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Lebensmittel, Duty-free-Waren, Baustoffe und nicht zuletzt Touristen müssen regelmäßig nach Helgoland gebracht werden und dort ihre jeweiligen Ziele erreichen. Um die

Insellogistik geht es im sechsten Teil der HANSA-Serie.
In Sachen Müllabfuhr sind die Helgoländer verwöhnt. Zweimal pro Woche fahren die Elektrosammelfahrzeuge der Karl Meyer Inselentsorgung Privathaushalte an, um[ds_preview] ent­standene Abfälle abzuholen. Gastronomie- und Hotelbetriebe können die­sen Service während der Saison sogar täglich in Anspruch nehmen, zwischen Ende Oktober und Ostern immerhin noch sechsmal die Woche. Platz zum Sammeln und Lagern von Restmüll und gelben Säcken gibt es auf der Insel kaum, Papier- und Altglascontainer nur vereinzelt. »Der Kreis Pinneberg hat uns darum beauftragt, den Abfall häufiger abzuholen als auf dem Festland üblich«, erläutert Karl-Meyer-Prokurist Jürgen Jagdhuber.

Entsorgungslogistik speziell für die Insel

Seit 1977 ist das Unternehmen für die Entsorgung und Aufbereitung aller anfallenden Abfälle verantwortlich. Vorher hatte eine Deponie an der Westküste als End­lagerstätte gedient, jetzt wird der Abfall jeden Dienstag mit dem Küstenmotorschiff »Björn M« zum Festland gebracht. Dafür wird er in einer eigens entwickelten Auf­bereitungsanlage in speziell für Helgoland gefertigte Container gepresst, die eine geruchsfreie Zwischenlagerung bis zum Abtransport ermöglichen. Doch nicht nur für die Abfälle bedarf es einer besonderen Logistik: Zur Unterhaltung des Kanalnetzes ist ein firmeneigener Hochdruckspülwagen multifunktionell ausgestattet worden und dadurch sowohl für Kanalarbeiten als auch für Feuerwehreinsätze und eventuelle Ölschäden einsetzbar.

Um Leerfahrten zu vermeiden, hat die »Björn M« auf der Hinfahrt von Wisch­hafen stets Waren für den ebenfalls zum Unternehmen gehörenden Inselbaumarkt und für andere Firmen Baustoffe sowie die geleerten Abfallcontainer an Bord. Lebensmittel, Konsumgüter und Duty-free-Artikel kommen mit der »MS Helgoland« je nach Jahreszeit ein- oder zweimal wöchentlich aus Cuxhaven. Beide Schiffe fahren unter der Flagge der Karl Meyer Reederei.

Vor fünf Jahren hat die Firmengruppe zusätzlich das Helgoland Fracht-Kontor übernommen und sich dadurch ein weiteres Standbein als Dienstleister für die Logistik vor Ort und den Weitertransport auf der Insel geschaffen. »Flexibilität ist hier besonders wichtig«, sagt Jürgen Jagdhuber. »Wir haben keine großen Lagerkapazitäten und müssen schnell ausliefern.« Man müsse spontan sein und immer auf das Wetter reagieren können: Feste Abfahrtszeiten gebe es

nicht. Von der Ansiedlung der Offshore-Windbranche erhofft sich der Prokurist künftig neue Aufträge – so sind nach seiner Aussage Rahmenverträge zum Transport von Materialien mit RWE bereits unterzeichnet und mit WindMW in Planung. Darüber hinaus hat die »Björn M.« zuletzt häufiger außerhalb des regulären Liniendienstes Schüttgut für den Ausbau des Südhafens transportiert. Momentan wisse niemand so genau, was da tatsächlich auf die Insel zukomme, meint Jagdhuber. Fakt sei aber, dass er in den vergangenen beiden Jahren zu den bereits vorhandenen 30 Mitarbeitern auf Helgoland fünf weitere habe einstellen können, »die zumindest sekundär mit Offshore-Wind zu tun haben«.

Offshore-Branche bringt neue Aufgaben

Als zweiter wesentlicher Logistikdienstleis­ter hat sich das Unternehmen EMT (Ederleh Müller Transporte) auf Helgoland etabliert. »Wir transportieren alles, was bewegt werden muss – vom Briefumschlag bis zum Urlaubsgast«, umreißt Mitinhaber Heiko Ederleh das Geschäftsfeld. Wer sein Gepäck nicht vom Schiff zum Hotel tragen möchte, lässt es sich von EMT bringen. Und wem der Weg zu Fuß zu lang ist, der bestellt sich eines der beiden Elektrotaxis, die es auf der eigentlich autofreien Insel gibt (jedes Fahrzeug benö­tigt hier eine Sondergenehmigung). Zum Portfolio gehören darüber hinaus Frachttransporte von den Versorgungsschiffen zum Bestimmungsort sowie die Versorgung der vorgelagerten Düne mit dem firmeneigenen Frachtboot »Hein Blöd«. »Die besondere Herausforderung der Insellogis­tik liegt darin, ständig da zu sein und schnell organisieren zu können«, macht Ederleh deutlich. »Wir sind darauf angewiesen, immer wieder kreative Lösungen zu finden.«

