Mitte Dezember wurde das stark beschädigte Schiff im JadeWeserPort fertig entladen. Teilweise mussten die zerstörten Container unter Leitung des Havariekommandos noch an Bord auseinander geschweißt werden
Das Havariekommando, eine Einrichtung von Bund und Küstenländern, hat die Arbeiten auf der schwer beschädigten »MSC Flaminia« nach rund zwei[ds_preview] Monaten beendet. In dieser Zeit koordinierte und überwachte es jeden Schritt des Entladevorgangs auf dem verunglückten Containerschiff. Insbesondere Container mit gefährlicher Ladung mussten unter äußerster Vor-

sicht an Land gebracht werden. Allein 14.000 m2 Fläche wurden auf dem Gelände des JadeWeserPorts für Geräte und zur Lagerung und Entsorgung der Schiffsladung vorgehalten, zudem eigene Sicherheitszonen und Zufahrten ausgewiesen.

Komplizierter Entladevorgang

Beim Entladevorgang musste die Stabilität des Schiffes stets sichergestellt sein. Mit dieser Herausforderung sah sich das Havariekommando unter der Leitung von Hans-Werner Monsees in erster Linie konfrontiert. Da für einen Unglücksfall solchen Ausmaßes keine Standardlösungen vorliegen, musste das Havariekommando zusammen mit 30 bis 40 Experten zunächst ein individuelles Konzept erarbeiten, auf welche Weise die Container am sichersten vom Schiff gebracht werden.

Für den Entladevorgang stellte der Germanische Lloyd (GL) täglich Berechnungen über die Stabilität des Schiffes auf und fertigte für jeden einzelnen Tag einen Entladeplan an. Darin war die Reihenfolge der zu löschenden Container festgelegt sowie welche Boxen in welchen Teil des Schiffes umgeschichtet werden mussten. Zudem war geregelt, wie viel Lösch­wasser, das aus Stabilitätsgründen im Rumpf des Frachters blieb, gegebenenfalls umgepumpt werden musste.

Die zumeist beschädigten Container im zerstörten Mittelteil des Schiffes wurden mithilfe von zwei Portalkranen von der »MSC Flaminia« gebracht. Einer davon hob den Container an, der andere brachte in einem Mannkorb Werftarbeiter aufs Schiff, die Anschlagpunkte suchten, also Stellen, an denen die Boxen angehoben werden konnten, beschreibt Monsees das Prozedere. Teilweise wurden die Container noch auf dem Schiff auseinander geschweißt – ein nicht ungefährlicher und zeitaufwändiger Job. Deshalb konnten durchschnittlich nur zwölf zerstörte Kisten pro Tag entladen werden. Insgesamt hatte das Schiff 2.876 Container an Bord, einige davon enthielten leicht brennbare Materialien. Einzelne Glutnester mussten auch Monate nach Ausbruch des Feuers noch bekämpft werden. Deshalb wurden die betreffenden Kisten selbst im JadeWeserPort noch gekühlt, bevor sie an Land gebracht werden konnten. 153 Container enthielten Gefahrgut, 57 davon waren intakt, 24 durch Rauch oder Hitze beschädigt und 72 offensichtlich zerstört.

Die kontaminierten Container galt es zunächst zu reinigen. Container, aus denen Flüssigkeit austrat, wurden noch auf dem Schiff in riesige Stahlwannen gestellt, mit diesen an Land gebracht und separat entsorgt. Boxen, die für den weiteren Transport nicht geeignet waren, wurden in sogenannte »Brennwannen« gestellt, damit keine Schadstoffe auf das Gelände gelangen konnten. Mit der Entsorgung wurde die Firma Nehlsen beauftragt, die auch das Konzept zur Entsorgung des Löschwassers erstellte. »Auch wenn es für viele Neuland war, hat es wirklich gut funktioniert«, kommentiert Monsees den Entladevorgang.

Nachdem das Havariekommando seine Tätigkeiten beendet hatte, gingen die Arbeiten am Schiff noch gut fünf Wochen weiter. Diese waren aber nur noch normale Entladevorgänge, wie der Leiter des Havariekommandos bestätigte.

Reparatur in China oder Rumänien

Nachdem zuvor alle Gefahrgutcontainer vom Schiff gebracht worden waren, begann die Reinigung des Löschwassers im Elektrolyse-Verfahren. Dafür wurde ein Spezialcontainer an Bord gebracht, durch den das Löschwasser geleitet wurde. Das gereinig­-te Wasser verbleibt aus Stabilitätsgründen auch weiterhin an Bord. Zeitgleich wurden die restlichen Container gelöscht. Erst am 18. Dezember war der komplette Löschvorgang abgeschlossen. Gegenwärtig läuft die Suche nach einer Reparaturwerft. Im Blick hat die Reederei NSB offenbar China oder Rumänien, wo der zerstörte Mittelteil des Schiffes herausgeschweißt und durch einen neuen ersetzt werden soll. Die Reise dorthin könnte das Containerschiff aus eigener Kraft antreten, da der Maschinenraum bei dem Unglück unbeschädigt blieb.

EU-Notfallplan kritisiert

Die Weigerung Frankreichs und Englands, dem unter deutscher Flagge fahrenden Havaristen einen Nothafen zur Verfügung zu stellen, sorgt unterdessen weiter für Verstimmung. Der GL fordert eine gründliche Überprüfung der Notfallmaßnahmen. Und die SPD-Fraktion hat bereits einen Antrag an den Bundestag gestellt, wonach die Bundesregierung den genauen Unfallhergang klären und daraus Konsequenzen ziehen soll. Das EU-Notfallkonzept solle »gewährleisten, dass auf Hilfe angewiesene Schiffe die nächst­gelege­nen und am besten ge­eigneten Nothäfen oder Notliegeplätze schnellstmöglich anlaufen können«, heißt es im Antrag der Sozialdemokraten. Auch eine Meldepflicht für nicht ausreichend oder falsch deklariertes Gefahrgut sei zu prüfen.
TWG