der Planco-Untersuchung (Basisjahr 1996) wurden seinerzeit knapp 82.000 Beschäftigte gezählt [1]. Durch Fortschreibungen, in erster Linie über reine Umschlagbetrachtungen, wurden in der Kie-

serling-Untersuchung (Basisjahr 2005) ca. 87.000 hafenabhängige Arbeitsplätze ermittelt [2]. Das von diesen Studien abweichende Ergebnis der neuen Untersuchung – immerhin hat sich das Umschlagvolumen in den bremischen Häfen sehr positiv entwickelt – entsteht durch einen veränderten und vorsichtigeren Ansatz innerhalb der Gruppe der aus Hafentätigkeiten abgeleiteten Beschäftigungseffekte (»indirekte« Beschäftigungswirkungen). Insbesondere die Bewertung der »indirekten« Beschäftigungseffekte in den bremischen Häfen führte in der Vergangenheit teilweise zu Kritik an den vorgelegten Arbeitsplatzzahlen. Diese Kritik wurde in der neuen Untersuchung insofern berücksichtigt, dass im Segment der »indirekten« Arbeitsplätze deutlich niedrigere Annahmen getroffen wurden.

Die Hafenabhängigkeit von einzelnen Industrien wurde in der Planco-Untersuchung (Basisjahr 1996) über empirische Kennzahlen, d. h. über den Anteil importierter Rohstoffe bzw. exportierter Produkte ermittelt [1]. Eine andere Möglichkeit zur Abschätzung der Hafenabhängigkeit besteht darin, im Rahmen der Befragung von den Unternehmen Selbsteinschätzungen einzuholen. Beide Vorgehensweisen sind möglich, beinhalten aber methodische Schwächen. Das ISL hat sich daher gemeinsam mit dem Auftraggeber für die neue Untersuchung auf eine Kombination beider Verfahren geeinigt. Während die Hafenabhängigkeit bei einigen Branchen bzw. beim Schiffbau offenkundig ist, sind andere Branchen durchaus »Bremen-spezifisch« zu bewerten. Die Stahlerzeugung, Holzverarbeitung und Elektrizitätserzeugung beziehen den Großteil ihrer Rohstoffe über den Seeweg. Viele Unternehmen liegen direkt im Hafengebiet und verfügen über eigene Umschlagterminals. Daher wird bei diesen Unternehmen davon ausgegangen, dass sie ohne Ha­fen nicht angesiedelt worden wären (Abb. 2).

Strukturwandel in den Warenketten

Besonders in den Industrien Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel sowie bei der Fischverarbeitung und der Fischerei zeigt sich der Strukturwandel in den internationalen Warenketten. Die Fischverarbeitung wurde in der Vergangenheit noch mit einer Hafenabhängigkeit von 100 % belegt. Durch veränderte Konsumgewohnheiten und den Trend zu exotischen Fischarten sowie sich weiter entwickelnde Fangmöglichkeiten haben sich auch die Transportketten verändert: Frischfisch wird in immer größerem Umfang per Luftfracht nach Deutschland gebracht und der Weitertransport nach Bremerhaven erfolgt per Lkw. Die veränderten Transportketten führten bei der »hafen­bezogenen Industrie« zu deutlich niedri­geren Ansätzen der Hafenabhängigkeit, als dies noch bei der Planco-Untersuchung der Fall war. Das ISL untermauerte den Ansatz seiner Untersuchung mit Plausibilitäts­vergleichen der Arbeitsplatzstudien anderer Hafenstandorte, der Zusammensetzung des Hafenumschlags sowie der Industriestruktur (Abb. 4).

Standortvergleich

Für den Hamburger Hafen hatte Planco für 2010 knapp 134.000 »direkt und indirekt« hafenabhängige Beschäftigte identifiziert. Hiervon entfielen 72.000 auf »direkte« und 62.000 auf »indirekte« Beschäftigungseffekte. Damit lagen die »direkten und indirekten« Beschäftigungseffekte im Jahr 2010 in Hamburg (1.075 Beschäftigte pro Mio. t Umschlag) und Bremen (ca. 1.100 Beschäftigte pro Mio. t Umschlag) bezogen auf das jeweilige Umschlagvolumen in einer vergleichbaren Größenordnung. Der prozentuale Anteil der »direkt« hafenabhängig Beschäftigten fiel in Bremen mit 77 % höher aus als in Hamburg (54 %). Demgegenüber ermittelte Planco für die größere Regionalökonomie Hamburg einem höheren prozentualen Anteil von »indirekten« Beschäftigungseffekten.

Die prozentual höhere »direkte« Hafen­abhängigkeit im Land Bremen ist auf die

höhere Beschäftigungsintensität der bremischen Umschlagstruktur zurückzuführen. So weist Bremen einen höheren Umschlaganteil an dem besonders beschäftigungswirksamen konventionellen Stückgut (Bremen 12 %, Hamburg 2 %) sowie einen relativ geringen Anteil am beschäftigungsarmen Massengut (Bremen 13 %, Hamburg 30 %) auf. Auch eine weitere, mit Ergebnissen für die Niedersächsischen Häfen durchgeführte Analyse zeigte, dass die im Zuge der neuen Untersuchung für die bremischen Häfen ermittelten Daten plausibel sind.

Die hohe regionalwirtschaftliche Bedeutung der bremischen Häfen zeigt sich unter anderem auch anhand des hohen Anteils der hafenabhängig Beschäftigten an allen Erwerbstätigen. Während in Bremen im Jahr 2010 fast jeder fünfte Erwerbstätige (19 %) von den Häfen abhing, war es in Hamburg jeder achte (12,4 %) und in den niedersächsischen Hafenregionen jeder sechzehnte Arbeitsplatz (6,2 %).

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit der neuen Untersuchung erstmals seit etwa fünfzehn Jahren wieder eine umfassende Analyse zu den Beschäftigungswirkungen der bremischen Häfen auf Basis einer Primärerhebung vorliegt. Die neue Untersuchung schlägt eine Brücke zu den vorherigen Untersuchungen vergleichbarer Zielrichtung und erklärt plausibel den Unterschied in der jeweiligen Abgrenzung und Methodik. Der zentrale Unterschied zu früheren Untersuchungen besteht darin, dass den industriellen Arbeitsplätzen nur eine bedingte Hafenabhängigkeit zugemessen wird. Die direkte Beschäftigungswirkung der Häfen in Bremen und Bremerhaven ist ebenso wie der Umschlag deutlich gestiegen. Die neue Untersuchung ist im Internet (www.bremenports.de) abrufbar.

Autoren:

Jörg Lattner, Referat Hafenwirtschaft, Logistik und Hafeninfrastruktur beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Bremen, Joerg.Lattner@wuh.bremen.de

Jan Janssen, Hafenentwicklungsplanung, bremenports GmbH & Co. KG Jan.Janssen@bremenports.de


Jörg Lattner, Jan Janssen