»Vom Mastbruch bis Mann über Bord«

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Moin, Herr Lemcke, wissen Sie noch, welches Schiff bei der ersten Schiffahrtsregatta als Sieger die Ziellinie überquerte? Hans-Joachim[ds_preview] Lemcke: Ja, das war der mit 20 m Länge größte Regattateilnehmer, ein ketchgetakelter Luxus-Seekreuzer mit dem für sich sprechenden Namen »Götz von Berlichingen«. Es war das Schiff des Hamburger Reeders Günther Schulz, der zusammen mit Peter Gast und Werftchef Pieter Mützelfeldt zu den drei Urvätern der Regatta gehört. Erst mehr als drei Stunden danach kam mit der »Laska« das kleinste der 47 Boote ins Ziel. Bemerkenswert ist übrigens die in der Segelanweisung für diese erste Schiffahrtsregatta vorsorglich abgedruckte Grundregel: »Die Kapitäne sollen nicht schimpfen. Prügelstrafe ist verboten.« Daran haben sich erfreulicherweise alle Skipper bis heute gehalten.

Welche der 30 ausgesegelten Regatten ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Lemcke: Neben den Jubiläumsveranstaltungen anlässlich der 25. und 30. Ausgabe ist das die Sturmregatta von 1986. Damals trafen von den 76 gemeldeten Booten nur 15 im Zielhafen Ærøskøbing ein, weil die übrigen Schiffe wegen der ungünstigen Windverhältnisse und der niedrigen Wasserstände ihre Liegeplätze nicht verlassen konnten. Selbst Regatta-Initiator Peter Gast blieb nichts anderes übrig, als per Fähre nach Ærøskøbing anzureisen. Auf der Abendveranstaltung stand der vergleichsweise geringen Anzahl von 150

eingetroffenen Teilnehmern nicht nur eine überproportionale Anzahl an Preisen und Pokalen gegenüber, sondern auch ein in bewährter Form von Bette Bang ausgerichtetes Buffet, das für die angekündigten 450 Gäste dimensioniert war.

Gab es neben dem Sturm auch das Gegenteil – extrem wenig Wind?

Lemcke: Ja, wir hatten uns natürlich den unterschiedlichsten Bedingungen zu

stellen. Neben sehr schnellen gab es auch Flauten-Regatten, wie die 1984 ausgesegelte 2. Schiffahrtsregatta, an der sich 70 Yachten beteiligten. Hier bewiesen der unvergessene Wettfahrtleiter, der sich selbst als »Bahnwärter« präsentierende Erhard Brinckmann vom NRV, und sein Team besondere Flexibilität. Trotz der den Skippern über UKW-Funk mitgeteilten geänderten Bedingungen zog sich das vom Seenotkreuzer »G. Kuchenbecker« begleitete Feld extrem auseinander, wobei eine nicht kleine Zahl von Yachten die Ziellinie vor Ærø nur mithilfe ihres »Flautenschiebers« noch vor Sonnenuntergang erreichen konnte.

Bei den Regatten haben immer wieder Persönlichkeiten aus der Politik Flagge gezeigt, um ihre Verbindung zur maritimen Wirtschaft zu unterstreichen …

Lemcke: Es gab zahlreiche Politpromis, die mit launigen Reden zur Erheiterung beitrugen, oder etwa wie 2008 bei der 26. Schiffahrtsregatta der damalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen mit der praktischen Demon­stration eines gebräuchlichen Seemannsknotens. Besonderer Beifall wurde Bundesarbeitsminister Norbert Blüm zuteil, der die leider ebenfalls von einer Flaute gekennzeichnete

10. Schiffahrtsregatta 1992 an Bord der siegreichen Prominen­tenyacht »Uca« absolviert hatte und bei der Siegerehrung seine dabei gewonnene Erkenntnis zum Besten gab: »Wer zu früh startet, der wird abgeschossen.« Am Ende musste Blüm zugeben: »Der Bundeskanzler hatte recht, als er sagte, ›Norbert, da geh‘ man hin, da kannst Du was lernen‹.«

Gab es bemerkenswerte Zwischenfälle?

Lemcke: Ja, reichlich, vom Mastbruch über zerfetzte Segel und Freischlepp-Aktio­nen bis zum »Mann über Bord«-

Manöver – glücklicherweise ohne drama­tische Folgen. Zu den harmloseren gehört, dass Regattateilnehmer schneller an der Ziellinie waren als das mit Höchstfahrt

nahende Zielschiff und sich deshalb – hoffentlich richtig – selbst gezeitet haben.

Beim Einlaufen wird jedes den Molenkopf passierende Regattaschiff mit dem Läuten einer Schiffsglocke begrüßt. Seit wann gibt es diesen Brauch?

Lemcke: Das ist eine schöne Geste, die seit 1992 praktiziert wird. Die Messingglocke stammt von einem abgewrackten Shell-Tanker und wurde dem Hafenmeister von der Deutschen Shell gestiftet.


Jens Meyer