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Drei Jahre nach der Markteinführung von Container Freight Swap Agreements verzeichnen Makler und Banker steigende Anfragen vor allem von Ex- und Importeuren. Auf dem CFDA-Forum in Hamburg zogen Branchenvertreter eine positive Zwischenbilanz.
Selbst erfahrenen Frachteneinkäufern und Schifffahrtsagenten verschlug es die Sprache. Eine solche Achterbahnfahrt der Raten hatten die meisten wohl noch nie[ds_preview] erlebt. Binnen drei Monaten schossen die Frachtpreise auf der Route Fernost–Europa im Frühjahr vergangenen Jahres um 170 % in die Höhe, um dann im weiteren Jahresverlauf erneut um die Hälfte einzubrechen.

Kalkulationssicherheit sieht anders aus, jedenfalls für den Großteil der kleinen und mittleren Verlader, die von den Linienreedereien keine festen Frachtpreise für ein ganzes Kalenderjahr bekommen. Statt dessen schwanken ihre Raten von Monat zu Monat, bisweilen sogar von Woche zu Woche. Kein Experte erwartet ernsthaft, dass die Volatilität dieses Jahr nachlässt.

»Die Fahrt auf der Preis-achterbahn geht weiter. Die Frachtkosten können innerhalb von 24 Stunden verdoppeln, und die Kunden soll­ten darauf vorbereitet sein«, sagt Denis Sanguinetti, der beim französischen Logistikkonzern Bolloré den Seefrachteinkauf verantwortet.

Hauptgrund für die hohe Volatilität: Den Carriern fällt es schwer, ein Gleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Stellplätzen auf den jeweiligen Routen herzustellen. Denn nach den hohen Investitionen der Boomjahre bis 2008 schwimmt viel zu viel Schiffsraum auf den Meeren. Immer wieder erliegen einzelne Carrier der Versuchung, mehr Kapazität einzuchartern und in Fahrt zu setzen als benötigt, um sich Marktanteile zu sichern. Sinken die Preise ins Bodenlose wird ra­dikal gegengesteuert: Dienste werden geschlossen, Schiffe wieder abgezogen – mit der Folge, dass die Frachtraten in die Höhe schießen.

»Die Linienschifffahrt ist längst zu einem Kasino geworden, aber die Carrier wollen es nicht wahrhaben«, sagte Alan Murphy von der Marktforschungsfirma SeaIntel im Januar auf dem Europa-Forum der Container Freight Derivatives Association (CFDA) in Hamburg. In dem Verband haben sich Makler, Logistikfirmen und Banken zusammengeschlossen, die der Frachtenvolatilität mit neuen Instrumenten Einhalt gebieten wollen. Ihr Ziel ist es, einen Frachtentermin­markt aufzubauen, auf dem sich Käufer und Anbieter von Fracht durch Handel mit Swap-Kontrakten (Container Freight Swap Agreements, CFSA) Frachtpreise in der Zukunft absichern können (siehe Kasten).

Handelsumfänge ziehen an

Drei Jahre ist es her, dass die erste Transaktion solcher Papiere unter Vermittlung des Londoner Schiffs- und Frachtderivatenmaklers Clarkson über die Bühne ging. Ihre Markteinführung verlief bislang eher schleppend. Doch inzwischen verzeichnen Branchenexperten ein Umdenken vor allem bei Schifffahrtskunden in Industrie und Handel, die sich mehr Budgetsicherheit in ihren globalen Lieferketten wünschen. Gerade in den vergangenen Mo­naten habe das Interesse an Kurs­sicherung rasant zugenommen, meint Christoph Matthews, Senior Manager Corporate Advisory bei der HSH Nordbank, die das CFDA-Forum Mitte Januar in Hamburg ausrichtete. »Der Widerstand ist in fast allen Branchen weitgehend gewichen«, konstatiert der Experte. Inzwischen wickele die Kapitalmarktsparte der HSH Nordbank pro Woche Hedging-Geschäfte für Ladungsumfänge von durchschnittlich rund 400 TEU ab. Die Mengen seien aber noch sehr volatil. »In einer Woche können das 1.000 TEU sein, in einer anderen auch mal null«, sagt Matthews. Die Gebühren für die Absicherungsgeschäfte lägen in einer Bandbreite von 0,5 % bis 1 % der gehandelten Frachtrate.