Auch EMT setzt Hoffnungen in die Offshore-Branche – und profitiert schon jetzt davon. So hat das Unternehmen für die beiden von der Schramm Group errichteten Monteurswohnhäuser die Baustoffe geliefert, für Schiffe in den Baufeldern der entstehenden Windparks dringend benötigte Ersatzteile gebracht und im Hafen liegende Guard Vessels mit Proviant und Wasser versorgt. Um für die kommenden Aufgaben gerüstet zu sein, haben sich sechs der zwölf Mitarbeiter kürzlich zu Seeleuten ausbilden lassen: So wird es künftig möglich sein, kurzfristige Ausfälle in der Crew von Offshore-Schiffen unkompliziert auszugleichen. Mit eigenen Tenderbooten will das Unternehmen jedoch nicht einsteigen. »Das wäre eine Nummer zu groß für uns«, meint Ederleh. »Uns geht es darum, die kleinen Lücken zu füllen, an die vorher niemand gedacht hat.«

Verschiedene Möglichkeiten der Anreise

Kürzlich hat sich wieder eine dieser »Lücken« aufgetan. Die Förde Reederei Seetouristik (FRS), die vor einiger Zeit mit dem niederländischen Schiffsanbieter Windcat Workboats das Joint Venture FRS Windcat Offshore Logistics gegründet hatte, startete im März über ihre Firmentochter Helgoline einen ungewöhnlichen Testlauf und setzte das 45 Passagiere fassende Crew Transfer Vessel »Windcat 101« gut zwei Wochen lang zweimal täglich für einen öffentlichen Shuttle-Service zwischen Helgoland und Cuxhaven ein. Da das Schiff in dieser Zeit auf der Insel stationiert war, musste eine Nachtwache organisiert werden: Der Auftrag ging an EMT.

Abgesehen von diesem »Experiment«, das laut FRS zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden könnte, gibt es für Touristen, Geschäftsreisende und Insulaner mehrere reguläre Möglichkeiten der Anreise. Am schnellsten geht es mit dem Flugzeug: Hier bietet die Regionalfluggesellschaft Ostfriesischer-Flug-Dienst (OFD) Verbindungen von Bremerhaven und von Heide-Büsum an. Vor einigen Monaten wurde mit Blick auf die Ansiedlung der Offshore-Branche durch die Inbetriebnahme einer zweiten Maschine der Flugplan ausgeweitet – im Winter gibt es nun von den beiden Festland-Orten jeweils zwei Verbindungen, seit Anfang April werden die Routen je viermal täglich geflogen. FRS Helgoline hat während der Saison den Katamaran »Halunder Jet« ab Hamburg, Wedel und Cuxhaven sowie das Seebäderschiff »Atlantis« ab Cuxhaven im Einsatz. Von Büsum pendelt zwischen Ende März und Ende Oktober täglich außer montags die »Lady von Büsum« der Reederei Rahder.

Zuschlag für neues Schiff geht an Cassen Eils

Die derzeit einzige Schiffsverbindung in den Wintermonaten bietet die Reederei Cassen Eils ab Cuxhaven mit dem Seebäderschiff »Funny Girl« an, das zwischen Ende April und Anfang Oktober die Strecke Büsum–Helgoland bedient. Weitere Schiffe hat das Unternehmen im Sommer von Bremerhaven (»Fair Lady«) und von Wilhelmshaven (»Helgoland«) aus im Einsatz.

Zur Sommersaison 2015 soll ein nagelneuer Flottenzugang den Betrieb aufnehmen: Anfang April haben die Gemeinde Helgoland und Cassen Eils verkündet, dass der Zuschlag für den europaweit ausgeschriebenen Verkehrsvertrag, der für 15 Jahre eine ganzjährige Anbindung garantieren soll und einen Schiffsneubau beinhaltet (HANSA 12/2012), an die Cuxhavener Reederei gegangen ist.

Das Schiff soll knapp 1.000 Passagieren eine komfortable Überfahrt auch bei stärkerem Wellengang ermöglichen und durch den Einsatz von Flüssigerdgas (LNG) besonders emissionsarm sein. Die Vertragsunterzeichnung war für Ende April (nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe) geplant: Details über die Kosten und den Namen der Bauwerft wurden im Vorfeld nicht bekannt gegeben.

Der nächste Teil der Helgoland-Serie wird sich mit dem Thema Tourismus befassen: Welche Bedeutung hat er für die Insel, welche Auswirkungen sind durch die Offshore-Branche zu erwarten?