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Beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität auf See fehlt vielen betroffenen Küstenstaaten das Geld. Die Vereinten Nationen zögern noch mit Hilfsmaßnahmen
Die Piraterie vor Westafrika hat neue Dimensionen erreicht. Im Vergleich zu den Überfällen vor der ostafrikanischen Küste gehen die Piraten[ds_preview] am Golf von Gui­nea sehr brutal vor. Ihre Bestrebung ist es vorrangig nicht, Menschenleben zu schonen, um mit Geiseln Lösegeld zu erpressen. Stattdessen haben sie es auf Schiffsladungen und Wertgegenstände an Bord abgesehen. Daher greifen sie schnell zu Schusswaffen, wenn Besatzungen Widerstand leisten.

Dazu sagt Noel Choong, Leiter des Piracy Reporting Center (PRC) in Kuala Lumpur: »Sie stammen hauptsächlich aus Nigeria. Ihr Hauptinteresse erstreckt sich auf Öl und Gas. Den Treibstoff pumpen sie ab, um ihn selbst zu verbrauchen, oder sie bieten ihn auf dem Schwarzmarkt an.« Das PRC gehört zum Internationalen Schifffahrtsbüro (IMB) der Internationalen Handelskammer und dient als zentrale Meldestelle für Pira­tenattacken.

Typisch für Überfälle dieser Art war die Kaperung des griechischen Tankers »Orfeas« Anfang Oktober 2012 vor dem Hafen von Abidjan an der Elfenbeinküste. Die Seeräuber sperrten die 24-köpfige Crew in die Kapitänskammer, raubten deren persönliches Eigentum, pumpten Treibstoff ab und ließen Schiff und Mannschaft zwei Tage später wieder frei.

Statistik mit großen Lücken

Hinter den Überfällen stehen meist nigerianische Kartelle aus Gangstern und Rebellen. Verfolgt wurden die Verbrechen in der Vergangenheit kaum, denn Nigerias Küstenwache, Militär und Polizei gelten als hochgradig korrupt. Als die nigerianische Marine dennoch vom Jahr 2010 an begann, härter durchzugreifen, wichen die Seeräuber Richtung Westen vor die Küste Benins aus. Mittlerweile gelten die Küstengewässer von Sierra Leone bis Kamerun als Piraten-Hotspots. Genaue Zahlen sind schwer zu erhalten; das PRC vermutet, dass die Dunkelziffer der gekaperten Schiffe im Golf von Guinea sehr groß ist. Viele Kapitäne melden die Vorfälle nicht, weil sie, wie es heißt, selbst in zwielichtige Geschäfte verwickelt sein könnten oder Angst vor einem starken Anstieg der Versicherungsprämien haben. »Wir appellieren an alle Schiffsbesitzer, uns jeden Zwischenfall zu melden, damit wir ein realistisches Bild bekommen«, sagt Choong.

Der westafrikanische Staat Benin leidet besonders unter der Piraterie. Allein mit dem Güterumschlag und den Zollgebühren im Hafen von Cotonou erwirtschaftet das Land in etwa 10 % seines Bruttoinlandprodukts. Der Hafen von Cotonou gilt als regionaler Umschlagplatz für gebrauchte Fahrzeuge aus Europa und ist Verschiffungsort für Baumwolle aus Westafrika. Zudem sind Nachbarstaaten wie Niger oder Burkina Faso auf den Hafen als Güterumschlagplatz angewiesen, da sie keinen direkten Zugang zum Meer haben.

Für das Land ist die Piraterie mittler­weile existenzbedrohend, sodass sich Präsident Boni Yayi an die Vereinten Nationen wandte und Hilfe im Kampf gegen die Piraterie sowie gegen Drogenschmuggel von Südamerika nach Westafrika anforderte. Doch die UN zögern noch. Bislang haben sie lediglich ein Untersuchungsteam in die betroffene Region geschickt. Zudem hat der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Bekämpfung der Piraterie in Westafrika verabschiedet. »Doch weitere Anstrengun­gen seitens der internationalen Gemeinschaft wurden nicht unternommen«, stellt Choong fest.

Riesige Fläche kaum überwachbar

Um die Sicherheitslage zu verbessern, haben sich die Küstenwachen von Benin, Nigeria und Togo zusammengeschlossen und fahren Patrouillen. »Allerdings ist es eine riesige Fläche, die diese Küstenwachen überwachen müssen«, dämpft Choong die Hoffnung auf schnelle Erfolge. Auf internationaler Ebene gibt es bisher nur wenige französische, britische und amerikanische Schiffe, die im Golf von Guinea patrouillieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Piraten ständig ihre Strategien ändern. »Sechs der zehn gemeldeten Piratenüberfälle fanden mehr als 120 km von der Küste entfernt statt. Das deutet darauf hin, dass sie Fischerboote als Basis für Angriffe auf hoher See benutzen«, sagt Pottengal Mukundan, der Direktor des PRC, und nennt einen Grund für die Zunahme der Piraterie vor West­afrika: »Einige Anrainerstaaten am Golf von Guinea haben nicht einmal ausreichend Treibstoff, um Überwachungsschiffe vor ih­ren Küsten zu betanken, weil ihnen die finanziellen Mittel dafür fehlen.«