Wolfgang Schulze-Collenburg, Manager Corporate Sales im Kapitalmarktbereich der HSH Nordbank, erwartet dieses Jahr eine steigende Nachfrage vor allem seitens mittelgroßer Verlader mit Jahresmengen von 50.000 bis 100.000 TEU. Zahlreiche Un­ternehmen hätten ihre Kontraktraten mit Spediteuren und Reedern bereits an den Schanghai-Spotindex gekoppelt. Der nächs­te lo­gische Schritt sei es, die Spot-schwankungen nun durch Kurssicherungsgeschäfte zu neutralisieren. Da gebe es ei­ne »echte Nachfrage«. Viele Firmen fragten sich: »Wie können wir unsere Frachtkosten absichern?«, unterstreicht HSH-Manager Schulze-Collenburg.

Bislang stehen die meisten Linienreeder dem Konzept noch misstrauisch gegenüber, aber das Modell funktioniert auch ohne sie, nämlich vermittelt über die Seefracht­spe­dition. Die Dienstleister sind gewohnt, Frachtraten kurzfristig bei den Linien einzukaufen und an Kunden weiterzukaufen. Entsprechend sind sie ebenso in der Lage, Rahmenverträge mit schwankenden Raten, die an den Schanghai-Spotindex (Shanghai Containerized Freight Index, SCFI) gebunden sind, für den Kunden darzustellen.

Indexbasierte Frachtverträge

Erfahrungen mit solchen Modellen haben zum Beispiel die Speditionen Panalpina und SDV Geis gesammelt. Bei vielen Kunden, die keine direkten Verträge mit den Reedern haben, würden die Frachtpreise ohnehin ständig angepasst. »Anfangs kamen die Raten quartalsweise auf den Prüfstand, dann monatlich und dann zweiwöchentlich oder sogar wöchentlich«, erklärte Claus Freydag, Leiter Vertrieb & Marketing bei SDV Geis. Ergebnis: Die Preisverhandlungen uferten aus, nahmen immer mehr Personal und Zeit in Anspruch.

Durch die Kopplung der Raten an den Schanghai-Index sind solche Nachverhandlungen obsolet geworden. Zwar liegt die Ausgangs-Frachtrate in der Regel über dem Schanghai-Spotniveau, damit die Marge für den Spediteur gewährleistet wird. Die Anpassungen erfolgen dann aber proportional zu den Schanghai-Index-Schwankungen. »Wir haben gesehen, dass wir dadurch unser Geschäft schützen können. Um von vornherein Spannungen mit dem Kunden zu vermeiden, haben wir diese erweiterte Transparenz geschaffen«, erläuterte Claus Freydag.

Anastassia Wojtek, Product & Innovation Manager für Seefracht bei Panalpina in Hamburg, sieht speziell bei Verladern aus den Bereichen Konsumgüter, Einzelhandel und Automotive erhöhtes Interesse an indexbasierten Frachtkontrakten. Bei einem Großteil der kleinen bis mittleren Kunden seien die Seefrachtvereinbarungen bereits ganz oder teilweise umgestellt worden.

»Wir nehmen damit Druck aus den Geschäftsbeziehungen, der sich durch das permanente Auf und Ab der Raten ergibt, und konzentrieren uns auf das Wesentliche, nämlich den Service«, so Wojtek. Allerdings bleibt es jedem Kunden selbst überlassen, ob er die Frachtschwankungen dann in ei-

nem zweiten Schritt durch Swap-Käufe absichert oder nicht. Panalpina und SDV Geis handeln bislang nicht selbst am Frachtenterminmarkt, vermitteln aber Kontakte zu einschlägigen Maklern.


Michael Hollmann